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 Uraufführung
Timm Thaler Das verkaufte Lachen
© Barbara Aumüller
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Das Staatstheater Darmstadt bringt den deutschen Kinderbuchklassiker "Timm Thaler" als Musical auf die Bühne. Inszenierung und Ensemble lassen kaum Wünsche offen, doch die Musik der beiden Söhne Mannheims Xavier Naidoo und Michael Herberger hat wenig Ohrwurmpotential.
(Text: Dominic Konrad) Premiere: | | 16.11.2013 | Rezensierte Vorstellung: | | 13.12.2013 | Letzte bekannte Aufführung: | | 05.07.2014 |
Timm Thaler, der sein Lachen an den Teufel verkaufte: 1962 von James Krüss erdacht, wurde der Roman vor allem durch die Fernsehverfilmung von 1979 (mit Thomas Ohrner in der Hauptrolle) einem großen Publikum bekannt. Es folgten verschiedene Theateradaptionen und eine Zeichentrickserie. Nun bringen Markus Heitz (Buch) und die beiden Söhne Mannheims Xavier Naidoo und Michael Herberger (Musik) den Stoff als Musical auf die Bühne zurück. Seine Uraufführung erlebt "Thimm Thaler" in einer Koproduktion des Staatstheaters Darmstadt und des Stadttheaters Brünn (Tschechien).
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Schon der erste Blick auf die Bühne verrät, dass der Faktor Nostalgie im Bühnenbild von Christoph Weyers großgeschrieben wird. Timm Thaler und seine Freunde finden sich in einer Welt aus Bauklötzchen und Konstruktionsspielzeug, die den Zuschauer an die eigene Kindheit erinnert, gleichzeitig aber auch eine futuristische Sachlichkeit mit sich bringt. Die Modernität untermauern LED-Bildschirme, über die Spielstände, Fotos und Videos eingeblendet werden. Stanislav Moša lässt in seiner Inszenierung keine Langeweile aufkommen. Moša, der in Brünn bereits eine Vielzahl von Musicals auf die Bühne gebracht hat und in Deutschland unter anderem die Regie von "Die Päpstin" übernahm, gestaltet Szenen und Wechsel abwechslungsreich und sorgt dafür, dass seine Hauptakteure stets ins rechte Licht gerückt werden.
Buchautor Markus Heitz verlegt die Handlung aus den 1920er Jahren in die Gegenwart. Timm Thaler schreibt SMS und chattet via Skype. Raufereien auf dem Schulhof werden zu Mobbingversuchen, die mit dem Smartphone gefilmt werden. Wo James Krüss in seinem Jugendroman unverhohlene Kapitalismuskritik betrieb, steht bei Heitz das Konsumverhalten des 21. Jahrhunderts am Pranger: Die Leute kaufen alles, solange ein unverbrauchtes, freundliches Gesicht es ihnen anpreist, sogar widerlich sauren Cranberrysaft, der als Bio-Wellness-Getränk vermarktet wird. Wo Heitz solche Spitzen einbaut, kommt sein Buch spritzig, frech und leichtfüßig daher.
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Diese Leichtigkeit transportiert ein schauspielerisch wie stimmlich starkes Ensemble. Timo Verse spielt den fünfzehnjährigen Timm Thaler mit Charme, Witz und Energie. Seinem Gesang wohnt die gewisse Nonchalance inne, die jugendliche Unbeschwertheit vermittelt. Als Timms beste Freundin Marie steht Michèle Fichtner ihrem Bühnenpartner gesanglich und schauspielerisch in nichts nach. In der zwiegespaltenen Figur der dämonischen Lilith und unglücklich verliebten Saskia hat Elisabeth Sikora eine besonders große Bandbreite an Emotionen zu zeigen, vor allem dann, wenn beide Figuren in Saskias Körper gegeneinander ankämpfen. Dies gelingt ihr bravourös, gerade ihre Soli werden zu einem Highlight der Aufführung. Gesanglich besonders ausdruckstark ist auch Alexander di Capri in der Rolle des unglücklich verliebten Alexander.
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Schauspielerischer Höhepunkt des Abends ist die Darbietung von Franz Nagler als teuflischer Baron Le Fuet. In seinem Spiel vereinen sich die Charakterzüge einer Vielzahl von Bösewichtern, vor denen man sich in Kinderbüchern und Märchenfilmen gerne gefürchtet hat. Naglers herrlich übertriebene Mimik und sein teuer erkauftes Lachen begeistern ohne Wenn und Aber.
Bei allen schönen und lustigen Momenten, die Heitz in die Handlung eingeschrieben hat, wird sein Buch in den Passagen schwerfällig, in denen emotionale Tiefe gefragt wäre. Timms Trauer um den verstorbenen Vater wird recht zügig abgefrühstückt, ebenso der Erkenntnisprozess, wie wichtig doch das Lachen für einen Menschen ist. Auch die aufkeimende Liebe zwischen Timm und Marie wird recht unvermittelt gegen Ende des Stückes eingebaut. Anstatt sich auf seine Hauptfiguren zu konzentrieren, stellt Heitz ihnen gleichberechtigt das unglückliche Liebespaar Alexander und Saskia zur Seite, die über weite Strecken des zweiten Aktes Timm und Marie den Rang ablaufen. Hier wäre ein stärkerer Fokus auf die Protagonisten wünschenswert gewesen.
