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 Rock-Musical
The Who's Tommy Tommy, can you hear me?
© Sabine Haymann
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Rasante Bühnenbildwechsel und die unmittelbare Nähe zum Publikum machen "The Who's Tommy" am Theater Pforzheim zu einem Erlebnis. Kai Hüsgen liefert mit seiner zweiten Regiearbeit in Pforzheim eine gelungene Version der nicht einfachen Rockoper.
(Text: Dominic Konrad) Premiere: | | 06.06.2014 | Rezensierte Vorstellung: | | 27.06.2014 | Letzte bekannte Aufführung: | | 04.04.2015 |
Ein Soldat lernt eine Frau kennen, geht mit ihr aus, heiratet sie, zieht in den Krieg, landet mit dem Fallschirm hinter der Waffenlinie und fällt in Kriegsgefangenschaft. Schon mit den ersten Klängen der Ouvertüre stürzt Regisseur Kai Hüsgen die Zuschauer Hals über Kopf in die Handlung von "The Who's Tommy". Auch danach gibt es keine Chance zum Luftholen, denn gleich folgen für Captain Walkers schwangere Frau die Unglücksmeldung, dass ihr Mann verschollen ist, und die Entbindung ihres Sohnes Tommy. Aufatmen und das Gesehene verarbeiten – das gestattet Hüsgen seinem Publikum erst zur Pause. Davor fliegen ständige Szenen-, Bühnenbild- und Personenwechsel sowie Videoprojektionen vor den Augen der Zuschauer dahin. Rasant entwickelt sich die Geschichte um den Jungen, der nach einer traumatischen Erfahrung nicht mehr an seiner Umwelt teilnimmt.
© Sabine Haymann
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Mit "The Who's Tommy" hat sich das Stadttheater Pforzheim zum Ende der Spielzeit 2013/2014 keinen einfachen Stoff herausgesucht: Kriegs- und Kindheitstraumata, spirituelle Grenzerfahrungen und Gewalthandlungen an Minderjährigen. Dazu die Musik von "The Who"-Sänger Pete Townshend, die auch mit ihren 45 Jahren keinesfalls gefällig geworden ist. Kai Hüsgen findet für seine Inszenierung eine gute Balance zwischen der Realität des Stücks und Tommys Traumwelten. Letztere geben vor allem dank ästhetisch ansprechender Videoprojektionen (Tai Zheng von der Hochschule Pforzheim) und des sehr stimmungsvoll eingesetzten Lichts (Andreas Rinkes) ein eindrucksvolles Gesamtbild ab. Oft schafft es Hüsgen, dass sich der Zuschauer selbst auf einem LSD-Trip wähnt. Auch die Choreographie von Tu Ngoc Hoang unterstützt diesen Eindruck aufs Beste.
Bühne und Video verschmelzen in der Pforzheimer Inszenierung zu einer Einheit, was eine angenehme Abwechslung zu dem Trend ist, dass Videoprojektionen die Funktion des Bühnenbilds übernehmen . Etwas mehr Mut zum Experiment und stärkere Anlehnung an die 1970er-Jahre hätte man sich allerdings von Bühne und Kostüm (Verena Hemmerlein) gewünscht.
© Sabine Haymann
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Wie bereits in den vergangenen Stücken hat sich das Theater Pforzheim für "The Who's Tommy" einige bekannte Namen auf die Bühne geholt. Friedrich Rau, als Finalist der Castingshow "Ich Tarzan, du Jane" bekanntgeworden, übernimmt die Titelrolle des tauben, stummen und blinden Tommy. Zwar scheint seine Stimme eher für lyrische Parts gemacht als für die rockigen "The Who"-Nummern, aber dennoch spielt er die Rolle mit der passenden Mischung aus Gutmenschentum, Apathie und Lebensfreude.
