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 Uraufführung
Romeo & Julia - Das Musical Liebe, die durch Mark und Bein geht
© Olaf Struck
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Shakespeares berühmtestes Liebespaar kommt in einer poppigen Version unter freiem Himmel direkt an die Kieler Förde. Eingängige Musik vom Rosenstolz-Team, ein bis in die kleinsten Rollen engagiert aufspielendes Ensemble und die kraftvolle Inszenierung von Daniel Karasek machten den Abend zu einem Highlight des Musical-Sommers 2014. Ab Mai 2015 ist das Musical mit leicht veränderten Texten und Szenen sowie angepasstem Bühnenbild als Indoor-Produktion im Schauspielhaus zu sehen.
(Text: Michael Rieper) Premiere: | | 16.08.2014 | Rezensierte Vorstellung: | | 16.08.2014 | Letzte bekannte Aufführung: | | 11.05.2016 |
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Schon ein Blick auf die von Norbert Ziermann erdachte Bühne versetzt den Zuschauer in Erstaunen: Gespielt wird auf einer 14-stufigen Treppe - wohlgemerkt keine bereits vorhandene Treppe wie in mehreren anderen Festspielstädten, sondern eine extra für diese Inszenierung gebaute Bühnenkonstruktion. Am oberen Ende der Stufen stehen drei Videoleinwände, auf denen mal symbolhafte Projektionen, mal extra hierfür angefertigte kurze Filme die Handlung unterstützen oder vorantreiben. Am unteren Ende ist die Fläche breit genug, dass im Laufe des Stückes mehrere Personen per Auto oder Motorrad auftreten können. Als besonderer Clou kann die mittlere der Leinwände gemeinsam mit dem davorliegenden Treppenteil gedreht werden und gibt dann den Blick auf einen halbrunden Turm frei, der in einem Balkon endet. Und so gerät die berühmte Balkonszene spektaktulär und berührend zugleich. Spektakulär, weil Romeo-Darsteller Johannes Merz diesen Turm geradezu artistisch nur mithilfe einiger weniger Stangen und eines ihm von oben entgegengeworfenen "Lakenseils" bezwingt - wofür er spontan einen verdienten Szenenapplaus erhält - und berührend, weil die beiden Schauspieler auf dem Balkon einfach hinreißend miteinander agieren; voller Unbekümmertheit und Begehren nacheinander, aber immer unter dem alles beherrschenden Gefühl "Ich würde ja gerne, aber ich darf eigentlich nicht".
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Maxine Kazis, die als Julia eine riesige Bandbreite an Emotionen glaubhaft und scheinbar mühelos darzustellen vermag, bezaubert nicht nur ihren Romeo, auch die Zuschauer liegen ihr sprichwörtlich zu Füßen. Die Chemie zwischen ihr und Johannes Merz stimmt und gemeinsam lassen sie das Publikum lachen und seufzen und träumen und mitfiebern. Auch Merz ist genau typgerecht besetzt. Einerseits der schwärmerische Träumer, der von seinen Cousins und Freunden deshalb immer wieder gerne aufgezogen wird, andererseits aber auch ein ganzer Kerl, der sich mit wutverzerrtem Gesicht in die Kampfszenen mit den Capulets stürzt.
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Des Weiteren stechen Yvonne Ruprecht als mütterliche, handfeste Ratschläge erteilende Amme und die beiden Ober-Machos Tybalt alias Marko Gebbert und Mercutio alias Rudi Hindenburg engagiert aufspielend hervor. Auch Christian Kämpfer gefällt letztendlich als Pater Lorenzo, er hat allerdings darunter zu leiden, dass sein Charakter am wenigsten deutlich gezeichnet ist. Die drei sehr offenherzigen Nonnen an seiner Seite, die teilweise nur noch im Negligée performen, sein angedeuteter Flirt mit Julias Amme sowie die Frage, wie legal die Substanzen sein mögen, die er dank seines gut sortierten Kräutergartens zusammenmischt, bieten für den Kirchenmann, der nur eine Randfigur in diesem Drama ist, einfach zu viel Potential. Hier wäre weniger mehr gewesen, da Lorenzo ja eigentlich zuerst einmal ein väterlicher Vertrauter für das junge Liebespaar sein soll.
