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 Virtual
Mein Avatar und ich Gibt es Leben hinter dem Bildschirm? Sind Partner aus dem Internet liebenswert, wie real ist die virtuelle Welt und warum sind die Looser von nebenan im Netz als Retter der Welt unterwegs? Eine hervorragende, bewegliche und stimmstarke Darsteller-Riege beantwortet genau diese Fragen und rettet ganz nebenbei das nach bewährtem Muster zusammengebastelte Internet-Musical von Thomas Lund (Text) und Peter Zaufke (Musik) vor dem Daten-Schmiss in den virtuellen Papierkorb.
(Text: Kai Wulfes) Premiere: | | 25.11.2010 | Rezensierte Vorstellung: | | 03.06.2011 | Letzte bekannte Aufführung: | | 03.07.2011 |
Kampfmaschine Baze (Stefan Rüh) ist verzweifelt. Wie hat es seine Erzfeindin Alice Magenta (Lea Schaaf) nur angestellt, ihn aus der umkämpften Spiel-Öde "Age of Survival" ins quietschige "Pinkyville" zu verfrachten? Entsetzen auch bei Fritz (Dominik Bopp) und Joschi (Benjamin Sommerfeld). In der mit blökenden Schäfchen bevölkerten rosaroten Mädchenwelt stellt sich dem muskelbepackten Recken in Rambo-Optik statt der säbelschwingenden Kampf-Amazone Bee Cruel (Maja Sikora) eine andere Gegnerin in den Weg. Ganz so, als sei er ein ungezogener Bengel, der zur Strafe auf sein liebstes Spielzeug verzichten muss, greift eine resolute, kittelbeschürzte Mutti nach der Pumpgun.
Das Durcheinander in der Online-Spielwelt hat Gretchen (Anja Backus) verursacht. Mit einem Programmiertrick verbannt sie den Baller-Avataren ihrer heimlichen Liebe auf die bunte Barbie-Farm, um Joschi weg vom Bildschirm und hinein in ihre Arme zu locken. Im nur einen Klick entfernten "Loveland" werden parallel dazu die Ideal-Avatare Gentle John (Rupert Markthaler) und Beautiful Helen (Johanna Spantzel) aktiv, um das verkorkste Liebes-Geplänkel ihrer Erschaffer Rupert (Maximilian Mann) und Anne (Karen Helbing) zu einem realen Happy End zu führen. Bevor es jedoch soweit ist, wird auch noch der fiese Gordon (Dirk Johnston) enttarnt, der sowohl in der Gamer-Community als in der Chat-Gemeinde falsch gespielt hat.
Wirklich originell ist diese etwas konstruiert wirkende, vorhersehbare Geschichte um virtuelle Freunde, Chat-Lügen, Cyber-Mobbing und Internet-Spielsucht immer nur dann, wenn Autor und Regisseur Peter Lund die Zuschauer in die Welt der von ihren Usern geschaffenen Kunstfiguren mitnimmt. Sind deren Spieler und Chatter offline, haben die Avatare als ihre Arbeitnehmer Freizeit. Dann legen sie ihre roboterhaften Bewegungen ab, lästern über ihre Bosse, haben Angst, ihre Kollegen durchs Löschen zu verlieren oder hadern mit der dauerhaften Kriegsführung im Baller-Spiel. Dabei ist „Mein Avatar und ich“ vom Text her weniger kritisch und boshaft als Vorgänger-Stücke, die Peter Lund für den Abschlussjahrgang seiner Musical-Studenten geschrieben hat.
Wer diese Musicals kennt, hat nicht nur bei einigen der Charaktere ein Déjà -vu, ihm kommt auch die eingängige Musik von Thomas Zaufke bekannt vor. Nicht wirklich originell ist die bewährte Mischung aus gefälligen Up-Tempo-Nummern, Balladen und Showstoppern, die für die "Age of Survival"-Szenen etwas rockiger arrangiert ist und in Solo-Songs, Duetten, Terzetten, Quartetten und Ensemble-Nummern jedem der Darsteller die Gelegenheit gibt, sich gesanglich im besten Licht zu zeigen. Für die darstellerische Profilierung sorgt Peter Lunds temporeiche Inszenierung, für ausgiebige, abwechslungsreiche Tanzszenen von klassischen Hebefiguren bis Showtanz Choreografin Neva Howard. Bei den hochklassigen und mitreißenden Darbietungen der elf Darsteller ist es allerdings ungerecht, einzelne Leistungen würdigend herauszustellen.
Zum Erfolg der Show trägt auch die umsichtige musikalische Begleitung bei. Die sechsköpfige Band unter Hans Peter Kirchbergs Leitung sitzt wie in einem Schaufenster links im Erdgeschoss des schlichten, weißen Bühnenaufbaus, den Ulrike Reinhard (auch Kostüme) entworfen hat. Auch in weiteren quadratischen Öffnungen stehen PC-Tower, die als Sitzmöbel für die Chatter und Gamer dienen. Zwei weitere dieser PC-Plätze werden rechts und links der breiten Bühne bespielt, können bei Bedarf aber auch bis in die Mitte gefahren werden. René von der Waar schafft auf den weißen Flächen mit seinen Videos und Projektionen im Stile von Internetseiten und Spielen die stimmungsvolle Illusion einer künstlich erschaffenen Rechner-Welt .
Die auch bei der Wiederaufnahme-Premiere frenetisch gefeierte Produktion verdient einen „Gefällt mir“-Klick – und das nicht nur bei Facebook auf den Seiten von "Mein Avatar und ich" und der "Neuköllner Oper".
(Text: kw)

