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 Kult
The Rocky Horror Show Let's Do the Timewarp Again
© Harald Dietz - SFF Fotodesign, Hof
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Woran erkennt man eine gute "Rocky Horror Show"? Vielleicht ist es die Menge an Konfetti und Klopapier, die am Ende die Reihen schmückt. In Hof ist der Saal übersät, denn Regisseur Reinhardt Friese schafft mit neuen Ideen und einer rundum gelungen Besetzung die idealen Voraussetzung für einen herrlichen Mitmach-Theaterabend.
(Text: Merle Wilts) Premiere: | | 14.02.2015 | Rezensierte Vorstellung: | | 07.03.2015 | Letzte bekannte Aufführung: | | 18.06.2015 |
Schon ganz zu Beginn zeigt die Inszenierung von Reinhardt Friese echte Raffinesse: Frank'n'Furters Schloss wird auf eine Leinwand produziert, aber die Filmaufnahmen sind nicht wie sonst üblich vorher entstanden – im Orchestergraben stehen kleine Miniaturen, die nach Bedarf abgefilmt werden. Eine großartige Idee, die sich stringent durchs Stück zieht. So wird beispielsweise auch am Ende mit Hilfe dieses Modells der Abflug des Raumschiffs dargestellt. Von diesen "Oh!"-Effekten gibt es gerade im ersten Akt viele. Auch Ausstatterin Annette Mahlendorf hat ganze Arbeit geleistet: Der leidige Erzähler versteckt sich erst hinter einem Bücherregal, das dann geschickt um ihn herumfährt und den Blick auf ihn preisgibt.
© Harald Dietz - SFF Fotodesign, Hof
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Das gesamte Bühnenbild besteht in seiner Grundkonstruktion aus einem weißen Raum und wird immer wieder ergänzt durch Elemente wie zum Beispiel die Laborschaltpulte oder Projektionen im Hintergrund. Die Inszenierung orientiert sich streckenweise am Film, bringt aber durch viele kleine und größerer Einfälle auch immer wieder frischen Wind in das Stück. Reinhard Friese schafft es auch, der Show die gewisse Obszönität zu verleihen, ohne dabei peinlich zu werden.
Generell gilt bei der "Rocky Horror Show" im Punkt Kostümen definitiv das Credo: je ausgefallener, desto besser. Das gelingt wunderbar – besonders der Einfallsreichtum bei den Kostümen der Phantoms ist riesig, bonbonbunt und abwechslungsreich. Auch die Idee, Rocky nicht nur in goldene Shorts zu packen, sondern ihn gleich komplett in Gold anzumalen, punktet in Sachen Kreativität. Die Choreografien von Stephan Brauer und Tamás Mester sind flott und frech und fügen sich ins Gesamtbild ein.
© Harald Dietz - SFF Fotodesign, Hof
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Als (noch) unschuldiges Pärchen Brad und Janet überzeugen Jörn Bregenzer und Julia Leinweber mit einer witzigen Spieldynamik sowie hervorragend harmonierenden Stimmen. Ihre Wandlung von den grauen Mäusen zu den Gespielen von Frank'n'Furter ist unheimlich komisch anzusehen. Léon van Leuwenberg gibt den Gastgeber dieses Abends lasziv-schräg mit eindrucksvoll verruchter Stimme und schauspielert sich dabei von Drama bis zum Zynismus durch alle Facetten der Rolle. Außerdem schafft er es, die schräge Figur glaubhaft zu verkörpern, ganz ohne unangebrachte Übertreibung. Besonders "I'm Going Home“ ist berührend.
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Seine goldene Eigenkreation Rocky wird von Stefan Reil verkörpert, der nicht nur durch sein Aussehen auf ganzer Linie überzeugt: Mit starker Rockstimme und einem herrlich naiv-kindlichen Schauspiel kauft der Zuschauer ihm sofort ab, dass er gerade erst auf diese schräge Welt kam. Spätestens als er auf seiner Flucht vor Frank'n'Furter spontan einen jüngeren Zuschauer aus der ersten Reihe hochhebt, ist er wohl der Symphatieträger des Abends. Ein Highlight ist auch Columbia (Susanna Mucha), die rollentypisch überdreht und quietschig daherkommt und mit ihrer Stimme stark an die Ur-Columbia (Nell Campbell) aus dem Film von 1975 erinnert. Gerade die schwierigen hohen Töne der Rolle meistert sie ohne Mühe.
