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 Literatur-Adaption
Dracula (Wildhorn) Frisches Blut für den Vampir-Klassiker
© t & w / Andreas Tamme
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Frank Wildhorns Vampir-Musical in einer bissig-modernen Neuinterpretation mit überraschendem Antagonisten und bewegendem Finale, inszeniert von Friedrich von Mansberg. In der Titelrolle ein großartiger Gerd Achilles.
(Text: Claudia Leonhardt) Premiere: | | 10.11.2012 | Rezensierte Vorstellung: | | 31.05.2013 | Letzte bekannte Aufführung: | | 29.06.2013 |
Im Zeitalter von "Interview mit dem Vampir", "Twilight" und "Vampire Diaries" scheint Bram Stokers Epos um einen greisen Blutsauger, der in einem transsylvanischen Schloss haust und sich erst nach unfreiwilliger Blutspende in einen recht ansehnlichen viktorianischen Gentleman verwandelt, nicht mehr ganz zeitgemäß zu sein. In der heutigen Popkultur sind Vampire eher Rockstars als Dämonen, eher Projektionen menschlicher Sehnsüchte als alptraumerregende Monster.
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Entsprechend dieses Imagewandels verpasst Regisseur Friedrich von Mansberg der Geschichte um den Ur-Vampir eine Frischzellen-Kur und verlegt die Handlung ins Hier und Jetzt. Der Titelheld (bzw. Antiheld) ist jung, attraktiv und trägt enge schwarze Lederhosen. Er residiert in einem stylischen, mit IKEA-Möbeln ausgestatteten Londoner Hotel, wo er umgeben von seiner Entourage (zu der neben den üblichen drei Vampiretten auch eine Reihe junger männlicher Vampire gehört) wilde Parties feiert und seine Gäste von Barkeeper Renfield mit Alkohol abfüllen lässt.
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Mit Gerd Achilles hat man einen Hauptdarsteller gefunden, der mit viel Charisma die großen Fußstapfen, in die er mit dieser Rolle treten muss, problemlos ausfüllt. Sein Dracula nutzt eher Charme als Furcht, um Jonathan, Lucy und Mina in seinen Bann zu ziehen, und glänzt vor allem in den Balladen mit angenehm warmer, dunkler Stimme. "Je länger ich leb" ist einer der Höhepunkte der Aufführung, ebenso wie das "Ein perfektes Leben"-Terzett mit Mina und Jonathan. Doch während sich der Vampir-Fürst den anderen gegenüber als dunkler Verführer gibt, lernt ihn das Publikum von einer anderen Seite kennen. In einer verstörenden Szene während Renfields "Lied vom Meister" jagt Dracula ein kreischendes Opfer durch den Zuschauerraum und attackiert die junge Frau gnadenlos. Es ist ein geschickter dramaturgischer Schachzug, der den Hauptcharakter nicht nur mehr Tiefe verleiht, sondern gleichzeitig auch den Mythos vom fast schon menschlichen, vergebens nach Liebe suchenden Vampir unterwandert.
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Auch Jonathan und Mina (Kristian Lucas und Elisabeth Sikora, beide sowohl stimmlich als auch darstellerisch überzeugend) dürfen sich in dieser Produktion erfreulich vielschichtig zeigen. Gerade Jonathan ist normalerweise kaum mehr als eine blasse Randfigur, dessen einzig heroischer Moment – der Versprechen an Mina, sie zu töten, bevor sie ganz in Draculas Bann gerät – im Hinblick auf Draculas mehr oder weniger freiwilligen Tod ohne Konsequenzen bleibt. Wenn Jonathan jedoch hier "Frost an einem Sommertag" singt, dann ist es mehr ein Schwur gegenüber sich selbst, als gegenüber Mina, die an diesem Punkt schon ganz und gar dem Charme von Dracula erlegen ist und mit der Beziehung zu Jonathan offenbar bereits abgeschlossen hat. Elisabeth Sikoras Mina ist energisch und selbstsicher und nicht der Typ Frau, der Dracula in seinem spontanen Moment der Reue beim Freitod assistieren würde. Und so wird Jonathan zum tragischen Antagonisten und das Finale zu einer Tragödie von nahezu shakespeareschem Ausmaß, in der es letztendlich nur Verlierer gibt: Jonathan setzt sein Versprechen konsequent in Realität um und erschießt seine Frau, während Dracula der herbeigesehnte Tod ebenso versagt wird wie ein ewiges Leben mit Mina, die in seinen Armen stirbt.