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Doch zugegebenermaßen hat Heitz es auch nicht einfach, denn die Musik der Söhne Mannheims Xavier Naidoo und Michael Herberger leistet keinen nennenswerten Beitrag zur emotionalen Tiefe des Stücks. Sie ist das enttäuschendste Element der ansonsten gelungenen Aufführung. Die Melodien der einzelnen Songs sind nur wenig prägnant und sehr einseitig, weder führen sie die Handlung weiter noch gewähren sie eine tiefere Einsicht in das Innenleben der Figuren. Über weite Strecken hört sich die Musik zu "Timm Thaler" an wie ein mittelmäßiges Naidoo-Album. Mögen Fans an Textpassagen wie "Ohne dich bin ich nicht definiert", an Wortspielerein rund um "das Wahre" und "die Ware" oder an endlosen Wiederholungen ein und derselben Textzeile ihren Gefallen finden, dem Stück sind sie nicht besonders zuträglich.
Fans der Söhne Mannheims werden mit Timm Thaler bestimmt ihre Freude haben, der Rest sollte sich an der hervorragenden Umsetzung und dem großartigen Ensemble erfreuen.
(Text: Dominic Konrad)

Kreativteam
Besetzung
Produktionsgalerie (weitere Bilder)
Zuschauer-Rezensionen
Die hier wiedergegebenen Bewertungen sind Meinungen einzelner Zuschauer und entsprechen nicht unbedingt den Ansichten der Musicalzentrale.
 2 Zuschauer haben eine Wertung abgegeben:

    30226 Musik und Texte: mangelhaft
28.12.2013 - Die Zusammenarbeit mit Promis wie Naidoo und Heitz hat leider überhaupt nichts gebracht. Bis auf das Bühnenbild und einige Darsteller wirkt diese Aufführung amateurhaft. Insbesondere passen Musik und Text oft nicht zusammen (die Sänger müssen oft durch den Text hetzen, um die Melodie noch zu erwischen) und die Texte sind - wie bei Naidoo leider ja nicht anders zu erwarten - oft furchtbar klischeehaft mit Hang zu zwanghaftem Reimen. Abgesehen davon, dass manche Schauspieler einfach nicht gut singen, wird es ihnen durch die musikalische Vorgabe eben auch ziemlich schwer gemacht. Wir sind frustriert in der Pause gegangen, vor allem, weil unser Sohn (14) es "grauenhaft" fand. Wir können den Hype, der um diese Aufführung gemacht wird, in keiner Weise nachvollziehen.

sams2 (erste Bewertung)
    30166 Leider nur eine weitgehend ungenutzte Chance
17.11.2013 - Musical-Autor Markus Heitz gab bereits im Vorfeld bekannt, dass sich seine Adaption stärker an dem Roman orientieren wird. Ob das die richtige Entscheidung war, ist die Frage. Sicher wird ein großer Teil des Publikums seine Erwartungshaltung an der enorm erfolgreichen Verfilmung aus den 70er Jahren ausrichten.
Handlung:
Die Handlung wird vom Autor in die Gegenwart verlegt. Die Verwendung und Erwähnung von Internet, Smartphone, Globalisierung und Harry Potter sollen wohl die Aktualität der Geschichte verdeutlichen.
Wenig wird der Phantasie überlassen. Thalers Gegenspieler werden von Anfang an als Teufel und Dämonen gezeigt und bezeichnet. Das Geheimnisvolle und die Spannung bleiben dabei weitgehend auf der Strecke.
Texte:
Sie klingen oft mühsam und manchmal sogar etwas brachial zusammengereimt. Vieles klingt (gerade aus dem Mund des 15jährigen Protagonisten) sperrig und konstruiert. Sie versagen weitgehend, wenn es darum geht, dreidimensionale Charaktere und emotionale Momente zu erschaffen. Besonders hart trifft das den "Baron", der hier zu einer Mischung aus Emcee und buntkostümierten, selbstzufriedenem Zirkusdirektor wird. Viel zu sagen hat er nicht (und noch weniger zu singen).
Musik:
Die Komposition ist, wie nicht anders zu erwarten, popig und rockig. Die eine oder andere nette Melodie ist durchaus dabei. Man muß sich allerdings in Geduld üben und darauf warten. Viele Lieder wirken leider etwas kurz und abgehackt. Beim Aufbau kommt einem vieles bekannt vor. Showstopper oder Gänsehautmomente bleiben weitgehend aus.
Bühnenbild:
Das Bühnenbild setzt sich aus den überdimensionalen Bestandteilen eines Kindertechnikbaukastens zusammen. In seiner abstrakten Art bringt es so die sehr konkreten Schauplätze auf die Bühne. Das wirkt durchaus interessant und imposant. Ein richtiger Wow-Effekt ergibt sich sogar, wenn zu Beginn des zweiten Aktes, dass gesamte bühnenfüllende Mannheimer Dämonenhotel (!) rotierend bis an die Bühnenrampe gefahren kommt.
