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 Revue
SHOW ME Glitzer-Unterhaltung
© Robert Grischek
© Robert Grischek
Trotz guter Ausgangsbedingungen (Idee, Ausstattung, Sänger und Ballett-Ensemble) schleppt sich die Show in die Pause, um in den abschließenden sechzig Minuten aufzudrehen und für Aha-Erlebnisse zu sorgen.
(Text: Kai Wulfes) Premiere: | | 18.10.2012 | Rezensierte Vorstellung: | | 17.10.2012 | Letzte bekannte Aufführung: | | 19.07.2014 |
„Mit vielen Vitaminen“. „Aus Vollkorn“. „Ohne Fett“. Mit diesen und ähnlichen Versprechen suggeriert die Lebensmittelindustrie eine Wertigkeit, die sich nach dem Blick auf die klein gedruckte Zutatenliste oft in Luft auflöst. Ähnlich verhält es sich mit dieser neuen Revue: Die Marketingleute des Friedrichstadt-Palastes protzen mit dem gewaltigen Neun-Millionen-Euro-Produktionsbudget (eine Million mehr als der zwei Jahre alte Vorgänger), prahlen mit Kostümen des Haute-Couture-Designers Christian Lacroix, versprechen „Bühnenbilder aus Sand“ und ziehen als Fazit: Glamour is back. „SHOW ME“ hält diesen Phrasen allerdings nur bedingt stand.
Den Ausgangspunkt des von Roland Welke und Jürgen Nass erdachten und inszenierten Spektakels bildet eine frappierend gute Idee: Längst vergessen geglaubte Revue-Schätze aus den 1920er bis 1940er Jahren, den Glanzzeiten des Genres, werden gehoben, um zu schauen, wie deren damalige kreative Ikonen Busby Berkely, Florenz Ziegfeld und Esther Williams diese mit den technischen Möglichkeiten von heute realisieren würden. Diesen Ansatz verkündet zu Beginn eine Lautsprecherstimme und versetzt das Publikum auf den Grund eines Gewässers. Einem Schwarz-Weiß-Film gleich warten hier die Revue-Relikte in einer atemberaubend schönen wie skurrilen Silberoptik (Show Couture Design in der Eröffnungssequenz und im Finale: Christian Lacroix) auf ihre Wiederentdeckung.
Fred Astaire und Ginger Rodgers stehen ebenso auf dem gewaltigen, mobilen Glitzer-Treppenpodest (Bühnenbild: Joe Atkins, John Stillwell) wie ein schnurrbärtiger Herr mit Koffer (Charly Chaplin?). Doch wo sind die angekündigten Berkely, Ziegfeld und Williams? Jedenfalls nicht in dieser Show. Bis zum Finale treten sie weder persönlich in Erscheinung, noch wird jemals wieder ein Wort über sie verloren, denn gesprochen wird ohnehin den ganzen Abend nicht mehr. Hilfestellung zum Geschehen liefert allein das Hochglanz-Programmheft, das sowohl die Spezialgebiete der drei Revue-Dinosaurier als auch deren moderne Umsetzung in der Show erläutert. Wer nicht zusätzlich bezahlen will, der wird mit einem beliebig austauschbaren Potpourri an Bildern konfrontiert, dessen Sinn im Dunkeln bleibt. So reiht sich bis zur Pause ein poetisches, dann wieder knallig-buntes Revue-Tableau an das nächste. Fazit von Teil I: wenig spektakulär und wegen seiner dürftigen Dramaturgie auch langweilig.
Wohin mag nur das üppige Produktionsbudget geflossen sein? In die versprochenen „Bühnenbilder aus Sand“ - gemeint ist damit die mit diesem Strandbelag ausgelegte, herauffahrende Unterbühne - wohl kaum. Über diesem gewaltigen Rund windet sich eine einsame Meisterin des Pole Dance („Cleo“) an einer Stange, während darunter Ballett-Herren ihre Hüften kreisen lassen. Wenig glamourös und ebenso kostengünstig wie optisch peinlich ist das knappe Dutzend Schaum-Kuben, das Marilyn-Doubles durch Hineinhüpfen nur deshalb zerstören, damit deren mickrige Reste zur Entsorgung von zwei Windmaschinen quer über die fast leere Bühne geblasen werden. Auch scheint den Verantwortlichen nicht bewusst zu sein, dass ein einsamer Künstler, der kunstfertig mit Seifenblasen spielt (Jano Urmankovic) auf der nach Veranstalterangaben „größte Theaterbühne der Welt“ ziemlich verloren wirkt.
Nach der Pause ahnt das Publikum allerdings, wohin der Neun-Millionen-Etat geflossen ist, denn in der verbleibenden Stunde protzt der Friedrichstadt-Palast zumindest optisch: Da werden prächtige Roben vorgeführt, menschliche Harfen auf die Bühne gerollt (Kostümbild: Uta Loher und Conny Lüders) und aus über 20 Metern Höhe tosen zwischen von der Decke baumelnden Tänzer-Mobiles funkelnd beleuchtete Wassermassen auf die herabgefahrene Unterbühne.
Wie befreit, gewinnt jetzt auch die Show an Tempo, versprüht Witz (Damen-Stripeinlage im Schwarz-Licht), und das zwölfköpfige Choreografien-Team führt das bis dahin unauffällig-routinierte Ballett-Ensemble nach Ausflügen ins Hiphop-Genre, Tango-Geschiebe und Schreit-Dreh-Showtanz von der Stange zu Höchstleistungen. Zu sehen sind rasante Sprünge der Herren im Wasserbecken (Choreografie: Aliaksei Uvarau), eine frappierend originell arrangierte Girl-Reihe (Choreografie: Natricia Bernard) sowie ein grandios im Modern Dance Style tanzendes Solo-Paar (Helena Polcikova und Dimitri Genco; Choreografie: Alexandra Hipwell). Auch die atemberaubende Artistik-Einlage am Fangstuhl (Duo Aragorn) hat endlich Klasse.
Für „SHOW ME“ hat der Friedrichstadt-Palast eine Musikauswahl zusammengestellt, die zum größten Teil aus Neukompositionen besteht. Die Melodien, die Daniel Behrens (auch musikalischer Leiter der Show-Band), Anja Krabbe, Frank Kretschmer und Martin Wingerath erdacht haben, besitzen wenig Eigendynamik und wirken wie belanglose Gebrauchsmusik. In dieser Mischung aus Rock, Pop-Ballade, Latino-Disco-Gestampfe und Supermarktbeschallung bleibt kaum ein Motiv im Gehörgang hängen. Die ebenerdig am hinteren Bühnenende postierte Band und das in eine Box in der rechten Wandverkleidung ausgelagerte kleine Streicher-Ensemble produzieren eine sehr elektrolastige Begleitung, in die Hintergrund-Stimmsamples gemischt werden. Daraus und aus den Stimmen von Oscar Loya, Talita Angwarmasse, Gina Marie Hudson und Amber Shoop hat Cedric Beatty ein derartig kristallklar-perfektes Sounddesign gebastelt, dass zumindest bei den Sängerinnen keine individuelle Stimmfärbung mehr auszumachen ist. Alle vier Sänger sind stimmlich hervorragend, wobei die Damen in ihren Glitzerkleidern mit erotischem Hüftschwung und Loya mit einem perfekt modellierten Oberkörper überzeugen. Auch hier gilt: Eine ansprechende Verpackung kann so manchen Makel kaschieren. Und sei es eine erst nach der Pause in Fahrt kommende, dann aber wirklich glamouröse Show.
(Text: kw)

