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 Tragödie
Romeo und Julia Eine Liebe, die tragisch endet.
© Udo Krause
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Die Uckermärkischen Bühnen gehören zu den wenigen öffentlich finanzierten Theatern, die das Genre Musical ernst nehmen und es regelmäßig mit großer Kraftanstrengung sowie einem tollen Haus-Ensemble auf hohem Niveau aufführen. Das ist auch bei ihrer Fassung von „Romeo und Julia“ wieder so. Nur warum sind die eigenproduzierten Stücke immer so lang? Und müssen die Bücher wirklich so albern sein?
(Text: Kai Wulfes) Premiere: | | 05.10.2013 | Rezensierte Vorstellung: | | 09.11.2013 | Letzte bekannte Aufführung: | | 16.05.2014 |
Capulet. Montague. Die Namen der beiden verfeindeten Clans werden bereits vor Beginn der Vorstellung wie in Blut gepinselt auf den Vorhang projiziert. „Ca-pu-let“ und „Mon-ta-gue“ sind dann auch die ersten Worte, die wiederholt gesungen werden.
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Dass sich die beiden Familien nicht grün sind, unterstreicht das Bühnenbild von Frauke Bischinger. In der bühnenbreiten, schicken weißen Fassade mit angedeuteten Bögen, Öffnungen und einer fahr- und teilbaren Treppenkonstruktion residieren die Capulets auf der linken Seite. Dort wirbt „Capulet Fashion“. „Design Montague“ lautet die Antwort von rechts. Blau ist hier die dominierende Firmenfarbe, Rot die der Konkurrenz. Auch Simone Sommers atemberaubend verschwenderisch-schickes Kos-tümbild nimmt beide Töne auf und sorgt damit für eine atmosphärisch dichte, fast schon zeitlose Optik. Folglich fällt es dem Publikum leicht, die handelnden Personen klar einer der Sippen zuzuordnen.
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Durchbrochen wird diese Blau-Rot-Einteilung lediglich bei Mercutio, eigentlich ein Montague: Er trägt zum weißen Hemd einen traditionellen dunklen Kilt und wirkt mit seinen blonden Zottelhaaren, als sei er direkt einem „Highlander“-Film entsprungen. Dirk Weidner gibt ihn dann auch ganz als kämpferischen Heißsporn, dessen Traumschilderung („Träume sind Schäume“) zu Video-Sequenzen mit einer blutverschmierten Vampirin unter die Haut geht. Ein tolles Solo, vorgetragen mit beweglicher Rockstimme.
Auch wenn die Textverständlichkeit manchmal leidet: Als Trumpf des Abends erweist sich die Verpflichtung von elf polnischen Musicalstudenten, die sowohl in Haupt- als auch in Ensemblerollen auf der Bühne stehen. Dies sichert eine höhere Qualität in Gesang und besonders im Tanz (Choreografie: Eliza Holubowska). So hat zum Beispiel Dagmara Rybak einen furiosen Auftritt auf dem Fest der Capulets: Mit laszivem Hüftschwung peppt sie als Gaststar Rosalind im Stil von Lady Gaga die Party auf. Rafal Kozok ist ein smarter Benvolio.
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Wojciech Daniel (Romeo) und Nadine Aßmann (Julia) sind schon rein optisch ein Traumpaar. Beide harmonieren in Gesang – er mit strahlendem, hohem Tenor, sie mit zartem Sopran. Auch spielen sie die beiden Verliebten, die unter der Feindschaft ihrer Familien leiden, absolut glaubhaft. Einfach eine Traumbesetzung! Das gilt auch für Susanne von Lonski, die als Amme gekonnt, ohne zu übertreiben, komische Akzente setzt und mit „Du lernst das schnell“ einen tollen Showstopper hinlegt. Dies ist dann auch neben dem Leitmotiv „Seit ich dich sah“ der Song aus der Partitur, der am nachhaltigsten im Gehörgang verbleibt. Die Musiker der Band „takayo & Freunde“ (Uli Herrmann-Schroedter, Jan Kirsten, Kayode Eschrich, Tilman Hintze, Andreas van den Brandt) haben erstmals für die Uckermärkischen Bühnen ein komplettes Musical vertont. Unterm Strich solide Kompositionen zwischen Reggae, Rock und großen Balladen.