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Van Helsing bleibt in dieser Inszenierung ein eher zwielichtiger Charakter, der mit High-Tech-Überwachungsausrüstung und einer Schlägertruppe in der Hinterhand auf Vampirjagd geht und Kollateralschäden dabei gerne in Kauf nimmt. Karl Schneiders opernhafte Stimme ist anfangs etwas gewöhnungsbedürftig. Spätestens aber bei "Roseanne" – wunderbar mit einer Tanzsolistin in Szene gesetzt – kann er sich die Rolle zueigen machen. Annabelle Mierzwa spielt Lucy temperamentvoll und überdreht und setzt damit einen guten Kontrastpunkt zur ernsthaften Mina. Dass dabei einige der hohen Töne nicht dort sitzen, wo sie sollten, fällt angesichts der Rollenauslegung kaum ins Gewicht. MacKenzie Gallinger als Renfield fällt gesanglich im Vergleich zu seinen Kollegen stark ab, auch wenn er schauspielerisch viel aus der Rolle herausholt.
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Man greift in Lüneburg auf die ursprüngliche deutsche Textfassung aus St Gallen zurück (bis auf "Frost an einem Sommertag", bei dem die Übersetzung von Herwig Thelen herangezogen wurde), die leider recht sperrig, überfrachtet und gehetzt daher kommt. Besonders in den schnellen Songs wirkt sich das negativ aus, da die Texte der Musik hinterherhasten und damit fulminanten Liedern wie "Leb noch einmal" oder "Zu Ende" nahezu jegliche Dynamik genommen wird. Verschlimmert wird diese Problematik zusätzlich durch den Umstand, dass das Orchester gerade in den schnellen Passagen viel zu laut ist und die Darsteller ausnahmslos übertönt. Das Stück leidet nicht nur musikalisch sondern auch inhaltlich darunter, da einige der interessantesten Momente dank akustischer Unverständlichkeit verpuffen.
Trotzdem überwiegt am Ende der positive Eindruck. Eine solch stark veränderte Adaption des klassischen Dracula-Stoffes mag sicherlich nicht jedermanns Sache sein. Doch Regisseur von Mansberg gelingt es, eine in sich geschlossene, moderne und überzeugende Neuinterpretation auf die Bühne zu bringen, die dem Klassiker neue Seiten abgewinnen kann und den Spannungsbogen mit Konsequenz bis zum Ende hält.
(Text: cl)

Kreativteam
Besetzung
Zuschauer-Rezensionen
Die hier wiedergegebenen Bewertungen sind Meinungen einzelner Zuschauer und entsprechen nicht unbedingt den Ansichten der Musicalzentrale.
 8 Zuschauer haben eine Wertung abgegeben:

    30033 Sehr schade, dass die guten Kritiken erst so spät aufgetaucht sind -
30.06.2013 - diese Inszenierung hätte ein größeres Musicalaffines Publikum verdient gehabt.
Ich selbst habe es am 31. Mai zum ersten mal gesehen. Da ich sehr von der bekannten Grazer Inszenierung geprägt bin, hattte ich zunächst so meine Schwierigkeiten damit. Nichtsdestotrotz war ich der Meinung, dass dieses Theater einen zweiten Besuch verdient hätte. Und so war ich gestern noch einmal dort, zur Derniere am 29.06.3013, dem vorletzten Tag der Spielzeit 2012/2013 im Theater Lüneburg.
Im großen und ganzen kann ich nur sagen, dass ich total begeistert bin. Die Darsteller haben alle ihr bestets gegeben - nur "Jonathan" hatte einen schlechten Tag mit ein paar Texthängern und einem derben Patzer - im zweiten Akt redete er seine Frau mit "Lucy" an. Wirft ein ganz neues LIcht auf den Immobilienmakler^^
Selbst der sehr opernhafte van Helsing wirkte in der letzten Aufführung frisch und trotz der etwas undankbaren Rolle keinesfalls unmotiviert.
