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 Compilation-Komödie
Manne wird 60 Geburtstagsparty mit Folgen
© Udo Krause
© Udo Krause
Deftig-zotige Musicalklamotte zwischen Laube, Blumenbeet und Komposthaufen. Ein wandlungsfähiges Ensemble spielt skurrile Typen und singt sich, begleitet von einer exzellenten Band, quer durch ein Repertoire aus Schlager, Rock, Pop und Operette.
(Text: Kai Wulfes) Premiere: | | 04.12.2009 | Rezensierte Vorstellung: | | 14.12.2009 | Letzte bekannte Aufführung: | | 25.08.2012 |
Pupsen im Wasser veredelt ein Schwimmbecken zu einem Whirlpool und Männer haben Bierbäuche, damit der kleine arbeitslose Zwerg darunter ein Dach über dem Kopf hat. Stammtischzoten wie diese verleihen Anke Fischers realistisch-schmucken Kleingartenidyll mit heimeligen Häuschen, bunten Holzmöbeln und einem Tanzboden zwar kein Niveau, dafür aber genau den Ton, der in Laubenpieper-Kreisen vorherrschen mag. Das in der besuchten Vorstellung vornehmlich weibliche Publikum goutiert die schlüpfrig-anrüchigen Gag-Attacke auf Ballermann-Niveau mit spitzen Schreien und viel Szenenapplaus, so dass dem Autoren-Kollektiv (Jan Kirsten, Max Beinemann, Uli Herrmann-Schroedter, Maren Rögner, Reinhard Simon) eine gute Kenntnis der Erwartungen ihrer Besucher bescheinigt werden muss.
Co-Autor Simon, regieführender Intendant der Uckermärkischen Bühnen, setzt ganz auf deftigen Schwank und lässt bei der Open-Air-Party zu Ehren von Garteninhaber Manne (Schlaffi-Pantoffelheld: Matthias Manz) eine Reihe skurriler Klischee-Typen mitfeiern. Ehefrau Barbara (resolut: Renate Prick) und Schwägerin Rita (spießig: Claire Varga) sind für das leibliche Wohl und den anschließenden Abwasch zuständig und zwitschern bewaffnet mit Thermoskanne und Tablett ein liebevolles "Der Kaffee ist fertig". Oma Helene (Ines Heinrich als rüstige Schnapsdrossel mit Männerverschleiß) mischt nicht nur mit ihrem rockigen "Mit 66 Jahren" die Festgesellschaft auf, sondern beschert dem Geburtstagskind im dritten Akt eine bis dahin unbekannte Schwester. Zudem sorgen dubiose holländische Kekse sowie ein die Parzelle stürmendes GSG9-Kommando für weitere Aufregung.
Auch Mannes sozialschmarotzender Macho-Stiefsohn Torsten (herrlich prollig: Dirk Weidner) sorgt für zusätzlichen Zündstoff: Nachdem er hinter der Hecke zu Nachbar Kolja (mit russischem Akzent und Wodka-Flasche: Gerhard Kähling) dessen viel jüngere Freundin Chantal (Manja Stein als piepsige Gülcan-Kamps-Kopie) vernascht hat, prügeln alle Geburtstagsgäste in einer handfesten Schlägerei mit allem, was im Garten so greifbar ist, aufeinander ein. Die illustrierenden Schlaggeräusche aus dem Lautsprecher lassen den klamottig inszenierten Tumult noch peinlicher wirken.
Wer allerdings genau hinschaut, der entdeckt unter billig wirkenden Perücken und aufdringlichem Make-up (Maske: Christina Optiz) richtig gute Darsteller. Sie beweisen ihre ungeheure Wandlungsfähigkeit, indem fast alle in mehreren Rollen im Kleingarten auftauchen. So zum Beispiel Uwe Schmiedel. Er steht als frauenverstehender Öko Ulf vor den Scherben seiner Beziehung und schmettert als exaltierter Theaterregisseur Sky Hannibal Hubert mit vibrierender Unterlippe Paul Linckes "Glühwürmchen-Idyll". Ohnehin wird in dieser Schlager-Rock-Pop-Operetten-Compilation-Show mit für ein Schauspiel-Ensemble erstaunlich hohem Niveau gesungen.
Das gilt vor allem für Dirk Weidner, der als Vorsänger von "Ivan Reblaus und seinen Donkanacken" Kopfstimmenqualitäten unter Beweis stellt, aber auch mit schöner Rockröhre feststellt "Du musst ein Schwein sein in dieser Welt". Zu den Höhepunkten der Show gehört das Duett "Schau 'mal herein", bei dem Weidners Stimme wunderschön mit Manja Steins Popsopran harmoniert. Ines Heinrich glänzt mit großer Stimme nicht nur beim aberwitzigen Rache-Song "Bitte, bitte spring doch vom Balkon", während Renate Pricks tiefe Stimme sehr schön zum Chanson "Ich rechne immer noch in Mark um" passt. Wenn das Männer-Ensemble bei "Wir haben 'was zu feiern (der deutschen Version von "We didn’t start the fire") in den Liedzeilen alle gängigen Alkoholmarken besingt, gibt es im Saal zu Recht kein halten mehr.