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Regisseur Rainer Simon erzählt die Geschichte geradlinig, mit sicherer Personenführung und ohne Inszenierungs-Mätzchen. Vielfach peppt er das Geschehen optisch auf, wie zum Beispiel mit den von Fenster zu Fenster wandernden Video-Heiligenfiguren in der Gruft. Insbesondere dem dramatischeren Teil nach der Pause täte allerdings etwas mehr Tempo gut. Da wird zu ausgiebig gefochten (Kampfchoreografie: Claus Großer) und etwas zu sehr gelitten. Auch wirkt das Finale mit viel Pathos, Fackeln und waberndem Bühnennebel etwas zu aufgesetzt und lähmend. Überflüssig ist die Brief-Szene mit dem Narren Peter: Daniel Heinz, im Gesang nicht gerade ein Ass, darf sich hier im Slow-Motion-Tempo bewegen und zeigen, dass er gegen imaginäre Wände laufen kann oder sich eingemauert fühlt.
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Achillesferse des Abends ist das Buch von Jan Kirsten (Mitarbeit: Max Beinemann, Uli Herrman-Schroedter, Maren Rögner und Reinhard Simon). Auch wenn die Verlegung der Story in die Glitzerwelt der Mode eine gute Idee ist - das Autorenteam führt sie nicht konsequent weiter. Zwar gibt es bei den Capulets eine gelungene Kollektions-Präsentation sowie eine Dessous-Engel-Parade zu sehen, doch die Konkurrenz, die zwischen den Design-Dynastien besteht und auf die deren Feindschaft begründet sein könnte, kann nur erahnt werden. Dazu orientiert sich die Handlung zu sehr am Shakespeare-Original mit all seinen Nebenhandlungen, sodass die reine Vorstellungsdauer auf anstrengende drei Stunden aufgebläht wird.
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Problematisch ist auch der Sprachenmix. So spricht die Fürstin (distanziert und kühl: Claire Varga) französisch, während hauptsächlich die Montagues auch polnische Passagen haben. Warum das so ist, wird durch die Handlung nicht erklärt, zumal das Stück wie im Original in Verona spielt. Der Sprach-Mix hat allerdings den Vorteil, dass weniger der oft plump-dümmlichen deutschen Reime auf Büttenreden-Niveau zu hören sind: Bei „Ich hörte, er heißt Romeo / Ich muss mal schnell aufs Klo“ oder „Du kleine Schlampe / Ich mach‘ aus deiner Fresse Pampe“ dürfte sich Shakespeare im Grab umdrehen.
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Musical nach der Tragödie von Wiliam Shakespeare Musik: Uli Herrmann-Schroedter, Jan Kirsten, Kayode Eschrich, Tilman Hintze Buch: Jan Kirsten, Max Beinemann, Uli Herrmann-Schroedter, Maren Rögner und Reinhard Simon Koproduktion mit dem Teatr Muzyczny im.Danuty Baduszkowej, Gdynia und dem Kleist Forum Frankfurt (Oder)
(Text: kw)

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Die Kriterien für unsere Kurzbewertungen (Stand: Dezember 2014)
Buch*: Ist die Handlung in sich schlüssig? Kann die Story begeistern? Bleibt der Spannungsbogen erhalten oder kommt Langeweile auf?
NICHT: Besonderheiten der konkreten Inszenierung des Theaters.
Kompositionen*: Fügen die Kompositionen sich gut in das Stück ein? Haben die Songs Ohrwurmcharakter? Passen die gewählten Texte auf die Musik? Transportieren Text und Musik die selbe Botschaft?
NICHT: Orchestrierung, Verständlichkeit des Gesangs der Darsteller in der aktuellen Inszenierung.
* werden nur bei neuartigen Produktionen (z.B. Premiere, deutsche Erstaufführung usw.) vergeben
Inszenierung: Wie gut wurde das Stück auf die Bühne gebracht? Stimmen die Bilder und Charaktere? Bringt der Regisseur originelle neue Ansätze ein?
NICHT: Wie gut ist die Handlung des Stücks an sich oder die mögliche Übersetzung?
Musik: Kann die musikalische Umsetzung überzeugen? Gibt es interessante Arrangements? Ist die Orchesterbegleitung rundum stimmig? Muss man bei Akustik oder Tontechnik Abstriche machen?
NICHT: Sind die Kompositionen eingängig und abwechslungsreich? Gibt es Ohrwürmer? Gefällt der Musikstil?
Besetzung: Bringen die Darsteller die Figuren glaubwürdig auf die Bühne? Stimmen Handwerk (Gesang, Tanz, Schauspiel) und Engagement? Macht es Spaß, den Akteuren zuzuschauen und zuzuhören?
NICHT: Sind bekannte Namen in der Cast zu finden?
Ausstattung: Setzt die Ausstattung (Kostüme, Bühnenbild, Lichtdesign etc.) die Handlung ansprechend in Szene? Wurden die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten optimal genutzt? Bieten Bühne und Kostüme etwas fürs Auge und passen sie zur Inszenierung?
NICHT: Je bunter und opulenter ausgestattet, desto mehr Sterne.
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