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 Komödie
High Society Schampus und ein Hummer zum Dessert. Alles andere als ein großer Wurf ist Cole Porters Blick auf die oberen Zehntausend in Potsdam. Allein die Ausstattung ist brillant für eine Aufführung, die daran scheitert, dass ein Schauspiel-Ensemble ein eher klassisches Musical geben muss.
(Text: Kai Wulfes) Premiere: | | 05.11.2011 | Rezensierte Vorstellung: | | 06.11.2011 | Letzte bekannte Aufführung: | | 30.10.2012 |
Es geht zu wie im "Sommernachtstraum": Zwischen den Bäumen im nächtlichen Park tummeln und necken sich liebestrunkene Pärchen in ausgelassener Stimmung. Spätestens wenn eines von ihnen im Schatten einer riesigen Disockugel eng umschlungen "Du gehst mir unter die Haut" anstimmt, entsteht der Wunsch, das Potsdamer Hans Otto Theater hätte Shakespeare und nicht das Musical "High Society" auf den Spielplan gesetzt. Wer sieht, wie Andrea Thelemann (Margret Lord) Peter Pagel (Seth Lord), dem jegliches Rhythmus- und Bewegungsgefühl fehlt, in dieser Tanzszene im wahrsten Sinne des Wortes durch den Porter-Evergreen schieben muss, hat Mitleid. Während Thelemann akzeptabel dazu singt, rezitiert Pagel die Texte in einer Mischung aus Rap und Sprechgesang. Grauenvoll.
Allerdings ziehen sich die stimmlichen und tänzerischen Defizite quer durch die Besetzung. Nicht erst beim Schlussapplaus wird sichtbar, mit wie wenig Begeisterung sich die Damen und Herren des hauseigenen Schauspielensembles durch das für sie nicht unbedingt zu den Kernkompetenzen gehörende Musical-Terrain quälen. Allein den als Personal der Upperclass-Familie Lord gastverpflichteten Darstellern (Cornelia Uttinger, Tamina Ciskowski, Juliane Maria Wolff, Raliza van Oijen, Ricardo Frenzel, Alen Vucko, Thorsten Kugler, Lorant Szekely) merkt man die Ausbildung in Gesang und Tanz an. Allerdings zeigt die eifrige und dennoch um Abstand zur Herrschaft bemühte Dienerschaft Marita Erxlebens (aus abwechslungsreichen Hebefiguren und wendige Schrittfolgen bestehenden) Choreografien wenig synchron.
Neben völligen Fehlbesetzungen, zu denen auch der mit scheppernd-verbrauchtem Tenor singende, fast teilnahmslos spielende Philipp Mauritz (George Kittredge) gehört, gibt es durchaus Lichtblicke: Als Schürzenjäger und Gin-Fan Onkel Willie tobt Bernd Geiling agil jedem Rock hinterher, lässt auch schon einmal im Eifer des Gefechts die Hosen herunter und führt mit sicherem Bariton den Showstopper "She’s got that thing" an.
Auch wenn der Hit "Wer wär‘ schon gerne Millionär" in der Interpretation von Jennifer Caron und Jon-Kaare Koppe als Klatschreporterpärchen sehr behäbig daherkommt, unterm Strich gehören beide auch darstellerisch zu den Pluspunkten der Produktion. Juliane Götz darf in der etwas undankbaren Rolle als auf jung getrimmte Göre Dinah Lord gemeinsam mit Franziska Melzer (Tracy Samantha Lord) die französische Version des Porter-Klassikers "I love Paris" singen. Dieses Duett gehört zu einem der stimmschöneren in der Show, während Melzer gemeinsam mit Eddie Irle (C. K. Dexter Haven) im wabernden Nebel beim berühmten "True Love" enttäuscht. Die ohnehin recht schmalzige Ballade gerät in dieser Interpretation sehr kitschig und „jaulend“, weil beide sowohl mit Höhenproblemen als auch mit unsauber intonierten Tönen in tieferen Lagen kämpfen. Als erst im Finale wieder zueinander findendes Paar sind Melzer und Irle allerdings optisch und darstellerisch gut.
Musikalisch leidet der Abend nicht nur unter falschen Tönen auf der Bühne, sondern auch unter dem unausgewogenen Orchesterklang der zehnköpfigen "H.O.T. Swing Kids". Ihr musikalischer Leiter Ludger Nowak hat zwar die ursprüngliche Bigband-Orchestrierung des Musicals in ein luftig-lockeres Swing-Arrangement überführt, muss allerdings auch im Interesse des direkt hinter ihm sitzenden Publikums Musiker, wie den sehr dominanten Zugpausoniste, im Zaum halten können.
