 Kinderbuch-Adaption
Heidi Auf der Alm, da gibt's ein Musical... Uraufführung der kecken Musical-Version des berühmten Kinderbuches von Johanna Spyri. Das Stück von Dominik Wilgenbus und h. c. mylla hat das Zeug zum Kult - weil es im Gegensatz zu den meisten anderen schrägen Shows auch noch geistreich ist.
(Text: rj) Premiere: | | 22.10.2004 | Letzte bekannte Aufführung: | | 05.04.2009 |
Nach dem ersten Akt ist das Publikum noch ein wenig ratlos: Was wollen die uns damit sagen? Das liegt daran, dass Autor Dominik Wilgenbus (der auch Regie führt) dem Publikum zwar jede Menge schräger Inszenierungsideen vorführt, aber dabei das Erzählen vergisst. Die Szenen wirken beliebig wie in einer Revue. Da singt Heidi der kranken Ziege ein Schlaflied, die Großmutter erinnert sich an die Zeit, als sie noch sehen konnte und Klara wünscht sich, dass ihr Vater öfter daheim wäre. Die Dorfbewohner besingen zünftig, dass ihnen sowieso alles recht ist und die Ziegen führen ein fröhliches Ballett auf. Das ist zwar alles recht nett anzuschauen, ein Erzählfluss kommt aber nicht zustande - wozu sicher auch die hier noch langatmigen Dialoge beitragen (wer noch nie einen Otto-Film gesehen hat, darf zumindest lachen über Kalauer wie die zu besteigende "Eichen-Schrankwand" und das Echo, das seinen Text vergisst). Wie ausgewechselt kommt die Produktion aus der Pause. Zwar bleiben die Figuren, mit Ausnahme des Alm-Öhi (besetzt mit dem Leipziger Schauspiel-Original Friedhelm Eberle), comic-haft eindimensional. Doch weil die Handlung an Fahrt gewinnt und die jetzt durchgehend ordentlichen (und teilweise hervorragenden) Musiknummern wesentlich besser in die Show eingebettet sind, wird aus der beliebigen Revue eine richtig gute. Und wenn Heidi am Ende ihre eigenen Bücher signiert, dann hat sie das Publikum längst auf ihrer Seite. Der gebürtige Darmstädter h. c. mylla liefert musikalisch einen waghalsigen Stilmix. Nachdem das "Deine Welt sind die Berge"-Motiv gleich in der ersten Ensemblenummer anklingt und dann ein für alle Mal begraben wird, wechselt das Orchester zwischen Kuhglocken und Zwölftonakkord, zwischen klassischem Broadway und Soli im "Ich gehör nur mir"-Stil, zwischen französischem Chanson, Schuhplattler und Rock'n'Roll. Udo Vollmer stellt besagte Eichenwand auf die Bühne (mit einem bespiel- und besteigbaren großen Schrank in der Mitte), hängt in den Hintergrund ein Alpenpanorama und beschränkt sich ansonsten auf Andeutungen und kleine Details - wohltuender Minimalismus. Andrea Fissers schräge Kostüme sind ein echtes Highlight, und offenkundig eng mit der Regie abgestimmt. Auf der Alm stehen drei singende Ganzkörpertannen, die großzügig bepelzten Ziegen wackeln mit ihren Umschnall-Eutern. In Heidis Träumen tanzen zwei Nägel mit einem Hammer und einer Säge, schließlich läuft auch noch ein überdimensionales Kaffeeservice auf. In der Frankfurter Welt sind die Figuren dagegen jeweils streng in eine Farbe gekleidet (inklusive Perücke): Klara in ein "Ich-werde-zum-süßen-Mädchen-erzogen"-Rosa, die agile Großmama Sesemann in forsches Powerfrauen-Lila, das strenge und verklemmt-verliebte Fräulein Rottenmeier schließlich in Neid-Hellgrün. Anna Silvia Lilienfeld (in der besuchten Vorstellung erkältet) gibt die Heidi als rotzig-grenzdebile Göre, die ständig ein langezogenes "Waruuu-um?" zu sagen scheint (und das gelegentlich auch tut). Marco Fahrlands Geißenpeter ist angenehm zurückgenommen. Katja Kriesel als Klara hätte aus ihrem großen (Belt-)Solo im ersten Akt vielleicht noch mehr herausholen können. Sabine Töpfer ist als rockende Großmama Sesemann stimmlich nicht immer voll auf der Höhe, legt aber eine enorme Spielfreude an den Tag und liebt es, mit ihrer zur Hunde-Handpuppe umfunktionierten Handtasche das Fräulein Rottenmeier anzuknurren. Da deren Darstellerin (Angela Mehling) in der besuchten Vorstellung krank war, sprang kurzfristig Regisseur Wilgenbus ein und opferte dafür auch seinen Bart. Schnell machte er sich in der Rolle zum Publikumsliebling: mit einer erfreulich untuntigen Version des affektierten Kindermädchens, das heimlich den in Paris weilenden Hausherren liebt ("Ich kann nicht dormir, je veux zu dir"). Das Heidi-Musical ist weder eine Märchenstunde noch eine psychologische Studie, sondern eine große Retro-Show für alle, die sich gerne an ihre Kindheit erinnern. Aber statt den Klassiker einfach zu erzählen (was langweilig und kitschig wäre), verfremden und überspitzen Wilgenbus und h. c. mylla den Plot - so, wie es jeder wohl auch mit seinen eigenen Erinnerungen macht. Heraus kommt eine witzige, schräge, und manchmal sogar geistreiche Nostalgie-Revue. So ist "Heidi" nie gewesen - aber wer seine Kindheit verklären will (und wer will das nicht?), der ist hier genau richtig. Ein Stück, das sicher seinen Platz auf den Spielplänen finden wird. Retro vom Feinsten.
(Text: Robin Jantos)