Verdientermaßen wurden Darsteller, Dirigent und Regisseur (?) mit minutenlangem Schlussapplaus belohnt.
Ich für meinen Teil werde mir Lüneburg für die Zukunft merken - einerseits ist das eine tolle engagierte kleine Bühne, außerdem ist die Stadt an sich wirklich sehenswert. Und damit ein tolles Musical-Reiseziel.
In der nächsten Spielzeit gibt es dort "Sunset Boulevard".

LadyGodalming (2 Bewertungen, ∅ 5 Sterne)
    30018 Erstaunlich...
06.06.2013 - Ich war bereits im Dezember in Lüneburg um mir mit großer Erwartung Dracula anzusehen. Leider wurden diese durchwegs enttäuscht, vor allem aber, weil neben einem zugegeben sehr glaubhaften und auch stimmlich überzeugenden Gerd Achilles in der Titelpartie der Großteil der Darsteller-Riege mit den hauseigenen Opernsängern besetzt war, was sowohl darstellerisch, aber vor allem gesanglich dem Genre Musical in keinster Weise gerecht wurde. Und als dann schließlich der behäbige Opernchor auftrat, war ich kurz davor den Saal zu verlassen! Ich verstehe das nicht, Lüneburg ist doch ein gutes Haus und war zumindest in der Vergangenheit in Punkto Musical eine gute Adresse. Vermutlich wurde auch hier der Sparstift angesetzt.Â
Nun kam es aber, dass ich am  31.5. erneut das Stück besuchte, da ich gelesen hatte, dass eine Umbesetzung der weiblichen Hauptrolle, durch die mir an diesem Haus bereits bekannte Musicaldarstellerin Elisabeth Sikora stattfand. Erstaunlich: das Stück funktionierte plötzlich. Die junge Darstellerin fegte wie ein Tornado über die Bühne und man hatte beinahe den Eindruck, sie versucht mit ihrer Emotionalität und Ausdrucksstärke die ohnehin nicht sehr gelungene Inszenierung und ihre darin verlorenen Kollegen zu retten. Was ihr auch an vielen Stellen gelingt! Auch stimmlich hat Sikora ordentlich was zu bieten und beltet sich scheinbar mühelos in alle Höhen. Die Duette mit Achilles harmonierten diesmal besonders. Es gab Standing Ovations und auch ich war begeistert! Gratulation!

Buddy305 (erste Bewertung)
    30017 Geht es Dir wieder besser, Liebling?
03.06.2013 - So fragt Arthur seine Lucy, und so könnte der Musicalfan das Musical als solches fragen - nachdem er erst die Karten gebucht und DANN die Rezensionen hier gelesen hat...
dementsprechend waren die Erwartungen tiefgestapelt. Was wir aber zu sehen bekamen war solides, manchmal gutes Musiktheater, hier und da mit Albernheiten in der Inszenierung.
Unser Musicalabend begann mit einem Schreckmoment, weil Gerd Achilles gleich mal mit einem IKEA-Tischchen zu Boden ging, auf das er so schwungvoll draufgesprungen war.
Überhaupt wird sehr viel auf den beteiligten Möbeln herumgeturnt.
Die Inszenierung verlegt die Handlung in die Gegenwart und versucht, dem einfachen (aber schönen) Erzähl-Musical eine Portion Anspruch zu verleihen. Das gelingt aber nur teilweise. Beispielhaft dafür diese Szene (bis dahin war die Inszenierung in sich absolut schlüssig): die bereits leicht vampirisierte Lucy schleicht sich nach ihrem Zusammenbruch in einer möchtegern erotischen Tanz-Pantomime hinunter in die Hotelbar. Dort macht Dracula ein letztes mal über sie hier. Morgens findet der duckmäuserische Arthur seine Liebste, die sich noch immer in Erschütterungen auf dem Tresen windet. Und fragt sie ganz treudoof, ob es bir besser gehe - da wäre wohl eher die Frage nach dem wieso, weshalb, warum angebracht gewesen...
