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Arena (2004)
Saarländisches Staatstheater, Saarbrücken

Was passiert, wenn sich ein Engel verliebt? Was wäre, wenn Menschen wüssten, wann sie sterben? – “Arena” bringt es an den Tag, im Manegenrund, in der Welt des Zirkus bleiben keine Fragen offen. Ein musikalisches Crossover-Projekt für zwei Schauspieler, zwei Opernsänger und zwei Rocksänger sowie einer Band lotet die Randbereiche der eingefahrenen Sparten aus, setzt neue Kräfte frei und wirft alle musikalischen Schubladen wild durcheinander.

Schauplatz des vom Saarländischen Staatstheater in Auftrag gegebenen Musicals ist eine Zirkusarena. Die Story spielt sich zunächst auf zwei Ebenen ab, die im Verlauf der Handlung zusammenfließen.
Dargestellt werden zum einen die Schicksale von den vier Mitgliedern eines am Rande des Ruins stehenden Zirkus. Sie zeigen bedingungslose Leidenschaft in ihrem Beruf während jeder Vorstellung, aber jeder einzelne hat mit einer persönlichen Krise zu kämpfen: Zirkusdirektor Alfredo zweifelt am Sinn seines Lebensinhaltes, dem Zirkus. Dompteurin Kitty ist drogenabhängig und innerlich geplagt von Angstzuständen, die sie im Rampenlicht in der Manege und gegenüber ihren Tigern mit Agilität und Vitalität zu überspielen versteht. Boudouno, der Entfesselungskünstler, leidet an einer lebensgefährlichen Krankheit und Betty, ein Musikclown, ist frustriert, unterfordert und strebt nach höherem, einer Opernkarriere. In einem Streit mit dem Direktor, auch ihr Ehemann, ist sie entschlossen, die Truppe zu verlassen, kann aber von den anderen zum Bleiben überzeugt werden.
All’ diese Geschehnisse werden, dies ist der zweite Handlungsstrang, von zwei Engeln beobachtet, einem Schutzengel („SIE”) und einem Todesengel („ER”). Beide haben einen Auftrag: SIE soll ein Unglück verhindern, ER ist gekommen, einen Menschen aus dem Leben zu holen. Näheres ist nicht bekannt. Während ER lediglich die planmäßige Erledigung des Auftrags im Sinn hat und dem Zirkusgeschehen sehr zynisch gegenübersteht, ist SIE, mit Enthusiasmus darauf bedacht, ihre Aufgabe zu erfüllen, beeindruckt von dem Können und den menschlichen Empfindungen der Artisten, die sie selbst als Engel nicht imstande ist nachzuvollziehen. Sie verliebt sich in den schwerkranken Boudouno. Gegen den Willen des Todesengels opfert SIE ihre Unsterblichkeit. Als SIE und der Entfesselungskünstler sich begegnen, verliebt auch er sich. Am Abend tritt SIE als mysteriöse Gedankenleserin in der Vorstellung auf und verhilft dem Zirkus so zum Erfolg. Doch bereits in der selben Nacht leitet ER Boudouno in den Tod. Als SIE erwacht, kann sie ihren Geliebten in der Dunkelheit der Nacht nicht mehr finden. Die Flamme, die SIE entzündet, um ihn zu finden, lässt den Zirkus niederbrennen und alle im Feuer umkommen. – Doch noch im Himmel existiert der Zirkus weiter: Die Vorstellung muss (immer) weitergehen…

Die Problematik des Stückes liegt in dem Konflikt, der durch die Zwiegespräche der beiden Engel besonders deutlich wird: Treibt die Menschen die Furcht vor dem Tod in die Illusionswelt des Zirkus, oder trägt nicht der Zirkus dazu bei, das menschliche Dasein lebenswerter zu machen? Hierin liegt auch für den Regisseur Gerhard Weber ein wesentliches Element des Stückes: „[…] was verliert man tatsächlich, wenn man gelebt hat, was gewinnt man dadurch im Tode umgekehrt.” Der Schutzengel muß sich durch das Herbeiführen der Katastrophe, die er („SIE”) eigentlich zu vermeiden versuchte, mit dem „Verlust des Lebens” abfinden, denn im Himmel erwartet ihn die Zirkusvorstellung. Hinzu kommt an dieser Stelle ein weiterer grundlegender Streitpunkt der Theaterwelt, der sich insbesondere zwischen dem Direktor Alfredo und Betty entwickelt: Der Konflikt zwischen kommerziellem Ertrag und künstlerischem Anspruch. Auch hier erweist sich die Lösung als sehr überspitzt: Sogar im Himmel muss die Show weitergehen.