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Kreativteam
Besetzung
Zuschauer-Rezensionen
Die hier wiedergegebenen Bewertungen sind Meinungen einzelner Zuschauer und entsprechen nicht unbedingt den Ansichten der Musicalzentrale.
 12 Zuschauer haben eine Wertung abgegeben:

    5723 Es kommt so wie's kommen muss!
31.12.2009 -

J+D
    8660 war ja nicht anders zu erwarten
31.12.2009 - es war klasse... aber das war ja klar! Hab die heutige nachmittagsvorstellung gesehen und bin begeistert! allerdings hätte das mikro von marco fahrland (geisenpeter) ein bisschen lauter eingestellt seien können, der hat nämlich mit abstand die geilste stimme von allen singenden männern! *schmacht*

Sarah aus Leipzig
    8785 Für Kinder ein Wahnsinn, aber für Erwachsene noch viel mehr als das...
31.12.2009 - Was soll man dazu noch sagen? Ich habe schon einig Berichte über Heidi geschrieben, da ich es einach nicht lassen kann, immer und immer wieder reinzugehen... Es ist einfach toll. Kleine Kinder sind begeistert, aber Erwachsene noch vieeeeeel mehr! Was, ihr ward noch nicht da?? In die MuKo, aber sofort!
Ciao, *jule*
PS : Wenn ihr euch Zeit nehmt, dann findet ihr meine Heidi-Berichte, es steht nur noch viel anderes drumherum.
Look here --> http://home.arcor.de/rocky/news.html

*jule*
    9562 Ganz toll
31.12.2009 - Tolle Inszenierung und viel Spielfreude bei den Darstellern. Die Heidi (Lilienfeld) ist ja die Idealbesetzung!

Gehler
    14143 Traumhaft schön, grandios inszeniert, faszinierende Bühnentechnik
31.12.2009 -

hakraeis
    11171 Heidi
09.03.2006 - Hätt nie gedacht, dass man diese Geschichte so schön auf die Bühne bringen kann. Sehr schöne Stimmen. Anne-Kathrin Fischer als Großmutter ist herzergreifend. Anna Silvia Lilienfeld spielt das kleine Heidi sehr authentisch. Marco Fahrland ist ein genialer Geißenpeter.
Ich mochte auch die Choreograhien, insbesondere die Geißen und die Szene über den Schulunterricht.

geiß
    11122 Heidi im Flachland? JA!
06.03.2006 - Klara (Katja Kriesel) ist toll. Die anderen Darsteller ergreifend. Das Ballett witzig.
Klasse!

heidi-heida
    6107 einfach genial
31.05.2005 -

Diva
    5774 Bidde?
09.05.2005 - Warum zum Teufel warst du dann drin?

J+D
    5735 Katastrophal belanglos und langweilig
07.05.2005 -

René
    3511 Geniale Heidi
12.12.2004 -

Schneehöppli
    2814 heidi
25.10.2004 -

hhott 
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