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 Kult-Grusical
The Rocky Horror Show Don't Dream It, Be It!
© Udo Krause
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Wenn Richard O’Briens rockige Parodie auf das Gruselfilm-Genre auf dem Spielplan steht, resultieren daraus Sonderschichten für das Reinigungsteam eines Theaters. So auch an den Uckermärkischen Bühnen, deren kurzweilige Inszenierung (Winfried Schneider) durch tolle Darsteller und die Interaktionen mit dem Publikum getragen wird.
(Text: Kai Wulfes) Premiere: | | 08.03.2013 | Rezensierte Vorstellung: | | 08.03.2013 | Letzte bekannte Aufführung: | | 02.11.2013 |
Was passiert, wenn auf der Theaterbühne ein junges Pärchen während eines Gewittersturms mit seinem Auto abseits der Zivilisation liegen bleibt und sich Hilfe suchend an das Tor eines düsteren Schlosses flüchtet? Im Saal schwenkt dann ein auffällig kostümiertes Publikum Leuchtstäbe, schießt mit Wasserspritzpistolen und schützt sich mit Zeitungsbögen vor nassen Attacken der Sitznachbarn. Auch wenn bei der Premiere in Schwedt einige Besucher irritiert sind: Mitmachaktionen gehören zu „The Rocky Horror Show“ dazu und sind an den Uckermärkischen Bühnen in Schwedt ausdrücklich erwünscht. Daher werden unerfahrene Besucher vom Einlass kostenlos mit den erforderlichen Verhaltensregeln ausgestattet und können dort auch die für die Interaktionen erforderlichen Utensilien erwerben.
Durch diese inzwischen weithin üblichen Begleiterscheinungen besitzt Richard O’Briens Werk inzwischen einen solchen Kultstatus, dass jeder Regisseur gut beraten ist, die trashige Handlung mit tradierten Sehgewohnheiten und Abläufe zu bedienen. In Schwedt drückt Winfried Schneider seiner Inszenierung zusätzlich wohl dosiert einen eigenen Stempel auf: Da feiert zum Beispiel im ersten Bild eine maskenhaft-skurril geschminkte Hochzeitsgesellschaft, das Spießbürgertum findet seinen Ausdruck in Wackeldackel und umhäkelter Klorolle auf dem Armaturenbrett eines himmelblauen Trabant und Frank’N’Furter präsentiert seine Lustknaben-Kreation Rocky wie in einer Zaubershow aus einer zunächst leeren Kiste.
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Im aus zwei mobilen, durch Klappmechanismen äußerst wandelbaren Schlossmauermodulen bestehenden Bühnenbild von Daniel Gantz arrangiert Schneider sein Personal mit Tempo, Witz und viel Liebe zum Detail. Auch wenn es auf der breiten, nicht sehr tiefen Bühne manchmal eng wird und demzufolge einige Tanzschritte und Gesten sparsam ausfallen müssen, gelingt Schneider insbesondere in der Floorshow eine sehenswerte Revue-Choreografie der großen Posen.
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Mit viel Fantasie und um so weniger Stoff kleidet Thorsten Fietze den transylvanischen Transvestiten und die mit bizarren Haartrachten ausgestatteten Schlossbewohner, zu denen auch sechs Tänzerinnen und Tänzer gehören, ein: Auf viel nackter Haut dominieren aufreizende Lack-, Leder- und Tüllkreationen, während die unfreiwilligen Besucher unter ihrer braven Festgarderobe wenig lusterregende Unterwäsche tragen. Doch dank der lockeren Sitten lässt Spießerbraut Janet (Saskia Dreyer) schnell alle Hemmungen fallen und lebt ihre bisher unterdrückte Lust mit dem wasserstoffblonden Mucki-Mann Rocky (Peter-Benjamin Eichhorn) aus, der nicht nur ihren panzerartigen BH begrapschen darf.