Bis auf van Helsing, der stimmlich super war, aber bisweilen desinteressiert wirkte, ist das Ensemble von Spielfreude geprägt. Selten war das Orchester zu laut, schräge Töne habe ich keine gehört.
Manchmal wirkte die ohnehin vollgestellte Bühne wegen Chor und Tänzern überfüllt.
Alles in allem war das Musical die Erfahrung allemal wert,und falls ich die Gelegenheit ergibt, würde ich diese auch noch mal wiederholen.
Und Lüneburg selbst ist die Reise auf jeden Fall wert.

lucyweston (2 Bewertungen, ∅ 4 Sterne)
    29805 gruselig...
29.11.2012 - ...war die Geschichte leider kein Stück, die Inszenierung dafür umso mehr! Eine Riege sehr sympathischer, teilweise wirklich guter Sänger und Sängerinnen mussten sich mit einer unlogischen, dramaturgisch falschen und einfach unverständlichen Inszenierung rumschlagen. Kein Charakter wurde eingeführt, nicht einmal die Auftritte waren irgendwie nachvollziehbar, Beweggründe für Handlungen Fehlanzeige, Auf- und Abtritte ohne Sinn und Verstand, Bühnenbild nicht dienlich, dem Konzept fehlte es an jeglicher Logik, Spannung und Humor. Einige Rollen waren tatsächlich völlig fehlbesetzt, was aber sicherlich daran lag, dass der Hauschor eben nicht aus Schauspielern besteht. Anderen Darstellern wurde leider nicht mitgeteilt welche Rolle sie überhaupt zu spielen hatten - es war einfach desaströs! Aber dann doch auch immer wieder diese bombastische Musik mit wirklich schönen Melodien. Ein toller Gerd Achilles, ein sehr guter Kristian Lucas, eine zwar sehr klassisch aber trotzdem toll singende Franka Kraneis und eine sehr frische (vielleicht etwas zu "albern" agierende) Annabelle Mierzwa, die aber auch richtig toll gesungen hat. Sie taten mir alle echt leid in dieser Inszenierung mitwirken zu müssen.

Lorenz (55 Bewertungen, ∅ 3.5 Sterne)
    29797 Seltsam....
15.11.2012 - Wie schön, dass Dracula gespielt wird...aber muss das denn gleich gegen den Strich gebürstet werden?
Als Wildhornfan wollte ich mir die Chance nicht entgehen lassen, das selten gespielte Stück anzuschauen, wenn es mal in der Nähe ist.
Leider ist die Inszenierung nur bedingt zu empfehlen, viele überflüssige Änderungen, die die Geschichte nicht vereinfachen, sondern unlogisch erscheinen lassen, und den Zuschauer verwirrt zurücklassen....
Weitere Fragen kommen auf bezüglich der Besetzung, warum lässt man eine absolute Beltpartie mit einer rein klassischen Sängerin besetzen? Das Orchester war zu laut und hat die Sänger übertönt, vor allem in den Mina-Dracula Passagen, der Ton war unausgeglichen, was aber irgendwie immer ein Problem bei Stadttheatermusicals zu sein scheint. Für mich einzige Pluspunkte der Inszenierung waren Kristian Lucas als Jonathan und vor allem Gerd Achilles als sexy Graf Dracula, die es geschafft haben, dass man in ihren Nummern doch das Gefühl hatten, im richtigen Stück zu sein...

MelanieW. (erste Bewertung)
    29796 Leider eine große Enttäuschung!
15.11.2012 - Erfahrungsgemäß ist die zweite Vorstellung einer Produktion häufig nicht unbedingt die qualitätsmäßig beste. Der Besuch ebendieser Aufführung der Inszenierung von Frank Wildhorns „Dracula“ am Theater Lüneburg krankte jedoch keineswegs an der Tagesform; hier liegen die Mängel eindeutig schon im Ansatz.
