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 Revue
Durchgeknallt im Elfenwald Von Shakespeare inspiriert.
© Udo Krause
© Udo Krause
Wenn zwei Liebespaare im Zauberwald umherirren, das Oberhaupt der Elfen Zoff mit seiner Ehefrau hat und ein übereifriger Faun den liebesbetörenden Nektar einer Zauberblume genau den falschen Partnern verabreicht, dann steht Shakespeares Sommernachtstraum-Komödie auf dem Spielplan. Die Uckermärkischen Bühnen Schwedt verweben die Vorlage mit bekannten Musicalsongs, und heraus kommt eine höchst vergnügliche Show mit tollen Darstellern aus dem hauseigenen Ensemble.
(Text: Kai Wulfes) Premiere: | | 02.10.2010 | Rezensierte Vorstellung: | | 17.10.2010 | Letzte bekannte Aufführung: | | 25.08.2013 |
Während Elfen und Faune Bände mit Shakespeares gesammelten Werken herbeischaffen, sortieren und aufstapeln, versucht der quirlige Waldgeist Puck zu Cole Porters "Schlag nach bei Shakespeare" genau das Buch herauszupicken, in dem er die Lösung zur Entwirrung aller entstandenen Liebes-Verwicklungen vermutet. Anders als bei den meisten Musical-Compilationshows werden in dieser auf "Ein Sommernachtstraum" basierenden Variante die Songs nicht auf Biegen und Brechen in den Text hineingepresst. Dem Autoren-Team (Jan Kirsten, Max Beinemann, Uli Hermann-Schroedter, Maren Rögner und Reinhard Simon) ist in Schwedt das Kunststück gelungen, die musikalischen Einsprengsel so punktgenau und selbstverständlich zu platzieren, dass der Eindruck entsteht, sie seien eigentlich für diese Show komponiert worden.
In die Handlung, die sich auf die Liebesirrungen und -wirrungen der Shakespeare-Komödie konzentriert und den rüpeligen Handwerker-Trupp durch ein keckes Trio aus Hase, Wildschwein und Bär ersetzt, sind allerdings nicht nur Hits aus klassischen Musicals wie zum Beispiel "Annie Get Your Gun", "My Fair Lady" oder "Cabaret" eingebettet. Mit viel Fingerspitzengefühl und Liebe zum Genre schöpfen die Autoren die volle musikalische Bandbreite von Sondheim ("Into the Woods"), über Webber-Kompositionen (unter anderem "Cats", "Starlight Express"), oder Songs aus Disney-Shows ("Aida", "Tarzan") und anderen Großproduktionen ("Tanz der Vampire", "Mamma Mia!“) aus. Begleitet von einer kleinen aber feinen Fünf-Mann-Band (musikalische Leitung: Uli Hermann-Schroedter) wird sowohl in Originalsprache gesungen, aber auch in deutscher Übersetzung oder mit neuem Text. Ob allerdings Bernsteins "West Side Story“-Song "Maria" als "Hermia" in den Elfenwald einziehen sollte, ist Geschmackssache.
Das Konzept eines aus vielen Zutaten zusammengeschüttelten Musical-Cocktails setzt Ausstatter Roy Spahn optisch originell in Szene. Das Publikum blickt zunächst auf kahle, die gesamte Bühnenbreite einnehmende Baumstämme. Wenn sich jedoch der damit bemalte Gaze-Vorhang hebt, erscheint im Wald eine aus mehreren Spielebenen bestehende, flache Lichtung, deren "Bepflanzung" aus überdimensionalen Strohhalmen, Olivenspießen, einem Schirm und Glitzerpapier-Palmen besteht. In dem von einer Maraschino-Kirsche bekrönten Bühnenraum sorgen ein verstecktes Trampolin und eine Rutsche, die sich im Finale in eine glitzernde Show-Treppe samt Ananasscheibe als Eingangstor verwandelt, für abwechslungsreiche Auftrittsmöglichkeiten. Spahns Kostümbild hingegen ist traditionell: Elfen sind beflügelte Wesen, Faune behaarte Teufelchen und die Liebespaare aus dem antiken Griechenland kleiden sich in helle, fließende Gewänder.
Reinhard Simon inszeniert den Sommernachtstraum flüssig, garniert mit einer Fülle origineller Einfälle. So nutzt Puck seinen langen Schwanz als Handy oder pinselt mit ihm Botschaften auf Ahornblätter, die ihm aus dem Orchestergraben heraufgereicht werden. Auch wenn die Show mit Zugaben fast drei Stunden dauert: Simons Regiearbeit unterhält ihr Publikum prächtig, ohne zotig oder albern zu sein. Für Action und Bewegung sorgen nicht nur artistische Einlagen (Strapatenkünstlerin Sandra Boldt), sondern auch die Choreografien von Detlef Völker. Hier wäre allerdings weniger mehr gewesen. Völker lässt fast jeden Song "betanzen", was zum Beispiel beim balladesken Duett "Die Schöne und das Biest" wie Eiskunstlauf ohne Schlittschuhe wirkt.
Im Zentrum der Aufführung steht Susanne von Lonski, die als behaarter, kecker Waldgeist trotz kostümbedingtem Bauchansatz wie ein Wildfang über die Bühne tobt. Mit ihrem schier unerschöpflichen Mimik- und Gestik-Repertoire, einer variantenreichen Sprechstimme und wohldosierter Komik ist sie mit Haut und Haar der Puck. Dazu perlt ihr elegant-klarer Sopran mit einer Substanz durch die Songs, dass es einem den Atem raubt. So zum Beispiel im Duett "Das Phantom der Oper", wenn sie im rot-weißen Petticoat über der Ganzkörper-Haartracht die Posen einer Operndiva karikiert, oder an der Seite zweier Elfen in "Two Ladys" ganz unverkrampft ihr tänzerisches Können zeigt. Von Lonski stimmlich absolut ebenbürtig ist Manja Stein (Hermia, Wildschwein II), die zum Beispiel die Ballade "And I Am Telling You, I'm Not Going" aus "Dreamgirls" frontal vor dem Publikum stehend interpretiert, den dramatischen Inhalt des Songs dabei mit jeder noch so kleinen Bewegung lebt. Eine brillante wie bewegende Darstellung mit großer, sicher geführter Stimme mit Format. Im Duett "Totale Finsternis"“ aus "Tanz der Vampire" harmoniert sie perfekt mit dem geschmeidig-samtenen Bariton von Dirk Weidner (Lysander), der als Bär im Lackoutfit auf Stöckelschuhen als "Sweet Transvestite" so richtig losrockt.
Als frustrierte Elfen-Königin Titania setzt Ines Heinrich ihren dunkel timbrierten Sopran zum Beispiel in "Der Sieger hat die Wahl" so richtig in Szene, als Ehemann Oberon trumpft Stefan Bräuler mit "Ich bin gewöhnt an ihr Gesicht" gleich nach der Pause auf. Allerdings hat sein Bariton gerade in höheren Lagen einige Intonationsschwierigkeiten, Bräulers Spiel als Schlaffi-Ehemann lässt das allerdings schnell vergessen. Claire Varga rennt als Helena ihrem angebeteten Demetrius (stimmstark: Bernd Lambrecht) hinterher und gibt dem bis zum Spitzenton klar gesungenen "Ich gehör nur mir" eine ganz neue Bedeutung. Auch das restliche Ensemble ist stimmig besetzt, sodass an "Durchgeknallt im Elfenwald" eigentlich nur eines stört: Der blöde Titel der Show.
Eine Sommernachtstraum-Musical-Revue von Jan Kirsten, Max Beinemann, Uli Hermann-Schroedter, Maren Rögner und Reinhard Simon
(Text: kw)