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Daniel Karasek hat das Stück mit wenigen Requisiten stimmig und voll intensiver Gefühle auf die Bühne gebracht. Als Beispiel sei die Liebesszene genannt: Für ein Bett gibt es keinen Platz auf der Treppe, Raumeinteilungen sind dort kaum möglich. So ziehen Romeo und Julia ein riesiges satinartiges Tuch von oben bis an den unteren Rand der Treppe, verschwinden darunter und lassen es wie einen Fallschirm über sich herniedersinken. Unter dem leicht durchscheinenden Stoff erahnt das Publikum, wie die beiden sich entkleiden und sich aufeinander legen. Ca. eine halbe Minute geschieht gar nichts außer dass sich das Tuch leicht bewegt. Niemand sieht etwas und doch weiß jeder, was passiert, bis die beiden dann wieder ihre Köpfe unter dem Tuch hervorstecken und ihr Dialog weitergeht.
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Romeo und Julia sind auf dieser Bühne in der Gegenwart angekommen und einige Nebenschauplätze aus dem Original wurden gestrichen oder in andere Zusammenhänge gebracht. Tybalt postet seine Kriegserklärung an die Montagues online; Handys, Autos und Motorräder sind allgegenwärtig und immer wieder wird das Publikum per "Verona News" auf den Leinwänden über Geschehnisse jenseits der Bühne informiert. Das von Claudia Spielmann entworfene schicke moderne Kostümbild passt dazu prima. Die Idee, Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig (ausschließlich per Video-Leinwand) als Stadtfürst Escalus mitspielen zu lassen, ist wirklich nett und Albig macht seine Sache auch ganz gut, aber wenn in den kleinen Filmen auf der Leinwand dann auch noch immer wieder die deutschen Polizei- und Rettungswagen zu sehen sind, und Romeo auf der Straße zusätzlich noch mit "Moin Moin" begrüßt wird, dann ist das doch fast schon ein bisschen viel Lokalkolorit.
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So poetisch die Szenen zwischen den Liebenden geraten sind, so deftig geht es an anderen Stellen zu. Zur Unterstützung der modernen Sichtweise auf die mehr als vierhundert Jahre alte Tragödie haben Daniel Karasek und Dramaturgin Kerstin Daiber Shakespeares Verse neu und frecher, teils drastischer übersetzt. Die reinen Dialogszenen, die einen für ein Musical recht großen Anteil am Stück haben, sind immer noch in vergleichbarem Versmaß wie die Originale gehalten. In dieser neuen Version wird nicht lange um den heißen Brei herumgeredet; wenn z.B. Julias Amme sich in das feindliche Lager wagt, um Romeo eine Nachricht zu überbringen, kommen die Sprüche, Andeutungen und Gesten der Montague-Jungs schon fast einer Vergewaltigung nahe.
Die Liedtexte von Peter Plate und Ulf Leo Sommer sind von einer schlichten Poesie geprägt. Mit den insgesamt 15 im Stück dargebrachten Songs ist Plate und Sommer in Zusammenarbeit mit Daniel Faust und Carolina Bigge ein ansprechender Score gelungen. Balladen und rockig-poppige Uptempo-Nummern wechseln sich ab, wobei der Balladenanteil überwiegt. Die ruhigen Songs sind den Titelhelden vorbehalten und dienen immer wieder dazu, die Handlung zu stoppen und das Innenleben der beiden nach außen zu tragen. Die flotteren Nummern treiben eher die Handlung voran, z.B. auf dem Maskenball, als Romeo und Julia sich zum ersten Mal begegnen, oder in dem Duett von Herrn und Frau Capulet, in dem sie sich über den gelungenen Coup der geplanten Hochzeit ihrer Tochter mit dem wohlhabenden Paris freuen.
