 Tragödie
Aida Sind die Sterne gegen uns?
© Hans-Jürgen Brehm-Seufert
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Im Großen und Ganzen gelungene Inszenierung des Elton John Musicals auf hohem Stadttheater-Niveau. Selten sieht man in Musicalproduktionen so viele Darsteller auf der Bühne. Allerdings können ausgerechnet die drei Hauptakteure nur bedingt überzeugen.
(Text: Christian Heyden) Premiere: | | 18.05.2013 | Rezensierte Vorstellung: | | 01.06.2013 | Letzte bekannte Aufführung: | | 19.04.2014 |
Wenn der Theatersaal dunkel wird und die Ouvertüre beginnt, verwandelt sich die Bühne in eine Pyramide. Mittels Animationen auf dem Vorhang wird das Publikum in deren Inneres geführt, vorbei an gigantischen Säulen, Statuen und ägyptischem Tand. Kennt man die Anfangssequenz aus "Aida" als Szene in einem stark bevölkerten Museum, so wirkt die Ausstellung hier eher wie die vergessene Abteilung in einem schon lange nicht mehr betretenem Gebäudeflügel. Außer der zum Leben erwachenden Amneris tummeln sich hier keine Museumsbesucher auf der Bühne. Dies wird auch in der Schlusssequenz beibehalten: neben Amneris sind in der dämmrigen Dunkelheit nur noch Radames und Aida zu sehen, die langsam aufeinander zu gehen.
Dieses und andere Bühnenbilder gelingen, wie z. B. bei "Sind die Sterne gegen uns", wenn Aida und Radames je oben auf einer Treppe stehen und diese mittels Drehbühne immer wieder in entgegengesetzte Richtungen verschoben werden, weshalb die beiden nie beieinander sein können. Dass dazu noch ein Flug durch das ganze Universum auf den Vorhang projiziert wird, unterstreicht noch die Unendlichkeit dieser Liebe. Auch der Schaukampf, den sich Radames und Zoser bei "Wie Vater, So Sohn" liefern, passt überraschend gut.
Eine Szene, die sich aufgrund ihrer Umsetzung allerdings schon fast in der Lächerlichkeit verliert, ist dagegen ausgerechnet der Auftakt des zweiten Aktes, "Ein Schritt zu weit". Hier torkeln die drei Akteure regelrecht auf den Treppengestellen hin und her, da man ihnen Augenbinden verpasst hat - vielleicht um Aidas Textzeile "...aber Liebe macht auch blind" besonders hervorzuheben. Genauso albern ist der Beauty-Stuhl, in dem Amneris fast die ganze Zeit des Stückes über die Bühne geschoben wird. Bei "Mein Sinn für Stil" mag das noch in Ordnung sein, aber in jeder anderen Szene - vom Besuch Radames' in ihrem Schlafzimmer bis zu ihrer Lehrstunde bei Zoser - wirkt es nur unfreiwillig komisch.
© Hans-Jürgen Brehm-Seufert
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Angeführt wird das Ensemble von Sigalit Feig als Aida, Martin Pasching als Radames und Astrid Vosberg als Amneris. Leider ist gerade "Aida" ein Musical, das mit dem Hauptdarsteller-Trio steht und fällt, und keiner der drei kann hier wirklich überzeugen. Dass man meist eher jüngere Darsteller in diesen Rollen gewohnt ist, ist dabei grundsätzlich nicht das Problem, aber Randy Diamond und Martin Pasching wirken rein altersmäßig kaum wie Vater und Sohn, sondern eher wie der gute und der böse Bruder. Astrid Vosberg wurde vom Ausstatter mit sehr unvorteilhafter Kostümierung bedacht, die eher für Norma Desmond als für Amneris bestimmt zu sein scheint. Die Perücke im ersten Akt mit dazugehörigem Stirnband lassen sie um Vielfaches älter und reifer wirken, als sie eigentlich ist und die Rolle es verlangt. Auch die Regenschirm-Hut-Kreation aus "Mein Sinn für Stil" und der über die Augen gezogene Turban in "Ein Schritt zu weit" sind stilistisch nicht unbedingt die großen Würfe. Schauspielerisch holt sie einiges aus der Rolle heraus - stimmlich passt sie jedoch kaum und glänzt einzig bei "Die Wahrheit".
Auch Sigalit Feig in der Titelrolle weiß stimmlich nur bedingt zu überzeugen. Die sanften, ruhigen Töne gelingen ihr wunderbar - besonders bei "Die Sonne Nubiens" und zumindest anfänglich auch bei ihrer Version von "Durch das Dunkel der Welt". Im Gegensatz dazu sind die starken, lauten Töne nicht ihre Stärke – diese wirken oft geschrieen und teilweise sogar daneben. Zudem kommt, dass Sigalit Feig und Martin Pasching gesanglich überhaupt nicht harmonieren. So wird das von Martin Pasching sehr schön vorgetragene "Durch das Dunkel der Welt" gegen Ende in den Duett-Parts zum Schreiduell und ausgerechnet das szenisch starke "Sind die Sterne gegen uns" ist der Tiefpunkt des Abends. Martin Pasching brauchte bei der besuchten Vorstellung wohl ein wenig Zeit, bis er eingesungen war. Nach einem recht durchschnittlichen Auftakt mit "Wer viel wagt, der gewinnt" überzeugt er stimmlich von Lied zu Lied mehr und kann auch die Wandlung vom Kriegsherren zum Verräter aus Liebe glaubhaft darstellen.
© Hans-Jürgen Brehm-Seufert
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In den Nebenrollen sind vor allem Randy Diamond als Zoser und Daniel Böhm als Mereb zu erwähnen. Diamond wirkt rollendeckend bösartig, bringt die Lieder Zosers stimmlich passend vor und weiß sich auch zu bewegen. Ob man allerdings Zoser mit nacktem Oberkörper mit seinen Lakeien in bester Boygroup-Manier tanzen sehen muss, sei einmal dahingestellt. Böhm singt seinen Mereb mit kräftiger und inbrünstiger Opernstimme - im Gesamtbild passt das, dann Mereb ist hier auch ein wenig reifer und nicht der wuselnde Halbwüchsige, den man aus anderen Inszenierungen kennt. Leider bekommt Adrienn Cunka als Nehebka rollenbedingt nur einen kurzen Moment im Rampenlicht zugestanden - von ihr hätte man gern mehr gehört. Thomas Kollhoff überzeugt als Pharao. Eine nette Idee: bei der Urteilsverkündung drückt er Amneris nach ihrer Bitte um einen gemeinsamen Tod der Liebenden auf den Thron und überlässt damit der neuen Pharaonin den Platz. Bernhard Schreurs als Aidas Vater wirkt eher wie ein Wilder als wie ein König. Hier fehlen leider jegliche Würde und Autorität und man fühlt sich eher an einen Wikinger, als an einen nubischen Herrscher erinnert.
Nun soll hier nicht der Eindruck erweckt werden, dass sich "Aida" in Kaiserslautern nicht lohnen würde, denn die Inszenierung an sich ist durchaus interessant und kann mit einigen gelungenen Einfällen punkten. Besonderer Pluspunkt ist auch die Ensemblegröße, denn wenn Nubier, Soldaten, Sklaven oder Palastbedienstete von Nöten sind, tummeln sich Ballett und Chor auf der Bühne und machen so die Massenszenen zu großen Momenten.
(Text: ch)