Weniger Gefallen findet Janets schlaksig-tölpelhafter Partner Brad (Daniel Heinz) an der unfreiwilligen Begattungsepisode mit dem lüsternden Hausherrn im Strapslook. Dirk Weidner ist ein recht jung wirkender Frank’N’Furter, der zwar hingebungsvoll auf Absatzschuhen durch die Szenen stöckelt, andererseits den Transvestiten mit knackigem Rock-Bariton ohne Diven- oder Tuckengehabe herb-männlich anlegt. Ein rundum gelungenes Rollenporträt, das allerdings von Stefan Bräuler als Erzähler noch getoppt wird: Auch wenn das Publikum mit seinen „Boring“-Rufen versucht, dem im Landlordstil gekleideten Herrn aus dem Konzept zu bringen, zieht er mit einer Mischung aus Ignoranz, Langeweile und Resignation vor dem Chaos mit blasierter Mimik und kleinen Gesten sein Rollenportrait durch.
Zum homogen zusammengesetzten, musical-geschulten Hausensemble, das durchweg auf hohem Niveau singt, spielt und tanzt, gehören auch Nadine Aßmann und Ireneusz Rosinski als diabolisch-verwegenes Geschwisterpaar Magenta und Riff-Raff. Außerdem überzeugen Susanne von Lonski als quirlige Columbia sowie Andreas Goebel in einer Doppelrolle als Eddie und Dr. Scott (rollenweise mit Elvis-Tolle oder hitlereskem Schnauzbart). Fetzige Beats im satten Sound liefert die an der Bühnenrückwand auf einem Podest hinter schwarzer Gaze versteckte Rock-Band unter der Leitung von Tilmann Hintze.
© Udo Krause
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Unvorstellbar, dass „The Rocky Horror Show“, die im Juni 2013 vierzig Jahre auf dem Buckel hat, in absehbarer Zeit einen ernsthaften Konkurrenten bekommen könnte, der ihr den Titel als DAS Kultmusical streitig macht. Eine durch und durch gelungene, vom Publikum interaktiv mitgestaltete und bejubelte Aufführungen, wie sie jetzt an den Uckermärkischen Bühnen zu sehen ist, läßt keinen anderen Schluss zu.
(Text: kw)

Kreativteam
Besetzung
Produktionsgalerie (weitere Bilder)

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| Handlung | Nach einer Reifenpanne landet das prüde Pärchen Brad Majors und Janet Weiss auf dem Schloss des exzentrischen Wissenschaftlers Dr. mehr Frank 'n' Furter. Dieser nutzt die Gewitternacht, um seinen Traumliebhaber aus allerlei Zutaten (unter anderem Körperteilen seines Ex-Gelieben) zu erschaffen. Faszniert und angewidert zugleich lassen sich Brad und Janet in die kuriose Welt ziehen und schrecken schließlich auch nicht vor sexuellen Abenteuern zurück. Die Dienerschaft hat jedoch genug von diesem rücksichtslosen Verhalten und strengt noch in derselben Nacht eine Revolte gegen den Schlossherrn an, um zum Heimatplaneten Transylvania zurückkehren zu können.
Musik und Songtexte stammen von Richard O'Brien, der häufig auch in die Rolle des Dieners Riff Raff schlüpfte. Die Premiere fand am 16. Juni 1973 im The Royal Court Theatre Upstairs, der Studiobühne des Royal Court Theatres in London, statt. 1975 wurde die Verfilmung als "The Rocky Horror Picture Show" in die Kinos gebracht.
Berühmte Darsteller der Uraufführung waren unter anderem Tim Curry als Frank 'n' Furter, Richard O'Brien als Riff Raff und Little Nell als Columbia.
In der Filmversion übernahmen diese drei ebenfalls die gleichen Rollen und verhalten dem Film zu Kultstatus. Curry und O'Brien sind heute noch das Urbild von Frank 'n' Furter und Riff Raff. Neben diesen Darstellern waren zusätzlich Meat Loaf als Eddie und Susan Sarandon als Janet zu sehen.
Die "Rocky Horror Show" wie auch "The Rocky Horror Picture Show" leben ihren Kultstatus vor allem durch die Interaktion des Publikums. Fliegender Reis, der Einsatz von Wasserpistolen, Gummihandschuhen, Zeitungshüten und rollenspezifische Kostüme sind keine Seltenheit. Ein Versuch von Richard O'Brien, die Show wieder zu einem normalen Theaterstück zu machen, scheiterte aufgrund es Widerstands des Publikums im Jahr 2007 kläglich.
