 Deutschsprachige Erstaufführung
Young Frankenstein - Frankenstein Junior Welcome to Transylvania
© Gert Kiermeyer
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Die Oper Halle stemmt mit beträchtlichem Aufwand erneut eine deutschsprachige Erstaufführung und bringt tolle Bilder auf die Bühne, kann die Schwächen des Buches dadurch aber nicht vollständig ausgleichen.
(Text: Michael Rieper) Premiere: | | 18.05.2013 | Dernière: | | 09.06.2014 |
Nach seinem Broadway-Erfolg „The Producers“ gab es hohe Erwartungen an Mel Brooks zweites Musical - und wie so oft erfüllten sie sich nicht. „Young Frankenstein“ erhielt durchwachsene Kritiken und konnte sich nur etwas über ein Jahr am Broadway halten. Auch in Halle zeigt sich deutlich, wo das Problem des Stückes liegt: Das Opernhaus bringt viele gute Zutaten zusammen und so gelingt ein durchaus amüsanter Abend. Das schwächste Glied in der Kette der Bestandteile sorgt allerdings dafür, dass der Funke nicht vollständig überspringen will: Obwohl das Musical als Parodie auf Horrorfilme angelegt ist, gibt es zu wenig zu lachen. Das Buch von Thomas Meehan und Mel Brooks weist schlichtweg eine zu geringe Humordichte auf. Frederick Frankenstein, der Enkel des legendären Monster-Erschaffers, reist nach dem Tode seines Großvaters nach Transsilvanien, um möglichst schnell das Erbe abzuwickeln. Als er jedoch die geheimen Aufzeichnungen von Frankenstein senior findet, packt ihn der Ehrgeiz, selbst Leben zu erschaffen. Das dabei entstandene Monster entpuppt sich als gar nicht so furchtbar wie erwartet und da es sich ja um eine Komödie handelt, kommt es zum Happy End inklusive Liebeskarussell.
Neben mehreren Passagen, in denen sich die Handlung einfach nur zieht, laufen die vorhandenen Gags dann auch noch viel zu oft auf der sexuell-zotigen Schiene: Während der Fahrt zum Schloss, werden Frankenstein und seine Assistentin Inga derart durchgeschüttelt, dass sie in den verschiedensten zweideutigen Stellungen hinter- bzw. aufeinander landen. Bei der Erweckung des Monsters findet dessen erste Regung unter dem Laken just in der Körpermitte statt. Und beim Finale kann Frankensteins Verlobte Elizabeth dank seiner Potenz ihre Hände nicht mehr vom Monster lassen. Beispiele gibt es genug. Irgendwann im Laufe des Abends erzeugen Anspielungen dieser Art nur noch ein mattes Lächeln.
© Gert Kiermeyer
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Aber die guten Zutaten in Halle sollen natürlich auch nicht unerwähnt bleiben: Mel Brooks hat hörenswerte Melodien im klassischen Broadway-Sound à la Porter oder Gershwin geschaffen, in denen die Staatskapelle unter Leitung von Peter Schedding geradezu schwelgt. Ein Genuss! Halles Ballettdirektor Ralf Rossa zeichnet neben der Choreographie auch für die Inszenierung verantwortlich. Neben einer sauberen und gut abgestimmten Personenregie fällt auch eine wohldurchdachte Einbindung des Opernchores und des Balletts auf.
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Die Besetzung kann ebenfalls größtenteils für sich einnehmen: Björn Christian Kuhn bewältigt in der Titelrolle scheinbar mühelos ein Riesenpensum, ist mal selbstsicher-arrogant seinen Wissenschaftler-Kollegen gegenüber, ganz klein mit Hut neben seiner Verlobten oder auch ganz der wissbegierige Forscher, wenn er den Geheimnissen seines Großvaters auf die Schliche kommt. Ásgeir Páll Ágústsson begeistert als Frankensteins Gehilfe Igor mit umwerfend komischem Minenspiel. Drei Frauen begleiten Frankenstein an diesem Abend: Seine Verlobte Elizabeth wird wunderbar hochnäsig und überkandidelt von Anna Thorén dargestellt. Gabriele Bernsdorf spielt die Überlegenheit der Haushälterin Frau Blücher, die als einzige um die Geheimnisse des Frankenstein senior weiß, genüsslich mit perfektem slawischem Dialekt aus. Nur Julia Klotz bleibt als typisches Blondchen Inga sowohl stimmlich wie auch darstellerisch blass. Zu den Pluspunkten zählt ebenfalls der bewegungsfreudige und flexibel einsetzbare Opernchor. Auch der deutsche Text von Frank Thannhäuser und Iris Schumacher klingt rund und stimmig.
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Wirkt die Bühne (verantwortlich: Matthias Hönig) in den ersten Szenen, die immer nach dem gleichen Schema mit wenigen Requisiten vor einem bemalten Vorhang spielen, noch relativ uninspiriert, nutzt Hönig ab dem Eintritt in das Frankensteinsche Schloss die Bühnentechnik für tolle Bilder. Als Frederick z.B. in der Bücherei einen Geheimgang findet, setzt sich die Drehbühne in Gang und lässt den Zuschauer tatsächlich hinter die Mauer schauen und zum Erstaunen des Publikums fährt die Bücherei dann auch noch nach oben, um den in den Keller führenden Geheimgang freizulegen. In Verbindung mit den rundum gelungenen, farbenfrohen und die Protagonisten bestens charakterisierenden Kostümen von Sabine von Oettingen ist auf der Bühne also schon einiges an Feuerwerk vorhanden. Was hätte das für ein Musicalerlebnis sein können, wenn mehr zündende Pointen den Zuschauer durch den drei-stündigen Abend getragen hätten...
Deutschsprachige Erstaufführung Buch von Mel Brooks und Thomas Meehan Musik und Gesangstexte von Mel Brooks Originalregie und -choreografie von Susan Stroman Deutsch von Frank Thannhäuser und Iris Schumcher
(Text: Michael Rieper)