© Harald Dietz - SFF Fotodesign, Hof
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Das verräterische Geschwisterduo Magenta und Riff Raff spielen Cornelia Löhr und Chris Murray. Cornelia Löhr trumpft mit sicherer Stimme und osteuropäischem (oder besser: transylvanischem) Akzent und großartiger zynischer Art auf. Chris Murray wartet besonders in seinen Momenten als Diener mit pointiertem komödiantischen Talent in Sachen Schauspiel auf. Auch stimmlich ist er sehr passend besetzt.
"I Love Rock'n'Roll" wird durch Eddie (Jonathan Agar) auch zu einer beschwingten Nummer. In seiner Doppelbesetzung überzeugt er auch als Dr. Scott. Die wohl unbeliebteste Rolle hat als Erzähler Thomas Hary, denn traditionell wird er ausgebuht und mit Ausrufen wie "Langweilig!" bedacht. Davon lässt er sich gar nicht beeindrucken und gibt einen herrlich trockenen Kommentator des bizarren Geschehens ab.
Ganz besonders hervorzuheben ist die Tatsache, dass die Phantoms bis auf zwei Darsteller allesamt Laien aus dem Musicalclub sind. Die spielerische und gesangliche Leistung ist großartig – das gesamte Ensemble spielt sich voller Energie und Freude durch die Show. Wieder einmal ein Beweis dafür, wie gut Musicalprofis und Laien harmonieren können.
© Harald Dietz - SFF Fotodesign, Hof
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Musikalisch greift die Hofer Inszenierung auf eine Bandbesetzung unter der Abendspielleitung von Rebecca Anne Hicks zurück – diese sitzt erhöht auf der Bühne und verleiht den Nummern genau den richtigen Pepp und Swing. Einzig die Tonabmischung bereitet manchmal leichte Probleme, denn dann ist das wirklich schöne Zusammenspiel der Band zu laut für die Darsteller.
Noch ein Faktor trägt unbestreitbar zu einem guten "Rocky Horror"-Abend bei: das Publikum. In Hof hält es am Ende keinen mehr auf den Sitzen. Auch während der Show wird fleißig mitgemacht, gerufen, getanzt und kein Einsatz verpasst. Der Spaßfaktor kommt definitiv nicht zu kurz. Am Ende des Abends verlässt jeder den Theatersaal mit einem Grinsen. Vielleicht ist es schlussendlich genau das, was den Kult um die "Rocky Horror Show" ausmacht: In einer guten Inszenierung ist es unmöglich, dieses Stück schlecht gelaunt zu verlassen. Egal ob als "Rocky Horror"-Neuling oder eingefleischter Fan der Show – in Hof kommt jeder voll auf seine Kosten.
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(Text: Merle Wilts)

Kreativteam
Besetzung
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| Handlung | Nach einer Reifenpanne landet das prüde Pärchen Brad Majors und Janet Weiss auf dem Schloss des exzentrischen Wissenschaftlers Dr. mehr Frank 'n' Furter. Dieser nutzt die Gewitternacht, um seinen Traumliebhaber aus allerlei Zutaten (unter anderem Körperteilen seines Ex-Gelieben) zu erschaffen. Faszniert und angewidert zugleich lassen sich Brad und Janet in die kuriose Welt ziehen und schrecken schließlich auch nicht vor sexuellen Abenteuern zurück. Die Dienerschaft hat jedoch genug von diesem rücksichtslosen Verhalten und strengt noch in derselben Nacht eine Revolte gegen den Schlossherrn an, um zum Heimatplaneten Transylvania zurückkehren zu können.
Musik und Songtexte stammen von Richard O'Brien, der häufig auch in die Rolle des Dieners Riff Raff schlüpfte. Die Premiere fand am 16. Juni 1973 im The Royal Court Theatre Upstairs, der Studiobühne des Royal Court Theatres in London, statt. 1975 wurde die Verfilmung als "The Rocky Horror Picture Show" in die Kinos gebracht.
Berühmte Darsteller der Uraufführung waren unter anderem Tim Curry als Frank 'n' Furter, Richard O'Brien als Riff Raff und Little Nell als Columbia.
In der Filmversion übernahmen diese drei ebenfalls die gleichen Rollen und verhalten dem Film zu Kultstatus. Curry und O'Brien sind heute noch das Urbild von Frank 'n' Furter und Riff Raff. Neben diesen Darstellern waren zusätzlich Meat Loaf als Eddie und Susan Sarandon als Janet zu sehen.