Verwandte Themen: Produktion: Hinterhalt im Elfenwald (Uckermärkische Bühnen Schwedt (ubs) Schwedt (Oder))
Kreativteam
Besetzung
Produktionsgalerie (weitere Bilder)
Zuschauer-Rezensionen
Die hier wiedergegebenen Bewertungen sind Meinungen einzelner Zuschauer und entsprechen nicht unbedingt den Ansichten der Musicalzentrale.
 1 Zuschauer hat eine Wertung abgegeben:

    28911 Der Titel paßt zum Rest !
13.01.2011 - Was für ein Geniestreich!
Habe selten so gelacht!
Welche tolle Idee auf
Arien von Highlights von
Musicals!
Nochmals 5 Sterne!
Toll! Und Ohne Worte!
Gerne wieder!

Le Cuisinier (15 Bewertungen, ∅ 3.1 Sterne) 
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Die Kriterien für unsere Kurzbewertungen (Stand: Dezember 2014)
Buch*: Ist die Handlung in sich schlüssig? Kann die Story begeistern? Bleibt der Spannungsbogen erhalten oder kommt Langeweile auf?
NICHT: Besonderheiten der konkreten Inszenierung des Theaters.
Kompositionen*: Fügen die Kompositionen sich gut in das Stück ein? Haben die Songs Ohrwurmcharakter? Passen die gewählten Texte auf die Musik? Transportieren Text und Musik die selbe Botschaft?
NICHT: Orchestrierung, Verständlichkeit des Gesangs der Darsteller in der aktuellen Inszenierung.
* werden nur bei neuartigen Produktionen (z.B. Premiere, deutsche Erstaufführung usw.) vergeben
Inszenierung: Wie gut wurde das Stück auf die Bühne gebracht? Stimmen die Bilder und Charaktere? Bringt der Regisseur originelle neue Ansätze ein?
NICHT: Wie gut ist die Handlung des Stücks an sich oder die mögliche Übersetzung?
Musik: Kann die musikalische Umsetzung überzeugen? Gibt es interessante Arrangements? Ist die Orchesterbegleitung rundum stimmig? Muss man bei Akustik oder Tontechnik Abstriche machen?
NICHT: Sind die Kompositionen eingängig und abwechslungsreich? Gibt es Ohrwürmer? Gefällt der Musikstil?
Besetzung: Bringen die Darsteller die Figuren glaubwürdig auf die Bühne? Stimmen Handwerk (Gesang, Tanz, Schauspiel) und Engagement? Macht es Spaß, den Akteuren zuzuschauen und zuzuhören?
NICHT: Sind bekannte Namen in der Cast zu finden?
Ausstattung: Setzt die Ausstattung (Kostüme, Bühnenbild, Lichtdesign etc.) die Handlung ansprechend in Szene? Wurden die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten optimal genutzt? Bieten Bühne und Kostüme etwas fürs Auge und passen sie zur Inszenierung?
NICHT: Je bunter und opulenter ausgestattet, desto mehr Sterne.
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