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 Klassiker
Cabaret Willkommen im Kit Kat Klub
© Theaterfotograf Peter Awtukowitsch
© Theaterfotograf Peter Awtukowitsch
Tim Heilmann inszeniert "Cabaret" als Rückblende: ein subjektiv gefärbter Zeitzeugenbericht von Autor Clifford Bradshaw, der versucht, die Erlebnisse seines Aufenthalts in Berlin zu Papier zu bringen. Eine Inszenierung, die zwar keine große Überraschungen bereit hält, aber dennoch zündet.
(Text: Claudia Leonhardt) Premiere: | | 04.10.2014 | Rezensierte Vorstellung: | | 03.05.2015 | Letzte bekannte Aufführung: | | 17.04.2016 |
Am Ende bleibt die Ernüchterung. Verstört durch den immer größer werdenden Einfluss der Nationalsozialisten und deren zunehmende Radikalität verlässt der Amerikaner Clifford (Alter Ego von Christopher Isherwood, der die Buchvorlage zum Stück lieferte) überstürzt Berlin. Für ihn nimmt die Geschichte eine positive Wendung: Er kann endlich seine Schreibblockade, mit der er während der gesamten Handlung gehadert hat, überwinden und verarbeitet das Erlebte in einem Roman.
Die anderen bleiben zurück im sich rapide wandelnden Berlin der 1930er: Der jüdische Obsthändler Herr Schultz, in der fehlgeleiteten Überzeugung, dass die Nazi-Zeit schon bald vorübergehen wird. Fräulein Schneider, die sich aus Angst dem Druck der Nationalsozialisten beugt. Ernst Ludwig und Fräulein Kost, triumphierende Sinnbilder des neuen Zeitalters. Der ehemals strahlende Cabaret-Star Sally Bowles, die zusammengekauert am Boden liegt und in Selbstmord-Fantasien schwelgt. Und schließlich der Conférencier, der die Gäste des Kit Kat Klubs weiter animiert, den Alltag zu vergessen und demonstrativ eine Seite von Cliffords Aufzeichnungen verbrennt. The show must go on – egal um welchen Preis.
Tim Heilmann gibt seiner "Cabaret"-Inszenierung damit einen beklemmenden Abschluss. Auch sonst überzeugt die Produktion des Vogtlandtheaters. Sie versucht nicht, dem vielgespielten Kander/Ebb-Klassiker auf Krampf ein neues Gesicht zu geben, sondern punktet mit gut durchdachten Bildern, passender Ausstattung und kluger Personenregie.
Shin Taniguchi schafft es als Conférencier, gleichzeitig eine reale Person und ein abstrakte Idee darzustellen: ein allzeit souveräner Gastgeber im Kit Kat Klub und ein zynisches Spiegelbild der Zeit. Vor allem darstellerisch ist er grandios. Seine wohlklingende, wenn auch recht opernhafte Stimme passt mal mehr (beispielsweise beim fulminanten Auftaktsong "Willkommen"), mal weniger ("Money") zur jazzigen Partitur von Kander und Ebb.
Nicht ganz passend ist die Alternativbesetzung der beiden Hauptcharaktere. Das junge Liebespaar kann man Vasiliki Roussi und Alexander Mildner auch mit viel gutem Willen nicht abnehmen. Vor allem Mildner ist – trotz hervorragender schauspielerischer und solider gesanglicher Leistung – was Alter und Typ betrifft schlichtweg fehlbesetzt. Dagegen gelingt es Roussi noch, dank energiegeladener Darstellung und geschicktem Einsatz von Kostümen und Maske, die eigentlich blutjunge Sally Bowles recht überzeugend auf die Bühne zu bringen. Roussis Interpretation variiert gekonnt zwischen Verruchtheit und Verletzlichkeit. Ihre warme, rauchige Stimme kommt besonders bei "Mein Herr" und "Maybe This Time" wunderbar zur Geltung. Nicht nur Roussis Darbietung, sondern auch die szenische Gestaltung macht die beiden Nummern zu absoluten Highlights des Abends!
Christine Rosin und Tilman Rau geben der vorsichtigen Romanze zwischen Fräulein Schneider und Herrn Schultz eine anrührende Note. Als Ernst Ludwig darf Dominik Schiefner über weite Strecken den netten Kumpel-Typ geben, bevor er am Ende des ersten Akts sein beängstigendes Gesicht als Nazi-Funktionär zeigt. Ebenso wie Manja Ilgens naiv-freches Fräulein Kost, die in dieser Inszenierung die Nazi-Hymne "Der morgige Tag ist mein" interpretiert, gelingt ihm die Wandlung glaubhaft.