Die "Rocky Horror Show" wie auch "The Rocky Horror Picture Show" leben ihren Kultstatus vor allem durch die Interaktion des Publikums. Fliegender Reis, der Einsatz von Wasserpistolen, Gummihandschuhen, Zeitungshüten und rollenspezifische Kostüme sind keine Seltenheit. Ein Versuch von Richard O'Brien, die Show wieder zu einem normalen Theaterstück zu machen, scheiterte aufgrund es Widerstands des Publikums im Jahr 2007 kläglich.
Ergänzend ein kleiner Mitmach-Guide zur Bühnenversion. Bitte darauf achten, dass z.B. Wasserpistolen und vor allem offenes Feuer in Theatern ungerne gesehen sind, OpenAir sind sie meist kein Problem. Toastbrotscheiben sind meist aus hygienischen Gründen verboten.
Reis: Brad und Janet besuchen zu Beginn des Stücks die Hochzeit von Ralph und Betty. Wenn die beiden aus der Kirche kommen, darf ordentlich Reis geworfen werden.
Wasserpistolen/Zeitungen: Brad und Janet machen sich auf den Weg zu Ihrem ehemaligen Professor Dr. Scott. Dabei geraten sie in ein Gewitter. Zeit für die Wasserpistolen und Hüte aus Zeitungen.
Taschenlampe/Wunderkerzen: ... und schon wenige Sekunden später sehen sie das Schloss von Frank'N'Further. Im Song erklingt "There's a light" und Taschenlampen/Wunderkerzen unterstützen das Bild.
Tröten: Einige Zeit später hält Frank'N'Further seine Schicksalsrede und endet mit (z.B. "Ich halte den Schlüssel des Lebens in meinen Händen"). Wir nehmen sie nicht so ganz ernst und tröten los.
Gummihandschuh: Im Labor angekommen zieht sich Frank seine Handschuhe an/aus. In dem Moment, in dem er damit schnalzt, darf auch das Publikum es ihm gleich tun.
Klopapier: Frank'N'Further hat mit Rocky den für sich perfekten Mann geschaffen. Meist erscheint er wie eine Mumie und wird ausgewickelt. Was liegt näher, als mit Klopapier zu werfen? Tipp: Das Papier zunächst etwa 2 Meter abwickeln, das Ende festhalten und dann die Rolle werfen. Macht natürlich von hinten nach vorne bzw. vom Rang am meisten Spaß.
Reis/Konfetti: Wohl dem, der nicht den ganzen Reis bereits in der ersten Szene geworfen oder noch Konfetti dabei hat. Wenn Frank und Rocky in die Hochzeitsnacht entschwinden, bricht der zweite Reis/Konfettisturm los.
Glöckchen: In "Planet Schmanet" heißt es genau hinhören. Ein einziges Mal im Song kommt die Stelle "When we made it, did you hear a bell ring?". Wer das Glöckchen schnell genug gezückt hat, bimmelt los.
Spielkarten: Die Geschichte entwickelt sich nicht zu Franks Vorteil und er stimmt "I'm Going Home" an. Darin singt er auch von "Cards of Sorrow, Cards of Pain". Mit zwei Fingern wie eine Frisbee geschnippte Spielkarten fliegen besonders gut.
Mitmachspielchen im Text:
Der Erzähler unterbricht die Handlung des Stücks regelmäßig und deutet sie. Die Texte sind manchmal etwas langatmig. Da kommt ein beherztes "BORING!" (Langweilig!) gerade recht. Wann entscheidet jeder Zuschauer für sich. Unser Tipp ist, den Erzähler zunächst ein paar Sätze erzählen zu lassen, dann passt's besser als wenn er schon beim Betreten der Bühne mit "BORING!" übertönt wird.
Eddy hat kein wirkliches Glück im Stück und scheidet so viel zu früh dahin. Aber darüber spricht man nicht. Immer wenn irgendwo im Text der Name "Eddy" fällt, machen wir "Schhhhhhh...." oder "Psssssst".
Der richtige Name "Dr. von Scott" ist den wenigsten bekannt. So wird er immer nur "Dr. Scott" genannt. Den kennen wir allerdings nicht. Daher rufen wir immer, wenn "Dr. Scott" in einem Text aufkommt "Who?!" ("Huu'?").