Musikalisch ist `Arena´ nicht als durchkomponiertes Musical angelegt, sondern als Wechsel zwischen Dialogpassagen und Songs. Die gesprochenen Teile des Werkes sind in deutscher Sprache verfasst, die Songs teilweise in Englisch, teilweise in Deutsch. Gelegentlich wechselt die Sprache sogar innerhalb eines Liedes. Das ist auf die Dauer nicht nur verwirrend, sondern auch gänzlich unnötig. Frank Nimsgern baut bei den Songs nicht auf ausgefeilte Kompositionstechniken, sondern auf die Wirkung von Stilrichtung und Stimmung der Lieder, die er bestimmten Charakteren und Situationen zuordnet. So ist beispielsweise Kitty´s Auftritt mit ihren Tigern ein Hardrocker: „Tigerizer”. Das chansonhaft-jazzige „Schwestern” verdeutlicht Betty´s Verbundenheit mit Opernrollen, die sie als „Schwestern aus Tönen, aus Stimmen, aus Musik” persönlich anspricht, und das balladeske und schwermütige „Nur Staub” spiegelt Alfredos innere Niedergeschlagenheit wieder. Die Songs geben aber auch den Sängern die Möglichkeit, sich gemäß ihrer Stimmausbildung darzustellen, was in der Absicht des Creative Teams liegt. So ist „Tigerizer” für eine rockige Stimme geschaffen, in „Schwestern” und „Nur Staub” kann sich die klassische Gesangstechnik entfalten. Die Ballade, an die man sich bei `Arena´ letztlich wohl am ehesten erinnern dürfte, ist „Somewhere in Heaven”, in der Kitty dem verstorbenen Boudouno ihren Trost ausdrückt. Die Songs von Frank Nimsgern sind für sich genommen sehr gelungen, doch schießen sie teilweise über das Ziel der Situationsverstärkung hinaus, sind in der Handlung dann zu aufdringlich und lenken von der eigenen Problematik ab. In Kitty´s „Angst” beispielsweise wird ihr Kampf gegen die innere Angst durch den rockigen Refrain zwar untermalt, doch steht die Musik hier zu sehr im Vordergrund und verschleiert somit die eigentliche Aussage des Songs. Diese Ablenkung durch die Musik findet ihren Höhepunkt in einer Szene im zweiten Akt, in der Betty und Kitty in einem Medley bekannter Stücke des klassischen Repertoires (z.B. die Arie der Königin der Nacht aus Mozarts `Zauberflöte´ (Betty)) und der Pop-Musik (z.B. Madonnas „Like a Virgin” (Kitty)) ihre künstlerischen Ambitionen darlegen. Es besteht die zu große Gefahr, dass die Zuschauer lediglich darüber nachdenken, woher sie die zitierten Musikstücke kennen – und der eigentliche Sinn der Szene verloren geht. Die Einheit zwischen Musik und Story wirkt nicht gefestigt genug.

Lobenswert ist das Bühnenbild. Es gibt keine traditionelle erhöhte Bühne mit vorgestelltem Orchestergraben; die Spielfläche beginnt direkt vor der ersten Sitzreihe. Dargestellt ist eine Manege, zum Publikum hin offen, auf dem rechten Bühnenteil begrenzt durch eine leicht stufenförmig ansteigende und gebogene Andeutung der Sitzreihen eines Zirkus. Auf der obersten Stufe sind die Schminktische der Zirkusakteure platziert. Dahinter sitzt an der rechten Bühnenseite die Band. Der hintere und linksseitige Abschluß der Manege ist eine schräg nach hinten gekippte Zeltkuppel. Der Mast, der die Kuppel trägt, endet in der Mitte der Manege und dient dem Schutzengel als Aussicht, um aus der Höhe das Geschehen im Zirkus zu verfolgen. Ein vom Schnürboden aus nach oben und unten beweglicher Sitz ermöglicht es auch dem Todesengel, die Vorgänge aus unterschiedlichen Positionen zu betrachten.
Die Lichtgestaltung ist zweckdienlich, aber nicht überragend. Sie unterscheidet die Zirkusvorstellungen von den Szenen außerhalb der Show durch sehr bunte Ausleuchtung auf der einen Seite und einer eher dezenten auf der anderen. Aber gerade bei dem Brand des Zirkuszeltes hätte man beleuchtungstechnisch noch mehr erwarten können.