Kreativteam
Besetzung
Frühere Besetzungen? Hier klicken Gesangssolist: Oscar Loya [bis 31. Juli 2013]
Singers: Talita Angwarmasse, Gina Marie Hudson, Amber Schoop [bis 31. Juli 2013]
Produktionsgalerie (weitere Bilder)
Zuschauer-Rezensionen
Die hier wiedergegebenen Bewertungen sind Meinungen einzelner Zuschauer und entsprechen nicht unbedingt den Ansichten der Musicalzentrale.
 3 Zuschauer haben eine Wertung abgegeben:

    29827 SHOW ME - Now!
14.12.2012 - Was für eine Show. Im letzten Jahr war ich zum ersten mal im Friedrichstadtpalast bei YMA und sehr entäuscht. Meiner Meinung nach wurden die Möglichkeiten des Hauses nicht genutzt.
Dennoch habe ich mich entschieden SHOW ME im weihnachtlichen Berlin (ein Erlebnis für sich) einen Besuch abzustatten.
Ich kann meine Begeisterung kaum bremsen. Die Show macht einfach Spass. Keine aufgesetzte Story, eine tolle Bühne und 2 Stunden beste Unterhaltung. Was will man mehr.
Endlich wird auch mal das Thema Wasser in diversen Dimensionen genutzt. Sei es beim klassischen Wasserballett, einer hervorragenden Tanznummer der Männer im knöcheltiefen Wasser oder der beeindruckende Wasserfall. Durch Laserstrahlen werden daraus tausende Diamanten die zur Erde prasseln.
Zusammen mit dem genialen wie einfachen Bühnendesign in Form von Bögen entstehen wunderbare Dimensionen auf der Bühne. Ganz zu schweigen von der Farbenpracht und Optik in Form der Kostüme. Der Act vor der Pause lässt nur ansatzweise vermuten, was auf der Bühne los wäre, wenn man die Eisfläche auch regulär nutzen würde.
Die Solisten sind gut, aber heben sich kaum ab. Leading Man und Leading Ladys gibt es nicht. Die Musik ist dennoch mitreißend. Mal klassisch - mal modern.
Wer einen unetrhaltsamen Abend mit toller Show, unterhaltsamer Akrobatik, Spass und einem hervorragenden Ensemble erleben will, sollte sich die Show nicht engehen lassen.
Da die Bühne noch offener ist als bei YMA sieht man auch von den seitlichen Plätzen alles was an Artistik geboten wird. Nur die Rückwand der Bühne und das dort platzierte Orchester ist nicht zu sehen.