Im Laufe der Geschichte gibt es eine Szene, die die Konzentration des Publikums auf die Probe stellt. Nämlich genau dann, wenn Dr. Scott, Eddy, Brad und Janet aufeinandertreffen.
Echte Fans kommen gerne verkleidet. Dabei stehen vor allem die Charaktere Frank'N'Further, Magenta, RiffRaff und Rocky hoch im Kurs. Eher selten sieht man einen Brad oder eine Janet. Wer sich nicht enscheiden kann, kann immer auch als Transilvanian kommen. Dabei ist fast alles erlaubt, das schräg ist. Am Besten einfach einen Blick in den Film oder die Bildersuche bei Google werfen. Geschminkte Lippen und Augen sind bei Männern keine Seltenheit und es darf auch (passend zur Rolle) Haut gezeigt werden.
Der Einsatz der Requisiten ist je nach Publikum und Theater unterschiedlich. Echte Fans haben (fast) alles dabei, andere nur Klopapier und Reis. Die meisten Theater wissen was auf sie zukommt und nehmen die Einlasskontrollen daher weniger ernst, es gab schon Aufführungen, in denen die Taschen verkleideter Zuschauer nicht durchsucht wurden, aber die der Anzugträger. Wichtig ist, die Regeln des Theaters (z.B. kein Feuer) einzuhalten. Spannend sind vor allem die Momente, in denen unwissende Zuschauer von den Ritualen überrascht werden. Die meisten nehmen es mit Humor. Beim Einsatz der Mitbringsel gillt: Gemeinsam Spaß haben steht ganz oben. Also keinen Wasserstrahl direkt in den Nacken des Vordermanns richten, nicht mit Taschenlampen in die Augen blenden usw. Wer das beherzigt, wird schnell Teil der Show und verbringt einen sehr interaktiven Theaterabend.
(Im Lexikon findet sich neben weiteren Infos auch ein Mitmach-Guide mit allen wichtigen Mitbringseln zur Show)
| Weitere Infos | (Im Lexikon findet sich neben weiteren Infos auch ein Mitmach-Guide mit allen wichtigen Mitbringseln zur Show)
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Die Kriterien für unsere Kurzbewertungen (Stand: Dezember 2014)
Buch*: Ist die Handlung in sich schlüssig? Kann die Story begeistern? Bleibt der Spannungsbogen erhalten oder kommt Langeweile auf?
NICHT: Besonderheiten der konkreten Inszenierung des Theaters.
Kompositionen*: Fügen die Kompositionen sich gut in das Stück ein? Haben die Songs Ohrwurmcharakter? Passen die gewählten Texte auf die Musik? Transportieren Text und Musik die selbe Botschaft?
NICHT: Orchestrierung, Verständlichkeit des Gesangs der Darsteller in der aktuellen Inszenierung.
* werden nur bei neuartigen Produktionen (z.B. Premiere, deutsche Erstaufführung usw.) vergeben
Inszenierung: Wie gut wurde das Stück auf die Bühne gebracht? Stimmen die Bilder und Charaktere? Bringt der Regisseur originelle neue Ansätze ein?
NICHT: Wie gut ist die Handlung des Stücks an sich oder die mögliche Übersetzung?
Musik: Kann die musikalische Umsetzung überzeugen? Gibt es interessante Arrangements? Ist die Orchesterbegleitung rundum stimmig? Muss man bei Akustik oder Tontechnik Abstriche machen?
NICHT: Sind die Kompositionen eingängig und abwechslungsreich? Gibt es Ohrwürmer? Gefällt der Musikstil?
Besetzung: Bringen die Darsteller die Figuren glaubwürdig auf die Bühne? Stimmen Handwerk (Gesang, Tanz, Schauspiel) und Engagement? Macht es Spaß, den Akteuren zuzuschauen und zuzuhören?
NICHT: Sind bekannte Namen in der Cast zu finden?
Ausstattung: Setzt die Ausstattung (Kostüme, Bühnenbild, Lichtdesign etc.) die Handlung ansprechend in Szene? Wurden die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten optimal genutzt? Bieten Bühne und Kostüme etwas fürs Auge und passen sie zur Inszenierung?
NICHT: Je bunter und opulenter ausgestattet, desto mehr Sterne.
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Leider keine aktuellen Aufführungstermine. |
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