Fangen wir mit dem grundlegendsten Problem an: Der Regie. Friedrich von Mansberg entschied sich, die Handlung komplett ins – scheinbar – zeitgenössische England zu verlegen. Das Schloss des Grafen Dracula wird dort kurzerhand zu einem Hotel, das innenarchitektonisch mehr an ein drittklassiges, aber wahnsinnig „in“ sein wollendes Youth Hostel erinnert. Die Gründe für diese Verlegung des Spielortes bleiben dabei völlig im Unklaren. Ebenso die ständig die Handlung unterbrechenden Zwischenvorhänge: Hier werden per Projektion scheinbar willkürlich Tage und Uhrzeiten auf die Leinwand geworfen. Dann spielt das Orchester kurze 16 (oder auch mal lange 32 Takte) und der Vorhang geht nach einer gefühlten Ewigkeit wieder hoch. Verändert hat sich dahinter rein gar nichts.
Mit diesen „Details“ könnte man ja vielleicht noch leben, wenn wenigstens Handlung und Figurenzeichnung nachvollziehbar gewesen wären. Doch leider auch dort: Viel mehr Schein als Sein! Wer die Dracula-Geschichte nicht en Detail kennt, verliert schon nach wenigen Minuten jeden Überblick. Doch auch bei denjenigen, die darüber Bescheid wissen, entsteht bald der Eindruck, eine völlig andere und lediglich in Fragmenten überlieferte Geschichte zu sehen. Ärgerlich!
Was die Figurenzeichnung angeht, stellten sich gleich die nächsten Fragen ein: Wo bleibt die Würde und Souveränität, die ein Graf Dracula ausstrahlt? Ist es notwendig, dass Lucy Westenraa zum albern-herumkichernden Mädchen verkommt? Wie kommt Doktor Van Helsing eigentlich plötzlich auf die Bühne und was sucht er in dem Hotel? Und warum verkommen Seward, Morris und Holmwood zu derartig blassen, langweiligen Chargen ohne jedes Profil?
Gehen wir nun weiter zur Darstellerleistung: Auch hier leider einiges Schatten und nur wenig Licht (wobei schon jetzt die Frage gestellt werden muss, wie viel des Schattens in diesem Punkt ebenfalls der Inszenierung zugeschrieben werden muss). Der versierte Musical-Darsteller Gerd Achilles gibt einen mehrheitlich statischen, immer wieder aus dem Nichts auftauchenden Graf Dracula, der nie wirklich wie ein abgründiges Zwischenwesen wirkt, sondern lediglich wie ein melancholischer Outsider mit leicht seltsamen Gelüsten daher kommt. Gesanglich weiß er vor allem in den tiefen Lagen oftmals nicht zu überzeugen. Lediglich sein „Je länger ich lebe“ am Ende der Show lässt kurz ein wenig aufhorchen. Auch die beiden Damen, die ihm zur Seite stehen (Annabelle Mierzwa als Lucy und die klassische Sängerin Franka Kraneis als Mina), schaffen es nicht zu begeistern: Während bei Mierzwa vor allem die bereits erwähnte Darstellung der Lucy als nerviges Girly mehr als fragwürdig wirkt, stört bei Kraneis vornehmlich der sehr klassische Ansatz, mit dem die Darstellerin ihre gesangliche Partie angeht. Da mischen sich vor allem im Duett mit Achilles eine Musical- und eine sehr opernartig anmutende Stimme zu einem unstimmigen Mix. Auch Minas Solonummern wirken insgesamt viel zu klassisch präsentiert mit unpassend großem Vibrato. Auch Karl Schneiders Professor Van Helsing krankte gesanglich an seinem stark klassisch geprägten Ansatz; darstellerisch war seine Figur voll von unverständlichen Reaktionen, abrupt wechselnden Stimmungen und nicht nachvollziehbaren Emotionen. Das restliche Ensemble inklusive MacKenzie Gallingers Renfield blieb insgesamt blass. Tänzer und Extra-Chor übernahmen fast ausschließlich dekorative Aufgaben.
Einziger Lichtblick im Ansatz an diesem Abend war Kristian Lucas als Jonathan Harker: Mit angenehm zarter Musical-Stimme wusste er größtenteils zu überzeugen und stach damit vor allem gesanglich heraus. Sein „Frost an einem Sommertag“ klang modern und emotional.