Die Choreographie von Ruben Reniers kann mit keinen wirklich zündenden Momenten aufwarten. Dies mag daran liegen, dass die Darsteller, die aus den Bereichen Schauspiel, Oper und Pop/Rock kommen nicht die gleichen tänzerischen Fähigkeiten besitzen, wie sich gerade bei „Life Fever” zeigt. Außerdem kann man entschuldigen, dass bei einem begrenzten Spielraum nicht mehr allzu viel Freiheit für choreographische Ausschweifungen bleibt.

Unter der zurückhaltenden Regie von Gerhard Weber konnten die Darsteller bei der Premiere vor allem in ihrem Zusammenspiel nicht immer ihre Situation glaubhaft und echt vermitteln. Matthias Girbig war in seiner Sprechrolle des zynischen und abgeklärten Todesengels am überzeugendsten. Guido Baehr als Zirkusdirektor Alfredo konnte vor allem stimmlich Punkte sammeln. Sein „Nur Staub” gelang ihm, auch schauspielerisch, am besten, während die Geldgier in „Geld schmeckt” noch etwas glaubwürdiger hätte werden können. Henrik Wager (Entfesselungskünstler Boudouno) bewies viel Bewegungstalent und eine gute Popstimme. Jedoch könnte er während der Dialoge noch mehr mit seiner Sprechstimme arbeiten. Oft wirkten seine gesprochenen Texte aufgesetzt, was besonders dann ins Gewicht fiel, wenn er auf andere Personen zu reagiere hatte. Auch Aino Laos als Dompteurin Kitty zeichnete sich durch ihre sichere Rockstimme aus. Doch gelang ihre schauspielerische Arbeit erst gegen Ende wirklich gut. Anfangs wirkten ihre Bewegungsabläufe, gerade bei „Tigerizer”, noch nicht sehr flüssig, fast unsicher. Erst bei „Somewhere in Heaven” ging sie spürbarer aus sich heraus. Sabine von Blohn konzentrierte sich vor allem stimmlich auf den Part der Betty. In dem Lied „Schwestern” und während der Szene, in der sie und Kitty abwechselnd die Musikstücke vortragen, die ihnen etwas bedeutet, versteht es Sabine von Blohn durch ihren Gesang das Talent ihres Bühnenegos Betty zu zeigen. Christiane Motter gab einen liebenswerten, wenn auch stimmlich etwas dünnen Schutzengel. Zuletzt soll die exzellente vierköpfige Band, die „Frank Nimsgern Group” nicht unerwähnt bleiben. Großartige Instrumentalisten! In diesem Zusammenhang sei auch auf den brillanten Sound von Wolfgang Schulz hingewiesen. Zum Stichwort Textverständlichkeit gab es im ersten Akt nur wenige Stellen, die einer Korrektur der Abmischung der Stimmen bedurft hätten, der zweite Akt gelang dann sehr gut.

Fazit: `Arena´ hat sowohl eine interessante Story, als auch gute Songs, nur hätten diese Elemente noch eingehender aufeinander abgestimmt werden müssen. Die Premiere war eine Aufführung mit viel Lobenswertem und wenigen Schwachstellen. Letztere werden sicherlich – vor allem was die darstellerischen Leistungen betrifft – mit zunehmender Routine abnehmen. Zudem ließe sich durch wenige geschickte Änderungen (beispielsweise beim Lichtdesign) die Intensität des Gesamteindrucks noch steigern.

 
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Di, 03.02.2004 19:30Saarländisches Staatstheater, Saarbrücken
Mi, 04.02.2004 19:30Saarländisches Staatstheater, Saarbrücken
Fr, 06.02.2004 19:30Saarländisches Staatstheater, Saarbrücken
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