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 Uraufführung
Der Sturm Friesen im Weltraum Heinz Rudolf Kunze und Heiner Lürig verlegen Shakespeares Drama in den Weltraum, und statt um Mailand und Neapel geht es in den Ränkespielen um Borkum und Baltrum. Einige witzige und schräge Ideen, aber auch viel Klamauk. Wer diese Art Humor nicht mag, ist hier verkehrt.
(Text: Robin Jantos) Premiere: | | 07.07.2011 | Rezensierte Vorstellung: | | 07.07.2011 | Letzte bekannte Aufführung: | | 07.08.2011 |
Ein friesischer Seemann auf Weltraummission, der nicht sonderlich helle ist, bayerisch spricht und betrunken ist. Sie finden den Gedanken witzig-schräg? Dann könnte dieses Musical etwas für Sie sein. Wenn nicht, dann wird die Kunze/Lürig-Version von "Der Sturm" nicht Ihren Geschmack treffen. Obwohl "Der Sturm" eigentlich gar keine Komödie ist, ist diese Show auf Comedy getrimmt. Das ist streckenweise ganz unterhaltsam, dann aber auch wieder langweilig, weil niemand die Handlung ernst nimmt. Wirklich gelungen ist Sebastian Strehlers Ariel - ein gut gelaunter Geist, der im Auftrag des aus seinem Königreich vertriebenen Zauberers Prospero die Strippen zieht. Ganz in Gold gehüllt ähnelt er den fest installierten Figuren, die im Gartentheater den Bühnenraum begrenzen. Mit viel Präsenz und Energie springt Strehler über die Bühne. Dass er sein Podest immer selbst abräumen muss, ist einer der gelungenen Running-Gags des Abends. Ebenfalls stark: Jörg-Heinrich Benthien als missgestalteter Hexensohn Caliban, der sich von Prospero um seinen Planeten betrogen fühlt. Benthien grunzt und knurrt die Rolle, bewegt sich viel am Boden, ist gesanglich auch in den Tiefen absolut sicher. Die Hauptfigur Prospero ist schon in der Vorlage sehr widersprüchlich. Der liebende Vater, der eine schelmische Intrigie zugunsten seiner Tochter spinnt. Der gealterte, verbitterte, vertriebene Exherrscher, der auf Rache sinnt. Der mächtige Zauberer, der Caliban unterwirft und ihn bis zuletzt schlecht behandelt. Der weise Mann, der seinen Feinden letztlich vergibt und sogar auf seine Zauberkraft verzichtet, um vom Sieger zum Bittsteller zu werden. Bernd Tauber spielt das alles solide durch. Aber was ist Prospero tatsächlich für ein Mensch? Was treibt ihn an? Eine Interpretation der Figur ist nicht zu erkennen. Auch Milica Jovanovic als Prosperos Tochter Mirakula bleibt sehr an der Oberfläche. Manuel Steinsdörfer als ihr Geliebter darf nicht viel mehr tun, als verliebt zu gucken. Dass Kunze/Lürig ihre Hochzeitsszene zu einem Brechstange-Showstopper ummünzen ("Wir haben da mal was vorbereitet", gefolgt von einem fröhlichen Mitklatsch-Schlager mit wenig Bezug zur Handlung), hilft den Figuren auch nicht gerade. Das Stück mit Friesen auszustatten und in den Weltraum zu verlegen, ist gar nicht das Problem. Im Gegenteil: Das funktioniert überraschend gut und bringt komische Momente, die nicht zulasten der Handlung gehen - etwa diverse Anspielungen in Text, Ausstattung (Bühne: Michael Goden, Kostüme: Petra Laas) und Choreografie (Verena Hierholzer) auf die Raumpatrouille Orion. Auch die zum Teil recht klischeehaften Nebenfiguren könnten in einer ernster angelegten Show witzige Kontraste bieten. Die Show würde es sogar überstehen, dass die Songs selten originell sind und die Shakespeare-Verse durch die Umtextungen an Wirkung verloren haben (anders als bei Kunzes gelungenen Übersetzungen im "Sommernachtstraum"). Das Problem ist - und das muss sich auch Regisseur Christian von Götz anlasten lassen -, dass diese Show ihre Hauptfiguren nicht ernst nimmt. Weil diese grundsätzliche Ernsthaftigkeit fehlt, wirken viele an sich gute Einfälle nicht witzig-schräg, sondern klamaukig. Am Premierenabend gab es freundlichen, aber nicht frenetischen Applaus. Die Zustimmung war im Publikum sehr unterschiedlich verteilt. Diese Art Humor ist nunmal Geschmackssache.
