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 Klassiker
West Side Story I like to be in America
© Stephan Walzl
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Hochhausschluchten aus Blech, Bandenkriege und eine zarte Romanze. Cusch Jung inszeniert "West Side Story" in Kaiserslautern mit Gespür für Stimmungen und Bilder. Doch der Mut zur klaren Linie fehlt.
(Text: Dominic Konrad) Premiere: | | 14.06.2014 | Rezensierte Vorstellung: | | 14.06.2014 | Letzte bekannte Aufführung: | | 05.04.2015 |
Eine Wand aus Blech, an ihr lehnen Halbstarke in Lederjacken, Jeans und weißen T-Shirts. Mit den ersten Tönen der Ouvertüre setzen sich die Jets in Bewegung. Die Blechfront wird zum Instrument aufgestauter, wütender Energie. Die Jugendlichen werfen sich gegen sie, klettern an ihr entlang, schlagen mit den Fäusten auf sie ein. Bereits das erste Bild der Kaiserslauterner Inszenierung von Leonard Bernsteins "West Side Story" zeigt die Idee von Regisseur Cusch Jung: keine klassischen Backsteinfassaden und Feuerleitern nur, wenn nötig.
Gerade bei einem Klassiker wie "West Side Story", der durch die tourende Originalproduktion und die ikonische Verfilmung von Robert Wise und Jerome Robbins mit bestimmten Bildern verknüpft ist, fällt es schwer, sich von den Vorlagen zu lösen. Der Weg, den Cusch Jung im Pfalztheater gehen will, ist ein mehr oder minder goldener Mittelweg: so viel Neuschöpfung wie möglich, so viel Wiedererkennungswert wie nötig.
© Stephan Walzl
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Die stimmungsvolle Bühne von Karin Fritz setzt optisch auf strenge Formen. Lochblechcontainer rollen über die Bühne und schaffen Hochhausschluchten, zwischen denen sich die Jets und die Sharks ihre Straßenschlachten liefern. Neonröhren tauchen die Hinterhöfe in dämmeriges Licht. Die Hebebühne schafft immer wieder mehrere Räume für parallele Handlungen. Ein klarer Kontrast zu den 50er-Jahre-Kostümen von Aleksandra Kica, die wieder den Schulterschluss mit der Filmfassung suchen: weiß für Maria, Anzug und Krawatte für Bernardo und die Sharks, James-Dean-Look für die Jets und bunte Petticoats für die Damen.
Das Orchester des Pfalztheaters bringt die Melodien von Leonard Bernstein zu ihrer vollen Geltung. Unter der Leitung von Markus Bieringer wirkt die Partitur zu jedem Zeitpunkt beschwingt, frisch und voll – bei der Dichte von Evergreens, die "West Side Story" mit sich bringt, eine beeindruckende Leistung.
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Geschmackssache bleibt hingegen der Umgang mit dem englischen Original. Zwar kann die deutsche Übersetzung von Frank Tannhäuser und Nico Rabenald gerade bei Sondheims Liedtexten nur als gelungen bezeichnet werden, doch Cusch lässt immer wieder einzelne Strophen und Refrains der berühmten Lieder im englischen Original singen. Der Bruch zwischen deutscher und englischer Fassung geschieht dabei immer unvermittelt. Ein Konzept für die Zweisprachigkeit, wie in der jüngsten Broadway-Fassung des Stückes, in der die Sharks Spanisch sangen, gibt es in Kaiserslautern scheinbar nicht.
Ein bisschen mehr Mut zum Bruch mit dem Original hätte man auch Choreograf Friedrich Bührer gewünscht. Immer wieder brechen die Anleihen an Jerome Robbins‘ ikonische Sprünge und Pirouetten durch, die aber ensemblebedingt weniger spektakulär und pfiffig als in der Vorlage daherkommen.
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Nadine Stöneberg als Maria ist ein wahrer Glücksgriff: vorlaut gegenüber den Puerto-Ricanerinnen, sanft in den Liebesszenen, entschlossen und herzzerreißend an den dramatischen Stellen. Darüber hinaus bezaubert ihr glockenklarer Sopran, der Bernsteins Kompositionen in allerbester Weise zur Geltung bringt. Ihrem Bühnenpartner Martin Pasching hingegen bereiten die höheren Passagen einige Schwierigkeiten. Vor allem die Schlusstöne von "Maria" und "Tonight" wirken brüchig. Ansonsten weiß auch Pasching in der Rolle des Tony zu überzeugen. Mit Seitenscheitel und Karlheinz-Böhm-Gedächtnislächeln wirkt er wie das fleischgewordene Bild des 50er-Jahre-Traumschwiegersohns.