Kreativteam
Besetzung
Produktionsgalerie (weitere Bilder)
Zuschauer-Rezensionen
Die hier wiedergegebenen Bewertungen sind Meinungen einzelner Zuschauer und entsprechen nicht unbedingt den Ansichten der Musicalzentrale.
 1 Zuschauer hat eine Wertung abgegeben:

    30005 Humor ist, wenn man trotzdem lacht.
20.05.2013 - Das 2007 am Broadway uraufgeführte und nicht sonderlich erfolgreiche Musical hat nun seinen Weg ans deutsche Repertoire-Theater gefunden.
Das Stück basiert auf Brooks gleichnamiger Film-Parodie von 1974. An der Musical-Adaption hat Brooks sich als Co-Autor, Komponist und Texter kreativ beteiligt.
Das sollte man als Zuschauer auch wissen, denn genau das bekommt man auch geboten: 100% des speziellen Mel Brooks Humor. Das bedeutet Kalauer, Zoten und Tiefschläge unter die Gürtellinie.
Das kann man mögen, muß man nicht, ist letztendlich aber Geschmacksache.
Die Oper Halle hat produktionstechnisch alles richtig gemacht.
Die leistungsfähige Bühnentechnik, tolle Kostüme, aufwendiges Bühnen- und Maskenbild, Chor, Ballett und Statisterie sorgen für ein optisch pralles Theatererlebnis.
Die Besetzung ist durchweg großartig. Die Darsteller schmeißen sich mit ungebremster Spielfreude und hemmungsloser Übertreibung in die Archetypen eines klassischen Horrorfilms.
Julia Klotz ist die dralle Klischee-Kreisch-Blondine Inga.
Gabriele Bernsdorf spielt die unterkühlt-düstere Hauhälterin Frau Blücher so abgründig (und natürlich auch immer wieder albern), dass es ein Vergügen ist.
Asgeir Pall Agustsson gibt einen herrlichen Assistenten Igor: grenzdebil, monströs, mit Hang zum glamourösen Showauftritt.
Die vielseitig verwendbare Anna Thoren ist als die überspannt-vulgäre Verlobte Elizabeth des Titelhelden eine Sensation und das Highlight des Abends. Stimmlich einfach grandios, sexy, sinnlich, hemmungslos überdreht, rast sie wie ein Tornado durch jede ihrer Szenen und wertet durch ihre Star-Performance jeden (noch so schwachen) Gag gehörig auf.
Björn Christian Kuhn in der Titelrolle des Dr. Frankenstein agiert vielseitig und agil. Trotzdem wirkt er etwas blass und langatmig in seiner Darstellung des Mad Scientist.
Eine absolut positive Überraschung ist für mich die Komposition von Mel Brooks. Es swingt, es groovt, es jazzt, es macht einfach Spass. Es ist ein sicherlich zitatenreicher, aber doch sehr unterhaltsamer und gelungener klassischer Broadway-Musical-Score.
Die Musik wird mit gehörigem Druck und Tempo von dem bestens aufgelegten Orchester der Oper Halle dargeboten und sorgt zusammen mit den originellen und rasant getanzten Choreografien von Ralf Rossa für die Showstopper des Abends.
Das einzige (aber große) Manko dieser Inszenierung liegt für mich im Buch von Mel Brooks und Thomas Meehan. Das Tempo, die Gag-Dichte und die Trefferquote derselben lassen doch sehr zu wünschen übrig. Immer wieder schleppen sich Sprechszenen dahin, immer wieder werden Running Gags überstrapaziert, immer wieder werden alte Schenkelklopfer statt origineller Pointen eingesetzt.
So hinterlässt dann das Gesamtergebnis einen etwas zwiespältigen Eindruck. Die Oper Halle hat eine eigentlich rundum gelungene Deutschlandpremiere makellos auf die Bühne gebracht, die aber leider nur bedingt gut und kurzweilig unterhalten kann.

kevin (202 Bewertungen, ∅ 3.4 Sterne) 
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