Auch Regisseur Nico Rabenald hat die deutsche Textfassung (Hartmut H. Forche) an die Verhältnisse des Potsdamer Hauses angepasst, indem er zum Beispiel für die Gesangstexte keine einheitliche Sprache zulässt. So erklingt wahllos der eine Cole Porter-Song auf deutsch, der nächste auf englisch, und wie bereits erwähnt, weicht er in seiner Bearbeitung sogar auf eine französische Variante aus. Warum Rabenald für die Reprise von "True Love" die holperige Übertragung "Ich bin da für dich, du bist da für mich: Uns’re Liebe bleibt" ausgewählt hat, bleibt ebenso sein Geheimnis wie die Frage, warum er die Dialoge nicht stringenter gekürzt hat. Mit zweieinhalb Stunden wirkt diese „High Society“ sehr lang, auch wenn Rabenald in seiner Inszenierung auf Tempo setzt und den boulevardesken Charkater der Vorlage betont. Gerade in den Verwechslungsszenen gibt er dem Affen ordentlich Zucker und den Darstellern die Möglichkeit, ihre komische Seite auszuleben.
Bühnenbilderin Eva-Maria Declercq verlegt das Geschehen optisch in die Gegenwart und gestaltet mit nur wenigen Versatzstücken und einem fahrbaren Podest schnell wandelbar das schicke Anwesen der Familie Lord. Die dahinter projizierten, sich bewegenden und sehr authentisch wirkenden Computeranimationen (Alexander Arnold) vervollkommnen ein Ambiente, in dem sich Mann wie Frau nur von bekannten Designern einkleiden lässt. Karin Alberti imitiert gekonnt deren Entwürfe, staffiert aber auch Reporter und dienstbare Geister stilsicher aus. Allerdings reicht diese tolle Ausstattung bei Weitem nicht für eine gelungene Musical-Aufführung aus.
(Text: Kai Wulfes) 
Kreativteam
Besetzung
Produktionsgalerie (weitere Bilder)
Zuschauer-Rezensionen
Die hier wiedergegebenen Bewertungen sind Meinungen einzelner Zuschauer und entsprechen nicht unbedingt den Ansichten der Musicalzentrale.
 1 Zuschauer hat eine Wertung abgegeben:

    29302 Enttäuschung "Pur"!
06.11.2011 - Wer den Film kennt, wird enttäuscht sein!
Große Simmen fehlen ganz, auch bei der Musik sind Abstriche zu machen, denn dem Posaunisten macht es scheinbar Spaß,
die Musik von Cole Porter voll und ganz laut zu interpretieren.
Leider schauten sich die Darsteller auch selten an, standen sehr oft am Orchestergraben und sangen sehr lustlos ihre Songs!

Le Cuisinier (15 Bewertungen, ∅ 3.1 Sterne) 
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Die Kriterien für unsere Kurzbewertungen (Stand: Dezember 2014)
Buch*: Ist die Handlung in sich schlüssig? Kann die Story begeistern? Bleibt der Spannungsbogen erhalten oder kommt Langeweile auf?
NICHT: Besonderheiten der konkreten Inszenierung des Theaters.
Kompositionen*: Fügen die Kompositionen sich gut in das Stück ein? Haben die Songs Ohrwurmcharakter? Passen die gewählten Texte auf die Musik? Transportieren Text und Musik die selbe Botschaft?
NICHT: Orchestrierung, Verständlichkeit des Gesangs der Darsteller in der aktuellen Inszenierung.
* werden nur bei neuartigen Produktionen (z.B. Premiere, deutsche Erstaufführung usw.) vergeben
Inszenierung: Wie gut wurde das Stück auf die Bühne gebracht? Stimmen die Bilder und Charaktere? Bringt der Regisseur originelle neue Ansätze ein?
NICHT: Wie gut ist die Handlung des Stücks an sich oder die mögliche Übersetzung?
Musik: Kann die musikalische Umsetzung überzeugen? Gibt es interessante Arrangements? Ist die Orchesterbegleitung rundum stimmig? Muss man bei Akustik oder Tontechnik Abstriche machen?
NICHT: Sind die Kompositionen eingängig und abwechslungsreich? Gibt es Ohrwürmer? Gefällt der Musikstil?
Besetzung: Bringen die Darsteller die Figuren glaubwürdig auf die Bühne? Stimmen Handwerk (Gesang, Tanz, Schauspiel) und Engagement? Macht es Spaß, den Akteuren zuzuschauen und zuzuhören?
NICHT: Sind bekannte Namen in der Cast zu finden?
Ausstattung: Setzt die Ausstattung (Kostüme, Bühnenbild, Lichtdesign etc.) die Handlung ansprechend in Szene? Wurden die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten optimal genutzt? Bieten Bühne und Kostüme etwas fürs Auge und passen sie zur Inszenierung?
NICHT: Je bunter und opulenter ausgestattet, desto mehr Sterne.
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