Auch die anderen Hauptrollen sind mit großartigen Darstellern besetzt: Randy Diamond spielt den Bernardo mit großer Geste und lateinamerikanischem Flair, Dominique Bals‘ Riff ist lässig und geschmeidig und Astrid Vosberg beherrscht die Bühne als Anita. Doch so gut alle drei ihre Rollen auch umsetzen, will einem doch nicht entgehen, dass sie alle fernab ihrer Teenagerjahre sind. Die Konstellation Stöneberg/Vosberg bei "A Boy Like That/I Have A Love" wirkt wie ein Streit zwischen Mutter und Tochter, nicht wie zwischen zwei Freundinnen. Natürlich ist es für ein Regionaltheater wie das Kaiserslauterner Pfalztheater nicht einfach, alle Rollen altersmäßig passend zu besetzen, doch talentierter Nachwuchs findet sich schon im eigenen Ensemble – etwa Natalie Forester, die in "America" als herrlich überdrehte Rosalie überzeugt, oder die Jets, die mit "Gee, Officer Krupke" die unterhaltsamste Nummer des Abends bieten.
Die Kaiserslauterner "West Side Story" will sie alle ansprechen: Traditionalisten, die "West Side Story" in englischer Sprache, Retro-Look und mit der bekannten Robbins-Choreographie sehen wollen; diejenigen, die gerne vertraute Gesichter auf der Bühne sehen und die Liedtexte auch ohne Übertitel verstehen möchten – und nicht zuletzt auch jene, die sich eine Neuinterpretation des Klassikers wünschen. Cusch Jung hätte besser daran getan, sich für einen der Wege zu entscheiden. Seine Inszenierung in Kaiserslautern ist zwar handwerklich wie schauspielerisch eine ausgezeichnete Leistung, doch die ständigen Brüche trüben das Gesamtbild.
(Text: Dominic Konrad)

Kreativteam
Besetzung
Frühere Besetzungen? Hier klicken Bernardo: Samuel Schürmann
Snowboy: Daniel Ewald
Diesel: Günther Fingerle
Chino: Michael Ewig
Pepe: Michal Dousa
Produktionsgalerie (weitere Bilder)
Zuschauer-Rezensionen
Die hier wiedergegebenen Bewertungen sind Meinungen einzelner Zuschauer und entsprechen nicht unbedingt den Ansichten der Musicalzentrale.
 2 Zuschauer haben eine Wertung abgegeben:

    30402 WSS
17.06.2014 - Ich fand die Ensembleleistung auch sehr gut, insbesondere berührte mich Nadine Eisenhardt als Maria. Tony war "Toll bei Stimme und im Auftreten"....

Bella115 (8 Bewertungen, ∅ 3.1 Sterne)
    30401 Gute Leistung des Ensemble
15.06.2014 - Die Jets sind schon im Saal, wenn sich die Zuschauer setzen. Am Eingang und im Foyer hört man Straßengeräusche und Sirenen. Die Atmosphäre wirkt vielversprechend.
Zu Beginn merkt man, dass die Choreographie auf Darsteller aus Schauspiel, Musiktheater, Chor und Statisten zugeschnitten ist. Man merkt aber auch, dass für alle eine riesen Arbeit dahinter steckt. Nun finde ich es schwierig hier zu urteilen, da ich es unfair gegenüber der Leistung des Ensemble finde, die Tanznummern aber nicht recht zünden wollen.
Einzig bei "Cool" ist richtig Energie auf der Bühne. Für mich der einzige Teil der gut funktionierte.
"Officer Krupke" war der ärgerlichste Moment auf der Bühne für mich, mit einem sehr guten Oliver Burka. Der Rest war immer drüber, bis zur Hitler Parodie.
Das Bühnenbild wirkte eher wie mehrer Trakte auf dem Todesstern, bei Star Wars. Einfinden konnte ich mich nicht. Für ein anderes Stück wäre das Bühnenbild vielleicht wirklich super gewesen.