Ein weiteres Pfund, mit dem die Show wuchern kann, ist die Band "takayo & Freund", die direkt auf einer Bühne auf der Bühne platziert ist. Die vier Musiker um Uli Herrmann-Schroedter (musikalische Leitung) jazzen und rocken, dass es eine wahre Freude ist, sind aber auch gefühlvolle Begleiter bei den Balladen. Ihre Integration als Personen in die Handlung ist eher grenzwertig, denn spielen können sie vor allem ihre Instrumente.
Sollte Manne seinen nächsten runden Geburtstag wieder in einem Musical feiern, wäre ihm zu wünschen, dass die Autoren zum 65. das Gagniveau ihres Buches etwas anheben und der Regisseur diese Vorlage etwas gebremster in Szene setzen möge.
Musical von Jan Kirsten, Max Beinemann, Uli Herrmann-Schroedter, Maren Rögner und Reinhard Simon
(Text: kw)

Verwandte Themen: Produktion: Torsten heiratet (Uckermärkische Bühnen Schwedt (ubs) Schwedt (Oder))
Kreativteam
Besetzung
| Manne | | Matthias Manz
| | | Barbara, seine Frau | | Renate Pick
| | | Torsten, Barbaras Sohn, Mannes Stiefsohn | | Dirk Weidner
| | | Jenny, Torstens schwangere Freundin | | Manja Stein
| | | Norbert, Mannes jüngerer Bruder | | Reinhard Simon
| | | Rita, Norberts Frau, Mannes Schwägerin | | Claire Varga
| | | Silvio, Journalist, Sohn von Norbert und Rita | | Jan Kirsten
| | | Sören, Anlageberater, Ritas Sohn | | Kayode Eschrich
| | | Axel, Bibliothekar, Mannes Freund | | Uli Hermann-Schroedter
| | | Ruud van den Moulen, Profimusiker (blind) | | Andreas van den Brandt
| | | Oma Helene Hellwig, Mutter von Manne und Norbert | | Ines Heinrich
| | | Ulf, Mannes Cousin | | Uwe Schmiedel
| | | Kerstin, Ulfs Frau | | Ines Heinrich
| | | Kolja, russischer Garten-Nachbar von Manne | | Gerhard Kähling
| | | Chantal, Koljas Freundin | | Manja Stein
| | | Marleen, Soubrette | | Ines Heinrich
| | | Sky Hannibal Hubert, Provinzregisseur | | Uwe Schmiedel
| | | Frau Mietze-Schindler, Öko-Gartennachbarin von Manne | | Manja Stein
| | | Edith Dumas | | Claire Varga
| | | Horst, Barbaras Schulfreund | | Gerhard Kähling
| | | GSG9 Beamter 1 | | Dirk Weidner
| | | GSG9 Beamter 2 | | Paul Dressel
| | | GSG9 Beamter 3 | | Simona Zanner
| | | Don-Kosaken | | Kayode Eschrich Uli Herrmann-Schroedter Jan Kirsten Reinhard Simon Andreas van den Brandt Dirk Weidner Simona Zanner
| | | Band | | takayo Freund
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Die Kriterien für unsere Kurzbewertungen (Stand: Dezember 2014)
Buch*: Ist die Handlung in sich schlüssig? Kann die Story begeistern? Bleibt der Spannungsbogen erhalten oder kommt Langeweile auf?
NICHT: Besonderheiten der konkreten Inszenierung des Theaters.
Kompositionen*: Fügen die Kompositionen sich gut in das Stück ein? Haben die Songs Ohrwurmcharakter? Passen die gewählten Texte auf die Musik? Transportieren Text und Musik die selbe Botschaft?
NICHT: Orchestrierung, Verständlichkeit des Gesangs der Darsteller in der aktuellen Inszenierung.
* werden nur bei neuartigen Produktionen (z.B. Premiere, deutsche Erstaufführung usw.) vergeben
Inszenierung: Wie gut wurde das Stück auf die Bühne gebracht? Stimmen die Bilder und Charaktere? Bringt der Regisseur originelle neue Ansätze ein?
NICHT: Wie gut ist die Handlung des Stücks an sich oder die mögliche Übersetzung?
Musik: Kann die musikalische Umsetzung überzeugen? Gibt es interessante Arrangements? Ist die Orchesterbegleitung rundum stimmig? Muss man bei Akustik oder Tontechnik Abstriche machen?
NICHT: Sind die Kompositionen eingängig und abwechslungsreich? Gibt es Ohrwürmer? Gefällt der Musikstil?
Besetzung: Bringen die Darsteller die Figuren glaubwürdig auf die Bühne? Stimmen Handwerk (Gesang, Tanz, Schauspiel) und Engagement? Macht es Spaß, den Akteuren zuzuschauen und zuzuhören?
NICHT: Sind bekannte Namen in der Cast zu finden?
Ausstattung: Setzt die Ausstattung (Kostüme, Bühnenbild, Lichtdesign etc.) die Handlung ansprechend in Szene? Wurden die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten optimal genutzt? Bieten Bühne und Kostüme etwas fürs Auge und passen sie zur Inszenierung?
NICHT: Je bunter und opulenter ausgestattet, desto mehr Sterne.
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