Allerdings stellt sich dann doch im Laufe des Abends die Frage, inwieweit dieses eigenwillige optische Konzept in Zusammenhang mit der Geschichte steht.
Choreografie:
Als Choreografin wird Aneta Majerova genannt. Getanzt wird allerdings nicht. Es ist allenfalls eine Art koordiniertes Hin- und Herlaufen auf der Bühne auszumachen.
Regie:
Stanislav Mosa schlägt teilweise ein irrwitziges Tempo an.
Insbesondere Timm und seine Freundin müssen wie Duracell-Hasen im Dauerkurzschluß auf der Bühne herumrennen.
Die Charakterdarstellungen wirken mitunter geradezu schrill überzeichnet.
Manchmal könnte man sogar glauben, dass der Regisseur (rein sprachlich) nicht verstanden hat, was er inszeniert. Wenn Timm und seine Freundin z.B. davon sprechen, wie schön es ist, dass sie sich wiedersehen, sind sie voneinander abgewendet. Das wirkt dann fast unfreiwillig komisch.
Besetzung:
Da das Rohmaterial und die Inszenierung es nicht wirklich leicht für die Darsteller machen, ist es relativ schwierig, die Leistungen auf der Bühne zu bewerten.
Timo Verse ist als Timm Thaler sehr typgerecht besetzt und schafft es als Erwachsener glaubhaft den Teenager darzustellen.
Franz Nagler wirkt als Baron eher komödiantisch als mystisch und bedrohlich. Er hat relativ wenig Sprech- und Gesangstexte für eine Hauptrolle und wirkt deshalb in der Personenzeichnung unterentwickelt.
Elisabeth Sikora als Dämonengehilfin Lilith wird mit enormem Körper- und Stimmeinsatz zum Publikumsliebling.
Sie verströmt Energie und Spielfreude pur.
Alexander di Capri hat als Alexander eine etwas undankbare Rolle. Lange ist für den Zuschauer vollkommen unklar, was er auf der Bühne macht und in welchem Zusammenhang er mit der Handlung steht. Trotzdem ist er gesanglich beeindruckend.
Bettina Meske kann in der kleinen und wenig ausgearbeiteten Rolle der Stiefmutter kaum zeigen, was sie für Möglichkeiten hat. In ihren kurzen Gesangseinsätzen lässt sie mit ihrer Power-Stimme allerdings die Bühne erbeben.
TIMM THALER in Darmstadt hat leider die Möglichkeiten, die diese bestens geeignete Vorlage bietet nicht ausgenutzt.
Vieles wirkt unausgegoren und zäh.

kevin (205 Bewertungen, ∅ 3.3 Sterne) 
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Die Kriterien für unsere Kurzbewertungen (Stand: Dezember 2014)
Buch*: Ist die Handlung in sich schlüssig? Kann die Story begeistern? Bleibt der Spannungsbogen erhalten oder kommt Langeweile auf?
NICHT: Besonderheiten der konkreten Inszenierung des Theaters.
Kompositionen*: Fügen die Kompositionen sich gut in das Stück ein? Haben die Songs Ohrwurmcharakter? Passen die gewählten Texte auf die Musik? Transportieren Text und Musik die selbe Botschaft?
NICHT: Orchestrierung, Verständlichkeit des Gesangs der Darsteller in der aktuellen Inszenierung.
* werden nur bei neuartigen Produktionen (z.B. Premiere, deutsche Erstaufführung usw.) vergeben
Inszenierung: Wie gut wurde das Stück auf die Bühne gebracht? Stimmen die Bilder und Charaktere? Bringt der Regisseur originelle neue Ansätze ein?
NICHT: Wie gut ist die Handlung des Stücks an sich oder die mögliche Übersetzung?
Musik: Kann die musikalische Umsetzung überzeugen? Gibt es interessante Arrangements? Ist die Orchesterbegleitung rundum stimmig? Muss man bei Akustik oder Tontechnik Abstriche machen?
NICHT: Sind die Kompositionen eingängig und abwechslungsreich? Gibt es Ohrwürmer? Gefällt der Musikstil?
Besetzung: Bringen die Darsteller die Figuren glaubwürdig auf die Bühne? Stimmen Handwerk (Gesang, Tanz, Schauspiel) und Engagement? Macht es Spaß, den Akteuren zuzuschauen und zuzuhören?
NICHT: Sind bekannte Namen in der Cast zu finden?
Ausstattung: Setzt die Ausstattung (Kostüme, Bühnenbild, Lichtdesign etc.) die Handlung ansprechend in Szene? Wurden die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten optimal genutzt? Bieten Bühne und Kostüme etwas fürs Auge und passen sie zur Inszenierung?
NICHT: Je bunter und opulenter ausgestattet, desto mehr Sterne.
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Leider keine aktuellen Aufführungstermine. |
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