Weiterhin sei an dieser Stelle noch das Orchester im Wesentlichen zu loben: Hier und da einige Schnitzer, besonders zu Beginn der beiden Hälften, verblassen vor dem Hintergrund der oben genannten Kritik in Bezug auf die anderen Bereiche. Größtenteils hatte Urs-Michael Theus die Lüneburger Sinfoniker gut im Griff.
Fazit: Leider war der Besuch von Wildhorns „Dracula“ im Theater Lüneburg eine wirklich große Enttäuschung, die besonders auf die vollkommen unausgegorene Inszenierung mit wilden, scheinbar nicht zu Ende gedachten Regie-Einfällen sowie die vor allem gesanglich, aber auch darstellerisch oftmals nicht überzeugende Leistung des Dracula-Ensembles zurückzuführen ist. Sehr, sehr schade! Den einen Stern dürfen sich die musikalische Leitung sowie Kristian Lucas als Jonathan Harker zuschreiben.

Pattei83 (erste Bewertung)
    29794 Viele Fragezeichen
12.11.2012 - Dracula in Lüneburg - man macht sich ja schon für einige Überraschungen bereit, aber hier gab es diesmal Einiges zu bestaunen. Die Verlegung der Geschichte in die Neuzeit - von Transsylvanien in ein Hotel in Bristol und eine einem James-Bond-Film entlehnte Kulisse im 2. Akt, ist ja nicht unbedingt ein Grund zu meckern. Leider wurden aber viele Zusammenhänge zum Rest der Geschichte erschwert oder besser gleich gestrichen und die Story partiell sehr unverständlich. Diese Inszenierung hinterläßt viele Fragezeichen.
Es gab keinen Hinweis auf die erst mentale Verbindung zwischen Dracula und Mina wie in der Original-Story zwischen Transsylvanien und England - sie standen sich immer direkt gegenüber, das nahm der Geschichte einen Teil des Zaubers. Dadurch war natürlich auch die Zugsequenz überflüssig, ebenso wie das Versprechen, was Mina ihrem Mann, Jack und Quincey abnimmt, sie zu töten, wenn der Vampir Macht von ihr ergreift. Dafür himmelt Mina, nachdem Lucy unspektakulär von Van Helsing getötet wurde, Dracula an wie ein Teenager in der Twilight-Saga. Nach einem eher lächerlichen Kampf zwischen Dracula und Van Helsing, der sich in Bond-Manier als "Helsing... VAN Helsing" vorstellte, rauchen sie gemeinsam eine "Zigarette danach" - vereintes Kopfschütteln in meiner Umgebung. Am Ende wird Mina erschossen... hmmmm... aber es war ein beeindruckendes Bild, als der überlebende Dracula am Ende vor dem geschlossenen Vorhang steht - was immer uns der Regisseur mit dieser Wendung sagen will... Das hat alles nichts mehr mit Dracula von Bram Stoker und Wildhorn zu tun. Was die neonazi-artig gewandete Volksmenge ab und an auf der Bühne zu suchen hatte, ist auch nicht nur mir ein Rätsel gewesen.
Zu den Akteuren: Das Orchester war großartig, aber im Vergleich zu den Solisten und dem Ensemble meist viel zu laut - schade! Großartig fand ich Kristian Lucas als Jonathan, der sich vom verliebten Bräutigam zum überspannten Makler und am Ende Mörder seiner Frau entwickelt. Beeindruckend in seiner Körpersprache und Präsenz auf der Bühne, arrogant und verführerisch zugleich, sowie besonders seinen gefühlvollen Songs: Gerd Achilles als Dracula, wirklich eine perfekte Wahl für diese Rolle. Das Orchester hat es nur ab und an geschafft, ihn zu übertönen. Annabelle Mierzwa als Lucy war mir zwar etwas zu giggelig hysterisch angelegt, hat aber sonst mit Stimme und Spiel überzeugt. Vom Ensemble des Theaters Lüneburg fand ich MacKenzie Gallinger wieder großartig, auch wenn er als Renfield leider nur wenig zu singen hatte, er ist ein Hingucker! Die Besetzung von Mina und Van Helsing fand ich persönlich mit den sehr klassisch angehauchten Stimmlagen etwas unpassend, schauspielerisch waren sie für mich aber alle top! Steffen Neutze, Marcus Billen und Volker Tancke fand ich auch klasse, ihre Rollen sind aber im Rahmen der Kürzungen leider auch in der Wichtigkeit geschrumpft, sehr schade!