Ergänzend ein kleiner Mitmach-Guide zur Bühnenversion. Bitte darauf achten, dass z.B. Wasserpistolen und vor allem offenes Feuer in Theatern ungerne gesehen sind, OpenAir sind sie meist kein Problem. Toastbrotscheiben sind meist aus hygienischen Gründen verboten.
Reis: Brad und Janet besuchen zu Beginn des Stücks die Hochzeit von Ralph und Betty. Wenn die beiden aus der Kirche kommen, darf ordentlich Reis geworfen werden.
Wasserpistolen/Zeitungen: Brad und Janet machen sich auf den Weg zu Ihrem ehemaligen Professor Dr. Scott. Dabei geraten sie in ein Gewitter. Zeit für die Wasserpistolen und Hüte aus Zeitungen.
Taschenlampe/Wunderkerzen: ... und schon wenige Sekunden später sehen sie das Schloss von Frank'N'Further. Im Song erklingt "There's a light" und Taschenlampen/Wunderkerzen unterstützen das Bild.
Tröten: Einige Zeit später hält Frank'N'Further seine Schicksalsrede und endet mit (z.B. "Ich halte den Schlüssel des Lebens in meinen Händen"). Wir nehmen sie nicht so ganz ernst und tröten los.
Gummihandschuh: Im Labor angekommen zieht sich Frank seine Handschuhe an/aus. In dem Moment, in dem er damit schnalzt, darf auch das Publikum es ihm gleich tun.
Klopapier: Frank'N'Further hat mit Rocky den für sich perfekten Mann geschaffen. Meist erscheint er wie eine Mumie und wird ausgewickelt. Was liegt näher, als mit Klopapier zu werfen? Tipp: Das Papier zunächst etwa 2 Meter abwickeln, das Ende festhalten und dann die Rolle werfen. Macht natürlich von hinten nach vorne bzw. vom Rang am meisten Spaß.
Reis/Konfetti: Wohl dem, der nicht den ganzen Reis bereits in der ersten Szene geworfen oder noch Konfetti dabei hat. Wenn Frank und Rocky in die Hochzeitsnacht entschwinden, bricht der zweite Reis/Konfettisturm los.
Glöckchen: In "Planet Schmanet" heißt es genau hinhören. Ein einziges Mal im Song kommt die Stelle "When we made it, did you hear a bell ring?". Wer das Glöckchen schnell genug gezückt hat, bimmelt los.
Spielkarten: Die Geschichte entwickelt sich nicht zu Franks Vorteil und er stimmt "I'm Going Home" an. Darin singt er auch von "Cards of Sorrow, Cards of Pain". Mit zwei Fingern wie eine Frisbee geschnippte Spielkarten fliegen besonders gut.
Mitmachspielchen im Text:
Der Erzähler unterbricht die Handlung des Stücks regelmäßig und deutet sie. Die Texte sind manchmal etwas langatmig. Da kommt ein beherztes "BORING!" (Langweilig!) gerade recht. Wann entscheidet jeder Zuschauer für sich. Unser Tipp ist, den Erzähler zunächst ein paar Sätze erzählen zu lassen, dann passt's besser als wenn er schon beim Betreten der Bühne mit "BORING!" übertönt wird.
Eddy hat kein wirkliches Glück im Stück und scheidet so viel zu früh dahin. Aber darüber spricht man nicht. Immer wenn irgendwo im Text der Name "Eddy" fällt, machen wir "Schhhhhhh...." oder "Psssssst".
Der richtige Name "Dr. von Scott" ist den wenigsten bekannt. So wird er immer nur "Dr. Scott" genannt. Den kennen wir allerdings nicht. Daher rufen wir immer, wenn "Dr. Scott" in einem Text aufkommt "Who?!" ("Huu'?").
Im Laufe der Geschichte gibt es eine Szene, die die Konzentration des Publikums auf die Probe stellt. Nämlich genau dann, wenn Dr. Scott, Eddy, Brad und Janet aufeinandertreffen.