Kreativteam
Besetzung
Zuschauer-Rezensionen
Die hier wiedergegebenen Bewertungen sind Meinungen einzelner Zuschauer und entsprechen nicht unbedingt den Ansichten der Musicalzentrale.
 1 Zuschauer hat eine Wertung abgegeben:

    30011 Schwache nubische Prinzessin
26.05.2013 - Zur Premiere am 18.05
Die Aufmachung dieser Aida ist wesentlich entkitscht zu der Originalversion in Essen. Man sucht hier vergebens quietschbunte Kostüme oder die typisch quirlige Amneris, was dem Stück m.E. aber wesentlich besser steht. Zum Anfang werden schöne und sehr passende Projektionen verwendet, die einen sofort ins alte Ägypten ziehen. Das Bühnenbild, bestehend aus zwei pyramidenartigen Treppengerüste, passt wesentlich besser auf der etwas kleineren Bühne des Pfalztheaters und wird klug in das Spiel mit einbezogen.
Gleiches gilt für das Ballett, dem ich hier ein großes Lob aussprechen muss. Selten hab ich so ein gutes Stadttheaterballett gesehen, dass zu dem so toll eingebaut wurde. Ganz große Klasse und dem Publikum beim Schlussapplaus auch, verdienterweise, einiges an Extrajubel wert.
Die Kostüme von Michael D. Zimmermann fügen sich zum großen Teil ebenfalls gut in das Gesamtbild mit ein, nur bei der Amneries wurde leider etwas zu oft danebengegriffen. (Ich finde eine klare Linie hätte dem Charakter besser gestanden, als der teilweise sehr bemühte Versuch, sie irgendwie glamourös wirken zu lassen.) Dafür waren die Kleider der Aida teilweise ein echter Traum, besonders die Farbexplosion beim gleichnamigen Lied im zweiten Akt.
Kritikpunkte finden sich in der Inszenierung lediglich bei der wirklich seltsam wirkenden Modeschau bei „Mein Sinn für Stil“. Warum nun ausgerechnet Männer in die Abendkleider gesteckt werden mussten – das bleibt wohl für immer ein Geheimnis.
Martin Pasching als Radames stach zum Anfang eher unvorteilhaft hervor durch sein allzu übertriebenes Schauspiel als grausamer Heerführer. Dies legte er aber zum Glück schnell ab und meisterte die Rolle stimmlich wie auch schauspielerisch sehr souverän. Einziger Wehrmutstropfen war, dass man ihm den jungen Radames nicht mehr ganz so abnahm, vor allen Dingen bei den Szenen mit seinem Vater.
Randy Diamond mimte den Zoser gewohnt fies und kam als perfekter intriganter Bösewicht daher. Hier sei auch noch einmal seine wirklich hervorragende Leistung als Choreograf für das Stück zu erwähnen.
Daniel Böhm als Mereb war wohl eindeutig der Sympathieträger des Abends und spielte seine Rolle mit sehr viel Herz und Witz.
Die Amneris wurde von Astrid Vosberg verkörpert. Wie schon oben erwähnt, war die Rolle wesentlich ernster angelegt als in manch anderer Inszenierung, was sie aber wunderbar umsetzen konnte. Stimmlich war es eine solide Leistung, doch glänzte sie wirklich durch ihr Schauspiel einer Amneris, der man den Wandel der leichtlebigen Prinzessin zur weisen Pharaoin auch tatsächlich abnahm.
Sigalit Feig als Aida bemühte sich zwar sehr und konnte auch vom Schauspiel durchaus überzeugen, leider versagte ihre Stimme aber gänzlich bei den Soloparts. Nur allzu oft verfiel sie bei den lauteren Stücken in eine Art schreien, was zum Teil viel von der Dramatik nahm und neben ihren Kollegen unangenehm auffiel. Ein echter Wehrmutstropfen, konnte das Stück doch sonst in voller Länge überzeugen.
Alles in allem, war es ein schöner Premierenabend und das Stück ist definitiv einen Besuch wert.
Tori

ToriH (erste Bewertung) 
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