Verwandte Themen: News: PdW: Mein Avatar und ich (22.11.2010)
Kreativteam
Besetzung
Zuschauer-Rezensionen
Die hier wiedergegebenen Bewertungen sind Meinungen einzelner Zuschauer und entsprechen nicht unbedingt den Ansichten der Musicalzentrale.
 1 Zuschauer hat eine Wertung abgegeben:

    29093 Unterhaltsam, super gemacht
18.06.2011 - Mir hat das Stück sehr gut gefallen: Es ist unterhaltsam, geistreich und der Großteil der Musik gefällt mir gut. Abgesehen davon haben die Darsteller viel Power, überzeugende Stimmen und tanzen und springen voller Übermut.

Daivd_27 (4 Bewertungen, ∅ 4.8 Sterne) 
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Die Kriterien für unsere Kurzbewertungen (Stand: Dezember 2014)
Buch*: Ist die Handlung in sich schlüssig? Kann die Story begeistern? Bleibt der Spannungsbogen erhalten oder kommt Langeweile auf?
NICHT: Besonderheiten der konkreten Inszenierung des Theaters.
Kompositionen*: Fügen die Kompositionen sich gut in das Stück ein? Haben die Songs Ohrwurmcharakter? Passen die gewählten Texte auf die Musik? Transportieren Text und Musik die selbe Botschaft?
NICHT: Orchestrierung, Verständlichkeit des Gesangs der Darsteller in der aktuellen Inszenierung.
* werden nur bei neuartigen Produktionen (z.B. Premiere, deutsche Erstaufführung usw.) vergeben
Inszenierung: Wie gut wurde das Stück auf die Bühne gebracht? Stimmen die Bilder und Charaktere? Bringt der Regisseur originelle neue Ansätze ein?
NICHT: Wie gut ist die Handlung des Stücks an sich oder die mögliche Übersetzung?
Musik: Kann die musikalische Umsetzung überzeugen? Gibt es interessante Arrangements? Ist die Orchesterbegleitung rundum stimmig? Muss man bei Akustik oder Tontechnik Abstriche machen?
NICHT: Sind die Kompositionen eingängig und abwechslungsreich? Gibt es Ohrwürmer? Gefällt der Musikstil?
Besetzung: Bringen die Darsteller die Figuren glaubwürdig auf die Bühne? Stimmen Handwerk (Gesang, Tanz, Schauspiel) und Engagement? Macht es Spaß, den Akteuren zuzuschauen und zuzuhören?
NICHT: Sind bekannte Namen in der Cast zu finden?
Ausstattung: Setzt die Ausstattung (Kostüme, Bühnenbild, Lichtdesign etc.) die Handlung ansprechend in Szene? Wurden die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten optimal genutzt? Bieten Bühne und Kostüme etwas fürs Auge und passen sie zur Inszenierung?
NICHT: Je bunter und opulenter ausgestattet, desto mehr Sterne.
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