Echte Fans kommen gerne verkleidet. Dabei stehen vor allem die Charaktere Frank'N'Further, Magenta, RiffRaff und Rocky hoch im Kurs. Eher selten sieht man einen Brad oder eine Janet. Wer sich nicht enscheiden kann, kann immer auch als Transilvanian kommen. Dabei ist fast alles erlaubt, das schräg ist. Am Besten einfach einen Blick in den Film oder die Bildersuche bei Google werfen. Geschminkte Lippen und Augen sind bei Männern keine Seltenheit und es darf auch (passend zur Rolle) Haut gezeigt werden.
Der Einsatz der Requisiten ist je nach Publikum und Theater unterschiedlich. Echte Fans haben (fast) alles dabei, andere nur Klopapier und Reis. Die meisten Theater wissen was auf sie zukommt und nehmen die Einlasskontrollen daher weniger ernst, es gab schon Aufführungen, in denen die Taschen verkleideter Zuschauer nicht durchsucht wurden, aber die der Anzugträger. Wichtig ist, die Regeln des Theaters (z.B. kein Feuer) einzuhalten. Spannend sind vor allem die Momente, in denen unwissende Zuschauer von den Ritualen überrascht werden. Die meisten nehmen es mit Humor. Beim Einsatz der Mitbringsel gillt: Gemeinsam Spaß haben steht ganz oben. Also keinen Wasserstrahl direkt in den Nacken des Vordermanns richten, nicht mit Taschenlampen in die Augen blenden usw. Wer das beherzigt, wird schnell Teil der Show und verbringt einen sehr interaktiven Theaterabend.
(Im Lexikon findet sich neben weiteren Infos auch ein Mitmach-Guide mit allen wichtigen Mitbringseln zur Show)
| Weitere Infos | (Im Lexikon findet sich neben weiteren Infos auch ein Mitmach-Guide mit allen wichtigen Mitbringseln zur Show)
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Die Kriterien für unsere Kurzbewertungen (Stand: Dezember 2014)
Buch*: Ist die Handlung in sich schlüssig? Kann die Story begeistern? Bleibt der Spannungsbogen erhalten oder kommt Langeweile auf?
NICHT: Besonderheiten der konkreten Inszenierung des Theaters.
Kompositionen*: Fügen die Kompositionen sich gut in das Stück ein? Haben die Songs Ohrwurmcharakter? Passen die gewählten Texte auf die Musik? Transportieren Text und Musik die selbe Botschaft?
NICHT: Orchestrierung, Verständlichkeit des Gesangs der Darsteller in der aktuellen Inszenierung.
* werden nur bei neuartigen Produktionen (z.B. Premiere, deutsche Erstaufführung usw.) vergeben
Inszenierung: Wie gut wurde das Stück auf die Bühne gebracht? Stimmen die Bilder und Charaktere? Bringt der Regisseur originelle neue Ansätze ein?
NICHT: Wie gut ist die Handlung des Stücks an sich oder die mögliche Übersetzung?
Musik: Kann die musikalische Umsetzung überzeugen? Gibt es interessante Arrangements? Ist die Orchesterbegleitung rundum stimmig? Muss man bei Akustik oder Tontechnik Abstriche machen?
NICHT: Sind die Kompositionen eingängig und abwechslungsreich? Gibt es Ohrwürmer? Gefällt der Musikstil?
Besetzung: Bringen die Darsteller die Figuren glaubwürdig auf die Bühne? Stimmen Handwerk (Gesang, Tanz, Schauspiel) und Engagement? Macht es Spaß, den Akteuren zuzuschauen und zuzuhören?
NICHT: Sind bekannte Namen in der Cast zu finden?
Ausstattung: Setzt die Ausstattung (Kostüme, Bühnenbild, Lichtdesign etc.) die Handlung ansprechend in Szene? Wurden die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten optimal genutzt? Bieten Bühne und Kostüme etwas fürs Auge und passen sie zur Inszenierung?
NICHT: Je bunter und opulenter ausgestattet, desto mehr Sterne.
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Leider keine aktuellen Aufführungstermine. |
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