Bei den Darstellern mag ich sehr positiv Astrid Voßberg hervorheben. Im Gesang, Tanz uns Spiel absolut authentisch. Die Rolle der Anita kaufte ich ihr voll und ganz ab.
Sehr negativ Martin Pasching als Tony. Man hatte schon Angst, besonders wenn er anfing zu singen. Wenn er den Ton mal gefunden hat, war er sogleich auch wieder verloren. Einige der Darsteller aus dem Schauspiel konnten wiederum sehr gut singen.
Den Fehler sehe ich bei der Regie, für ein Stadttheater fehlte aber leider wahrscheinlich die Zeit für die weitere Probe.
Ich sehe das Stück als passabel an, mag aber drei Sterne vergeben, weil ein Großteil der Ensemblemitglieder wirklich eine gute Arbeit leisten. Die schwäche bei Regie, Bühnenbild und Tony sehe ich hier getrennt.

TazMA (37 Bewertungen, ∅ 3.8 Sterne) 
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| Handlung | Der Amerikaner Tony verliebt sich in die Puertorikanerin Maria. mehr Was wie ein Märchen beginnt, endet in einer Tragödie. Tony gehört zu den "Jets", Marias Bruder und ihre Freunde zu den rivalisierenden "Sharks". Die Kämpfe zwischen den Gangs werden durch die Zuneigung des Pärchens weiter angestachelt, letztendlich führt jedoch ein simples Missverständnis zum tragischen Ende der Geschichte.
| Weitere Infos | Leonard Bernsteins moderne Adaption der Romeo-und-Julia-Geschichte mit Texten von Stephen Sondheim ist eines der bekanntesten Musicals überhaupt. Die Uraufführung fand am 26. September 1957 im Winter Garden Theatre in New York statt. Die Verfilmung des Musicals aus dem Jahr 1961 wurde mit zehn Oscars honoriert. 1968 wurde das Musical in der Wiener Volksoper zum ersten Mal in deutscher Sprache gezeigt. Die deutsche Fassung stammt von Max Colpet und Walter Brandin.
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Die Kriterien für unsere Kurzbewertungen (Stand: Dezember 2014)
Buch*: Ist die Handlung in sich schlüssig? Kann die Story begeistern? Bleibt der Spannungsbogen erhalten oder kommt Langeweile auf?
NICHT: Besonderheiten der konkreten Inszenierung des Theaters.
Kompositionen*: Fügen die Kompositionen sich gut in das Stück ein? Haben die Songs Ohrwurmcharakter? Passen die gewählten Texte auf die Musik? Transportieren Text und Musik die selbe Botschaft?
NICHT: Orchestrierung, Verständlichkeit des Gesangs der Darsteller in der aktuellen Inszenierung.
* werden nur bei neuartigen Produktionen (z.B. Premiere, deutsche Erstaufführung usw.) vergeben
Inszenierung: Wie gut wurde das Stück auf die Bühne gebracht? Stimmen die Bilder und Charaktere? Bringt der Regisseur originelle neue Ansätze ein?
NICHT: Wie gut ist die Handlung des Stücks an sich oder die mögliche Übersetzung?
Musik: Kann die musikalische Umsetzung überzeugen? Gibt es interessante Arrangements? Ist die Orchesterbegleitung rundum stimmig? Muss man bei Akustik oder Tontechnik Abstriche machen?
NICHT: Sind die Kompositionen eingängig und abwechslungsreich? Gibt es Ohrwürmer? Gefällt der Musikstil?
Besetzung: Bringen die Darsteller die Figuren glaubwürdig auf die Bühne? Stimmen Handwerk (Gesang, Tanz, Schauspiel) und Engagement? Macht es Spaß, den Akteuren zuzuschauen und zuzuhören?
NICHT: Sind bekannte Namen in der Cast zu finden?
Ausstattung: Setzt die Ausstattung (Kostüme, Bühnenbild, Lichtdesign etc.) die Handlung ansprechend in Szene? Wurden die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten optimal genutzt? Bieten Bühne und Kostüme etwas fürs Auge und passen sie zur Inszenierung?
NICHT: Je bunter und opulenter ausgestattet, desto mehr Sterne.
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Leider keine aktuellen Aufführungstermine. |
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