(Text: rj) 
Besetzung
| Prospero, rechtmäßiger König von Borkum | | Bernd Tauber, (Torsten M. Krogh)
| | | Mirakula, Prosperos Tochter | | Milica Jovanovic, (Merle Hoch)
| | | Ariel, ein Luftgeist | | Sebastian Strehler, (Sebastian Coors)
| | | Caliban, ein verunstalteter Sklave | | Jörg-Heinrich Benthien, (Steffen Häuser)
| | | Ferdinand, Alonsos Sohn | | Manuel Steinsdörfer, (Sebastian Coors)
| | | Berluscono, Prosperos Bruder | | Steffen Häuser, (Thomas Peters)
| | | Alonso, König von Baltrum | | Willi Schlüter
| | | Sebastian, Alonsos Bruder | | Fabian Joel Walter
| | | Gonzo, ein Ratsherr | | Torsten M. Krogh, (Thomas Peters)
| | | Adrian | | Sebastian Coors
| | | Hein, ein Kapitän | | Micha Westphal
| | | Fiete, ein Bootsmann | | Attila Maya-Olsen
| | | Syntax, eine Hexe | | Mirja Regensburg, (Merle Hoch)
| | | Ensemble | | Merle Hoch Thomas Peters
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| Handlung | Nach einem kosmischen Sturm stranden die Könige von Borkum und Baltrum auf dem Planeten Textura. mehr Dort wohnen der Zauberer Prospero, seine Tochter Mirakula und der missgestaltete Hexensohn Caliban. Mirakula verliebt sich den Königssohn Ferdinand, der seinen Vater für tot hält. Und bald stellt sich heraus, dass der Sturm kein Zufall war, sondern das Werk Prosperos. Der war früher König von Borkum und wurde von seinem Bruder vertrieben. Jetzt sinnt er auf Rache.
| Weitere Infos | Heiner Lürig und Heinz-Rudolf Kunze haben Shakespeares Drama von einer einsamen Insel in den Weltraum verlegt - wie es übrigens Anfang der neunziger Jahre auch beim Compilation-Musical "Shakespeare and Rock'n'Roll" die Grundidee war. Statt wie bei Shakespeare um italienische Herzögtümer wird bei Kunze und Lürig um friesische Königreiche gestritten. Premiere der Uraufführung war am 7. Juli 2011 in den Herrenhäuser Gärten (Hannover)
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Die Kriterien für unsere Kurzbewertungen (Stand: Dezember 2014)
Buch*: Ist die Handlung in sich schlüssig? Kann die Story begeistern? Bleibt der Spannungsbogen erhalten oder kommt Langeweile auf?
NICHT: Besonderheiten der konkreten Inszenierung des Theaters.
Kompositionen*: Fügen die Kompositionen sich gut in das Stück ein? Haben die Songs Ohrwurmcharakter? Passen die gewählten Texte auf die Musik? Transportieren Text und Musik die selbe Botschaft?
NICHT: Orchestrierung, Verständlichkeit des Gesangs der Darsteller in der aktuellen Inszenierung.
* werden nur bei neuartigen Produktionen (z.B. Premiere, deutsche Erstaufführung usw.) vergeben
Inszenierung: Wie gut wurde das Stück auf die Bühne gebracht? Stimmen die Bilder und Charaktere? Bringt der Regisseur originelle neue Ansätze ein?
NICHT: Wie gut ist die Handlung des Stücks an sich oder die mögliche Übersetzung?
Musik: Kann die musikalische Umsetzung überzeugen? Gibt es interessante Arrangements? Ist die Orchesterbegleitung rundum stimmig? Muss man bei Akustik oder Tontechnik Abstriche machen?
NICHT: Sind die Kompositionen eingängig und abwechslungsreich? Gibt es Ohrwürmer? Gefällt der Musikstil?
Besetzung: Bringen die Darsteller die Figuren glaubwürdig auf die Bühne? Stimmen Handwerk (Gesang, Tanz, Schauspiel) und Engagement? Macht es Spaß, den Akteuren zuzuschauen und zuzuhören?
NICHT: Sind bekannte Namen in der Cast zu finden?
Ausstattung: Setzt die Ausstattung (Kostüme, Bühnenbild, Lichtdesign etc.) die Handlung ansprechend in Szene? Wurden die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten optimal genutzt? Bieten Bühne und Kostüme etwas fürs Auge und passen sie zur Inszenierung?
NICHT: Je bunter und opulenter ausgestattet, desto mehr Sterne.
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Leider keine aktuellen Aufführungstermine. |
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