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Unbedingt erwähnenswert ist auch die Kampfchoreographie. Dank dem extra dafür engagierten Steve Szigeti sind die Kämpfe der verfeindeten Familien geradezu beängstigend realistisch gelungen. Vivienne Hötger zeichnet für die Tanzchoreografien verantwortlich und hat die schwierig zu betanzende Treppe mit ihren extrem großen Stufen ansprechend genutzt. Insbesondere der Maskenball, bei dem das gesamte Ensemble die Treppe als Tanzfläche nutzt, bietet tolle Bilder - gerade in Verbindung mit den Lichteffekten von Joachim Mohr, der mit Spots und verschiedenen Farben, in die er die Bühne tauchen oder mit denen er sie auch nur umrahmen kann, tolle Akzente setzt.
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Alle verbleibenden Vorstellungen sind bereits ausverkauft. Bleibt zu hoffen, dass sich die Gerüchte von einer Übernahme ins Schauspielhaus bewahrheiten.
(Text: Michael Rieper)

Kreativteam
Besetzung
Frühere Besetzungen? Hier klicken Julia - Maxine Kazis, Genia Maria Karasek
Romeo - Dirk Stierand
Benvolio - Julius Ohlemann
Herr Montague - Siegfried Jacobs
Frau Montague - Claudia Macht
Paris - Dirk Stierand, Johannes Merz
Pater Lorenzo - Christian Kämpfer
Diener - Jost op den Winkel
Nonnen - Franca Paschen
Produktionsgalerie (weitere Bilder)

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Die Kriterien für unsere Kurzbewertungen (Stand: Dezember 2014)
Buch*: Ist die Handlung in sich schlüssig? Kann die Story begeistern? Bleibt der Spannungsbogen erhalten oder kommt Langeweile auf?
NICHT: Besonderheiten der konkreten Inszenierung des Theaters.
Kompositionen*: Fügen die Kompositionen sich gut in das Stück ein? Haben die Songs Ohrwurmcharakter? Passen die gewählten Texte auf die Musik? Transportieren Text und Musik die selbe Botschaft?
NICHT: Orchestrierung, Verständlichkeit des Gesangs der Darsteller in der aktuellen Inszenierung.
* werden nur bei neuartigen Produktionen (z.B. Premiere, deutsche Erstaufführung usw.) vergeben
Inszenierung: Wie gut wurde das Stück auf die Bühne gebracht? Stimmen die Bilder und Charaktere? Bringt der Regisseur originelle neue Ansätze ein?
NICHT: Wie gut ist die Handlung des Stücks an sich oder die mögliche Übersetzung?
Musik: Kann die musikalische Umsetzung überzeugen? Gibt es interessante Arrangements? Ist die Orchesterbegleitung rundum stimmig? Muss man bei Akustik oder Tontechnik Abstriche machen?
NICHT: Sind die Kompositionen eingängig und abwechslungsreich? Gibt es Ohrwürmer? Gefällt der Musikstil?
Besetzung: Bringen die Darsteller die Figuren glaubwürdig auf die Bühne? Stimmen Handwerk (Gesang, Tanz, Schauspiel) und Engagement? Macht es Spaß, den Akteuren zuzuschauen und zuzuhören?
NICHT: Sind bekannte Namen in der Cast zu finden?
Ausstattung: Setzt die Ausstattung (Kostüme, Bühnenbild, Lichtdesign etc.) die Handlung ansprechend in Szene? Wurden die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten optimal genutzt? Bieten Bühne und Kostüme etwas fürs Auge und passen sie zur Inszenierung?
NICHT: Je bunter und opulenter ausgestattet, desto mehr Sterne.
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