 Klassiker
The Black Rider Der Freischütz
© Hans-Jürgen Brehm Seufert
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Es ist keine leichte Aufgabe, Tom Waits für ein breites Publikum auf die Bühne zu bringen. In Kaiserslautern gelingt der Spagat zwischen anspruchsvollem Avantgarde-Theater und publikumswirksamer Abendunterhaltung dank der klugen Inszenierung bestens. "The Black Rider" überzeugt am Pfalztheater durch gute Einfälle und eine perfekte Besetzung in der Hauptrolle.
(Text: Dominic Konrad) Premiere: | | 02.02.2013 | Rezensierte Vorstellung: | | 02.02.2013 | Letzte bekannte Aufführung: | | 23.06.2013 |
Düstere Halbwelten, musikalische Experimentierfreude und das Spiel mit dem Skurrilen prägen die Zusammenarbeit von Regisseur Robert Wilson und Komponist Tom Waits. Ihr Gemeinschaftswerk "The Black Rider" ist eine moderne Adaption der Freischütz-Legende um den Schreiber Wilhelm, der aus vergeblicher Liebe einen Pakt mit dem Teufel schließt. Das Musical, dessen Buch von William S. Burroughs, einem der großen Dichter der Beat Generation, stammt, ist alles andere als einfache Kost: Tom Waits' Musik verlangt dem Hörer Konzentration und Aufmerksamkeit ab - nicht zuletzt, da die englischsprachigen Songs auf Anordnung des Komponisten grundsätzlich nicht übertitelt werden.
© Hans-Jürgen Brehm Seufert
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Es ist daher keine leichte Aufgabe, "The Black Rider" für ein breites Publikum umzusetzen. Dem Pfalztheater Kaiserslautern ist hier ein wahrer Coup gelungen. Regisseur Andreas Kloos schafft es, die Handlung auch ohne Übertitel für das Gesungene klar und verständlich umzusetzen. Seine Regiearbeit zeugt von einer klaren Strukturierung, die Bühne ist geordnet, nie wird das Spiel zu verwirrend. Sorgsam führt Kloos die Zuschauer an die Handlung heran, unter anderem indem er die Darsteller zu Beginn mit Namensschildern auftreten lässt. Durch diese Maßnahme kaschiert er gekonnt die fehlende Einführung von Burroughs' Buch.
Das Bühnenbild ist eine Klasse für sich. Mit einfachen Mitteln schafft Juan León einen Bühnenraum, der mit Motiven aus der Jägerromantik thematisch eingeordnet wird und das Milieu des Spiels konterkariert. Die Wände sind über und über mit Geweihen gepflastert. Sie sind neben drei Pfählen in der Bühnenmitte, Sinnbilder für Wald und Maibäume, der einzige feste Bühnenschmuck. Immer wieder spielt die Bühne mit Anleihen aus dem Jägerkitsch, setzt traditionelle Genrebilder und Waldansichten in Öl als Blickfänge ein oder lässt den Röhrenden Hirsch über die Bühne fahren. Die Kostüme von Marcel Zaba ergänzen die in der Bühne angelegten Grundgedanken ideal. Der Jäger trägt Lederhose und Joppe, seine Frau Gummistiefel für den Stall, dennoch wirken alle Figuren durch schrille Perücken und blasse Gesichter wie die Geister aus einer Endzeitvision von Otto Dix.
© Hans-Jürgen Brehm Seufert
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Unter den Schauspielern tut sich Astrid Vosberg in der Hauptrolle als Stelzfuß (der Teufel) besonders hervor. Vosberg verfügt über eine stimmliche Bandbreite, die einem den Atem verschlägt. Im einen Moment interpretiert sie mit voller Inbrunst und heiser-rauchiger Stimme Waits' Musik, im nächsten spricht sie in netter Plaudermanier weiter oder schlägt sanft-säuselnde Töne an. Szene um Szene wird ihrer Stimme eine andere Nuance, ein anderer Stil abverlangt, zudem eine Gratwanderung zwischen diabolischen und komödiantischen Passagen, die sie spielend meistert. Auch Dominique Bals als Freischütz Wilhelm macht eine gute Figur. In der am Anfang süßlich-schnulzig ausgelegten Rolle geht er mit seiner Partnerin Adrienn Čunka (Käthchen) auf, wandelt sich dann zum süchtigen Teufelsschützen und letztlich zum isoliert-verlorenen Opfer seiner eigenen Abhängigkeit. In allen drei Stadien seiner Figur überzeugt Bals voll und ganz. Als des Försters Frau brilliert Hannelore Bähr in einer kleinen Rolle mit ihrem nuancierten Spiel und hinterlässt einen bleibenden Eindruck weit über ihren Auftritt hinaus. Musikalisch untermalt wird das Ganze von der "Manfred Knaak’s M** from Hell"-Band unter der Leitung von eben jenem Manfred Knaak, die sechsköpfig den Saal zum Beben bringt und ab und an dank Hebetechnik auch selbst Teil des Treibens auf der Bühne wird.
© Hans-Jürgen Brehm Seufert
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Die Aufgabe, Waits' und Wilsons Stück für ein breites Publikum zu neu zu interpretieren, haben Andreas Kloos und sein Team bravourös gemeistert. "The Black Rider" am Kaiserslauterer Pfalztheater ist anspruchsvolles, modernes Musiktheater auf hohem Niveau, das neben modernem Kunstgenuss auch richtig gut unterhält – gerne mehr davon.
(Text: krd)