Vor allem das Bühnenbild von Axel Schmitt-Falckenberg ist maßgeblich dafür verantwortlich, dass die Inszenierung so gut funktioniert. Ein paar bewegliche Trennwende werden mal zu Spiegelflächen, mal zu Fenstern und Schränken und lassen so ohne Auf- und Abbauzeiten den flinken Wechsel vom glamourösen Kit Kat Klub zur beschaulichen Pension zu. Schmitt-Falckenberg hat das Rad nicht neu erfunden: Es ist kein außergewöhnliches Bühnenbild, sondern schlichtweg eines, das mit einfachen Mitteln und Wandlungsfähigkeit sehr viel darzustellen vermag und Atmosphäre vermitteln kann.
Das tadellos aufspielende 12-köpfige Orchester unter Leitung von Thomas Peuschel hat – je nach Szenenbild mal sichtbar, mal verdeckt – erhöht auf einem Podest am hinteren Bühnenende Platz genommen und wird damit selbst zum Teil der Nachtclub-Szenerie. Heilmanns Inszenierung liefert ein rundum stimmiges Bild – und den Beweis dafür, dass man auch einen Klassiker wie "Cabaret" nicht general-erneuern muss, damit er begeistern kann.
(Text: Claudia Leonhardt )

Kreativteam
Besetzung
Frühere Besetzungen? Hier klicken Sally Bowles - Patricia Meeden, Vasiliki Roussi
Produktionsgalerie (weitere Bilder)

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| Handlung | Berlin kurz vor dem Zweiten Weltkrieg. mehr Der unbekannte amerikanische Schriftsteller Cliff Bradshaw reist in die deutsche Hauptstadt, um Inspiration für sein neues Werk zu finden. Im Kit-Kat-Club ist Cliff ist fasziniert von Sally Bowles, neben dem zwielichtigen Conferencier absoluter Star des Etablissements. Schnell wird aus Cliff und Sally ein Paar, Sally wird schwanger. Doch der erstarkende Nationalsozialismus macht sich bemerkbar. Auf der Verlobungsfeier seiner Pensionswirten Fräulein Schneider mit dem jüdischen Obsthändler Herr Schultz wird Cliff mit den politischen Entwicklungen in Deutschland konfrontiert und überdenkt seine Zukunftspläne.
| Weitere Infos | Aufführungsrechte: Verlag Felix Bloch Erben
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Die Kriterien für unsere Kurzbewertungen (Stand: Dezember 2014)
Buch*: Ist die Handlung in sich schlüssig? Kann die Story begeistern? Bleibt der Spannungsbogen erhalten oder kommt Langeweile auf?
NICHT: Besonderheiten der konkreten Inszenierung des Theaters.
Kompositionen*: Fügen die Kompositionen sich gut in das Stück ein? Haben die Songs Ohrwurmcharakter? Passen die gewählten Texte auf die Musik? Transportieren Text und Musik die selbe Botschaft?
NICHT: Orchestrierung, Verständlichkeit des Gesangs der Darsteller in der aktuellen Inszenierung.
* werden nur bei neuartigen Produktionen (z.B. Premiere, deutsche Erstaufführung usw.) vergeben
Inszenierung: Wie gut wurde das Stück auf die Bühne gebracht? Stimmen die Bilder und Charaktere? Bringt der Regisseur originelle neue Ansätze ein?
NICHT: Wie gut ist die Handlung des Stücks an sich oder die mögliche Übersetzung?
Musik: Kann die musikalische Umsetzung überzeugen? Gibt es interessante Arrangements? Ist die Orchesterbegleitung rundum stimmig? Muss man bei Akustik oder Tontechnik Abstriche machen?
NICHT: Sind die Kompositionen eingängig und abwechslungsreich? Gibt es Ohrwürmer? Gefällt der Musikstil?
Besetzung: Bringen die Darsteller die Figuren glaubwürdig auf die Bühne? Stimmen Handwerk (Gesang, Tanz, Schauspiel) und Engagement? Macht es Spaß, den Akteuren zuzuschauen und zuzuhören?
NICHT: Sind bekannte Namen in der Cast zu finden?
Ausstattung: Setzt die Ausstattung (Kostüme, Bühnenbild, Lichtdesign etc.) die Handlung ansprechend in Szene? Wurden die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten optimal genutzt? Bieten Bühne und Kostüme etwas fürs Auge und passen sie zur Inszenierung?
NICHT: Je bunter und opulenter ausgestattet, desto mehr Sterne.
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