Wegen der großartigen Darsteller vergebe ich trotz der wirren Inszenierung 3 Sterne und werde mir die Show nächstes Jahr auch noch einmal anschauen. Ich hoffe auf eine ausgewogenere Tontechnik und evtl. die eine oder andere Änderung - in Lüneburg habe ich schonmal zu Anfang und Ende einer Spielzeit ein stark verändertes Stück erlebt, und ich hoffe in diesem Fall zum Besseren.

Lady Carmilla (7 Bewertungen, ∅ 4.6 Sterne)
    29788 Wnig dramatische Adaption des Musicals
11.11.2012 - Leider war ich etwas enttäuscht, als ich gestern die Premiere in Lüneburg verlies. Das die Geschichte in der Gegenwart angesiedelt war fand ich erstmal etwas verwirrend, wo ich doch die St. Gallener Inszenierung kannte, dann aber von der Idee recht interessant. Nur fehlten deshalb einige der wirklich guten Anfangs Szenen und Lieder. Auch wirkten die Dialoge etwas platt und aufgesetzt. Gerd Achilles als sexy Graf der mit seinem "Volk" ein Hotel in Bristol belagert war genial besetzt,leider im Gegenteil zu Franka Kraneis die mit einem operettenhaften Sopran die Mina der Neuzeit nicht wirklich gut rüberbrachte. Auch MacKenzie Gallinger, der den verückten und szizophrenen Renfield verkörperte war leider farblos. Dramaturgisch war das STück auch nicht wirklich gut aufgebaut, weil die wirklichen Höhepunkte nicht richtig ausgearbeitet wurden. Alles in allem leider nur passabel...

levitation (erste Bewertung)

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Die Kriterien für unsere Kurzbewertungen (Stand: Dezember 2014)
Buch*: Ist die Handlung in sich schlüssig? Kann die Story begeistern? Bleibt der Spannungsbogen erhalten oder kommt Langeweile auf?
NICHT: Besonderheiten der konkreten Inszenierung des Theaters.
Kompositionen*: Fügen die Kompositionen sich gut in das Stück ein? Haben die Songs Ohrwurmcharakter? Passen die gewählten Texte auf die Musik? Transportieren Text und Musik die selbe Botschaft?
NICHT: Orchestrierung, Verständlichkeit des Gesangs der Darsteller in der aktuellen Inszenierung.
* werden nur bei neuartigen Produktionen (z.B. Premiere, deutsche Erstaufführung usw.) vergeben
Inszenierung: Wie gut wurde das Stück auf die Bühne gebracht? Stimmen die Bilder und Charaktere? Bringt der Regisseur originelle neue Ansätze ein?
NICHT: Wie gut ist die Handlung des Stücks an sich oder die mögliche Übersetzung?
Musik: Kann die musikalische Umsetzung überzeugen? Gibt es interessante Arrangements? Ist die Orchesterbegleitung rundum stimmig? Muss man bei Akustik oder Tontechnik Abstriche machen?
NICHT: Sind die Kompositionen eingängig und abwechslungsreich? Gibt es Ohrwürmer? Gefällt der Musikstil?
Besetzung: Bringen die Darsteller die Figuren glaubwürdig auf die Bühne? Stimmen Handwerk (Gesang, Tanz, Schauspiel) und Engagement? Macht es Spaß, den Akteuren zuzuschauen und zuzuhören?
NICHT: Sind bekannte Namen in der Cast zu finden?
Ausstattung: Setzt die Ausstattung (Kostüme, Bühnenbild, Lichtdesign etc.) die Handlung ansprechend in Szene? Wurden die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten optimal genutzt? Bieten Bühne und Kostüme etwas fürs Auge und passen sie zur Inszenierung?
NICHT: Je bunter und opulenter ausgestattet, desto mehr Sterne.
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Leider keine aktuellen Aufführungstermine. |
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