Kreativteam
Besetzung
Zuschauer-Rezensionen
Die hier wiedergegebenen Bewertungen sind Meinungen einzelner Zuschauer und entsprechen nicht unbedingt den Ansichten der Musicalzentrale.
 2 Zuschauer haben eine Wertung abgegeben:

    29886 Tom Waits ist Tom Waits
03.02.2013 - Zugegeben, Black Raider als Musical zu bezeichnen im populären Gemeinmodus, ist grundsätzlich dem Stück nicht zuträglich und führt den ein-oder anderen sicher in die Irre. Aber vielleicht ist der geneigte Zuschauer selber schuld, wenn er nicht vorab weiß, womit er konfrontiert wird.Ich persönlich mag Tom Waits und seine musikalisch-philosophischen Ansätze sehr. Meinen ersten BLACK RAIDER sah ich vor ungefähr 20 Jahren in Saarbrücken und kann nur sagen mit der Produktion in Kaiserslautern war selten eine musikalische Umsetzung näher an den Wurzeln als hier. Wer Black Raider sehen möchte informiere sich am besten vorher über das Genre, es handelt sich nicht um Walt Disney, das läuft in Hamburg. In der Tat ist die Inseznierung vielleicht etwas statisch, aber es paßt herrlich zu der Absurdität von Tom Waits. Das Publikum spendete fulminanten Schlußapplaus,wie man ihn nicht so oft erlebt, was ja für sich spricht. Man muß sich vor dieser einzigartigen musikalischen Leistung des Ensembles und der musikalischen Umsetzung der Band verneigen. Hier werden definitiv alle Grenzen ausgelotet.Wer dies nicht erträgt, dem empfehle ich König der Löwen. Vosberg und Bahls sind für mich in diesem Genre absolut outstanding und Hannelore Bähr leistet emotionale Höchstleistung. Absolutes Highlight für mich, die hochgefahrene Band die angeführt von einem grandiosen Pianisten, wie die Wahnsinnigen spielen, sowas hab ich selten erlebt in einem Stadttheater. Ich erlebte 2 spannende Theaterstunden mit ganz tollen Künstlern. Nachdem ich das Stück ganz gut kenne , ist für mich die Geschichte völlig klar, aber ich kann verstehen, daß man vielleicht völlig uninformiert etwas länger braucht, aber man sollte nie uninformiert in ein modernes Theater-Stück gehen.

TomWaits (erste Bewertung)
    29885 Hmmh...
03.02.2013 - Also, mir hat es leider nicht gefallen. Die Liebesgeschichte nicht erzählt (wie ich finde), mich interessiert keine Figur, alles sehr cool und sehr trendy, ohne dass ich die einzelnen Momente verstehen würde. Lediglich ein Lichtblick, und dafür auch 1 Stern: Der fantastische Dominique Bals als Wilhelm. Wer sich's anschauen mag - bin auf jede Meinung neugierig... Fairerweise sei aber angemerkt: Das Publikum war begeistert!

Hardl (10 Bewertungen, ∅ 2.1 Sterne) 
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