© Sabine Haymann
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Aus dem insgesamt stark besetzten Ensemble stechen vor allem Claudia Dilay Hauf als Tommys Mutter, Eric Minsk als der alkoholkranke und pädophile Onkel Ernie sowie Lilian Huynen als die Acid Queen positiv heraus. Hauf verleiht der Mrs. Walker große mütterliche Gefühle. Ihre Verzweiflung und Wut, wenn sie vor ihrem emotionslosen Sohn steht, bescheren eine der emotionalsten Szenen des Abends. Mink schafft es, seine Rolle zu Beginn drollig rüberzubringen und legt gleichzeitig das nötige Gewicht in die ernsteren und abstoßenden Passagen. Das Pforzheimer Ensemblemitglied Huynen, die bereits zu Beginn der Spielzeit eine überzeugende Norma Desmond in "Sunset Boulevard" geben durfte, hat mit der Acid Queen zwar nur einen vergleichsweise kleinen Part, spielt diesen aber mit Lust und einer gewaltigen Rockröhre voll aus. Großes Lob gilt natürlich auch den Jungdarstellern des zehnjährigen Tommys, am Abend des Besuchs Max Schäfle.
Das Stadttheater Pforzheim hat mit "The Who's Tommy" einen weiteren Volltreffer in Sachen Musical gelandet, der auch nach mehreren Aufführungen vom Publikum mit stehenden Ovationen belohnt wird.
(Text: Dominic Konrad)

Kreativteam
Besetzung

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| Handlung | In der von der Band "The Who" 1967 herausgebrachten Rockoper geht es um den Jungen Tommy, der in frühester Kindheit einen Mord mit ansehen muss, daraufhin traumatisiert, blind und taub und später noch Opfer eines sexuellen Missbrauches wird. mehr Erst als junger Erwachsener kann er sich aus seinem inneren Gefängnis befreien, wird als "Pinball Wizard" ein Meister des Flipperspiels, als solcher schließlich guruhaft verehrt. Er spielt nicht nur mit dem Flipper, sondern auch mit seinen Anhängern, die ihn fallenlassen, schließlich aber geläutert und von seinen Traumata befreit in ihre Mitte aufnehmen.
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Die Kriterien für unsere Kurzbewertungen (Stand: Dezember 2014)
Buch*: Ist die Handlung in sich schlüssig? Kann die Story begeistern? Bleibt der Spannungsbogen erhalten oder kommt Langeweile auf?
NICHT: Besonderheiten der konkreten Inszenierung des Theaters.
Kompositionen*: Fügen die Kompositionen sich gut in das Stück ein? Haben die Songs Ohrwurmcharakter? Passen die gewählten Texte auf die Musik? Transportieren Text und Musik die selbe Botschaft?
NICHT: Orchestrierung, Verständlichkeit des Gesangs der Darsteller in der aktuellen Inszenierung.
* werden nur bei neuartigen Produktionen (z.B. Premiere, deutsche Erstaufführung usw.) vergeben
Inszenierung: Wie gut wurde das Stück auf die Bühne gebracht? Stimmen die Bilder und Charaktere? Bringt der Regisseur originelle neue Ansätze ein?
NICHT: Wie gut ist die Handlung des Stücks an sich oder die mögliche Übersetzung?
Musik: Kann die musikalische Umsetzung überzeugen? Gibt es interessante Arrangements? Ist die Orchesterbegleitung rundum stimmig? Muss man bei Akustik oder Tontechnik Abstriche machen?
NICHT: Sind die Kompositionen eingängig und abwechslungsreich? Gibt es Ohrwürmer? Gefällt der Musikstil?
Besetzung: Bringen die Darsteller die Figuren glaubwürdig auf die Bühne? Stimmen Handwerk (Gesang, Tanz, Schauspiel) und Engagement? Macht es Spaß, den Akteuren zuzuschauen und zuzuhören?
NICHT: Sind bekannte Namen in der Cast zu finden?
Ausstattung: Setzt die Ausstattung (Kostüme, Bühnenbild, Lichtdesign etc.) die Handlung ansprechend in Szene? Wurden die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten optimal genutzt? Bieten Bühne und Kostüme etwas fürs Auge und passen sie zur Inszenierung?
NICHT: Je bunter und opulenter ausgestattet, desto mehr Sterne.
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Leider keine aktuellen Aufführungstermine. |
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