mrmusical (92 Bewertungen, ∅ 3.8 Sterne)
    29815 Langweilig
04.12.2012 - Sorry, aber bei allem Verständnis für die Begeisterung über das riesige Ensemble und die schöne Optik: Diese Show ist wohl das langweiligste, was ich dort in den letzten 10 Jahren gesehen habe. Müde Artistik, abgesehen von der Trapeznummer, null roter Faden, einige extrem unsauber und unsynchrom getanzte, nicht wirklich inspirierende Choreografien...kein Wunder bei eibem gefühlten Dutzend Choreografen...ich war froh, als ich wieder draußen war. Die Diskussionen hinterher in der Hotelbar waren spannender als die egsamte Show.

NordlichtHB (32 Bewertungen, ∅ 3 Sterne)
    29810 Auf Rekordjagd
03.12.2012 - Der Friedrichstadt Palast hat die größte Theaterbühne der Welt, mit über hundert Künstlern das größte Ensemble einer Ensuite Show, hat die längste Girlreihe der Welt, mit mehr als neun Millionen Euro den höchsten Produktionsetat, den dieses Haus jemals hatte, hat mit hundertfünfzigtausend Tickets einen neuen Vorverkaufsrekord aufgestellt, hat mit über 93% Zuschauerzustimmung zur neuen Show einen Riesenerfolg und zeigt mit SHOW ME wieder einmal die erfolgreichste und beliebteste Live Entertainment Show Berlins.
Im Detail könnte man Kleinigkeiten kritisieren:
SHOW ME ist nicht ganz so temporeich und sexy wie Vorgänger YMA, von Couturier Christian Lacroix hätte ich Originelleres und Glamouröseres erwartet, das Lichtdesign schafft nicht immer die passende Stimmung auf der riesigen Bühne.
Dennoch: Das Konzept stimmt, das Theater ist ausverkauft und das Publikum begeistert.
SHOW ME lässt staunen und unterhält bestens. Die neue Revue im ehrwürdigen Friedrichstadt Palast ist wieder einmal ein Must See in der Berliner Kulturszene.

kevin (202 Bewertungen, ∅ 3.4 Sterne) 
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Die Kriterien für unsere Kurzbewertungen (Stand: Dezember 2014)
Buch*: Ist die Handlung in sich schlüssig? Kann die Story begeistern? Bleibt der Spannungsbogen erhalten oder kommt Langeweile auf?
NICHT: Besonderheiten der konkreten Inszenierung des Theaters.
Kompositionen*: Fügen die Kompositionen sich gut in das Stück ein? Haben die Songs Ohrwurmcharakter? Passen die gewählten Texte auf die Musik? Transportieren Text und Musik die selbe Botschaft?
NICHT: Orchestrierung, Verständlichkeit des Gesangs der Darsteller in der aktuellen Inszenierung.
* werden nur bei neuartigen Produktionen (z.B. Premiere, deutsche Erstaufführung usw.) vergeben
Inszenierung: Wie gut wurde das Stück auf die Bühne gebracht? Stimmen die Bilder und Charaktere? Bringt der Regisseur originelle neue Ansätze ein?
NICHT: Wie gut ist die Handlung des Stücks an sich oder die mögliche Übersetzung?
Musik: Kann die musikalische Umsetzung überzeugen? Gibt es interessante Arrangements? Ist die Orchesterbegleitung rundum stimmig? Muss man bei Akustik oder Tontechnik Abstriche machen?
NICHT: Sind die Kompositionen eingängig und abwechslungsreich? Gibt es Ohrwürmer? Gefällt der Musikstil?
Besetzung: Bringen die Darsteller die Figuren glaubwürdig auf die Bühne? Stimmen Handwerk (Gesang, Tanz, Schauspiel) und Engagement? Macht es Spaß, den Akteuren zuzuschauen und zuzuhören?
NICHT: Sind bekannte Namen in der Cast zu finden?
Ausstattung: Setzt die Ausstattung (Kostüme, Bühnenbild, Lichtdesign etc.) die Handlung ansprechend in Szene? Wurden die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten optimal genutzt? Bieten Bühne und Kostüme etwas fürs Auge und passen sie zur Inszenierung?
NICHT: Je bunter und opulenter ausgestattet, desto mehr Sterne.
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