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 Musiktheater
Wie im Himmel Die Suche nach dem Klang Ein gelungener Einstand in Neuss für Intendantin und Regisseurin Bettina Jahnke. Sie bringt mit ihrem Ensemble die Geschichte um einen am burnout-Syndrom leidenden Stardirigenten, der in seinem alten Heimatort eine neue Erfüllung findet, auf teils humorige, teils sehr einfühlsame Weise auf die Bühne.
(Text: Diana Breitkreuz) Premiere: | | 18.09.2009 | Letzte bekannte Aufführung: | | 18.12.2010 |
Filmadaption? Sprechtheater mit Gesang? Musiktheater mit viel Sprechtext? Einem Genre zuordnen kann man "Wie im Himmel" sicher nicht einfach. Das Theaterstück nach dem Erfolgsfilm von Kay Pollock bringt Elemente aus allen Bereichen mit. Bettina Jahnke, ab der Saison 2009/10 im Rheinischen Landestheater (RLT), feiert mit diesem Werk direkt mehrere Premieren in Neuss. Mit "Wie im Himmel" startet das RLT in die neue Saison und es ist Jahnkes erste Produktion als Intendantin in diesem Theater. Zudem führt sie Regie. Die Musik ist nur in Bruchteilen dem Filmsoundtrack entliehen, für die Neusser Adaption schrieb Walter Kiesbauer zusätzliche Musikstücke, die sich perfekt in die Geschichte einbetten. Das Ensemble setzte sich aus einer gelungenen Mischung aus neuen und bekannten Gesichtern der Landestheater-Bühne zusammen.
Trotz dieser ungewöhnlichen Bedingungen versteht es Bettina Jahnke, die Geschichte um einen am burnout-Syndrom leidenden Stardirigenten, der in seinem alten Heimatort eine neue Erfüllung findet, auf teils humorige, teils sehr einfühlsame Weise wiederzugeben. Ihr junges Ensemble ist bis in die kleinste Rolle perfekt besetzt, jeder entspricht von Typ und Schauspiel genau der dargestellten Rolle. Der Hauptcharakter des Dirigenten Daniel Daréus (Kaspar Küppers) ist zwar gegenüber den anderen Mitspielern recht klein, strahlt aber durch sein Äußeres und sein Auftreten etwas Besonderes aus, dass ihn von den durchschnittlichen Dorfbewohnern abhebt. Gekonnt vermittelt Küppers in seinem Spiel die sich wandelnde Figur des Daniel Daréus, der zunächst nur die Ruhe und Einsamkeit sucht, später aber der Freude an der Musik und dem Enthusiasmus "seines" Chores erliegt.
Neben Küppers stechen vor allem Stefan Diekmann (Pfarrer Stig), Michael Großschädl (Tore) und Katharina Dalichau (Gabriella) aus dem zehnköpfigen Ensemble heraus. Diekmann spielt den konservativen, ganz in seiner Stellung aufgehenden Priester betont ruhig und distanziert, sodass jeder Gefühlsausbruch der Rolle umso mehr aufschreckt. Großschädl spielt den geistig behinderten Tore überzeugend und beinahe hemmungslos, seine tiefe Stimme sticht klar aus den Chorgesängen hervor und zeigt sich vor allem in kleinen Soli. Katharina Dalichau spielt die ihrem gewalttätigen Mann ergebene Gabriella mit Inbrunst, ihr Solo "Gabriella’s Song" zeigt ihre ganze Freude am Gesang, auch wenn ihre Stimme für solch einen "stimmlichen Alleingang" vielleicht nicht die kräftigste und schönste des Ensembles ist.
Die Ausstattung von Ivonne Theodora Storm besticht durch ihre Einfachheit, die jedoch bei der Bühnenausstattung zu Verwirrungen führen kann. Die Kostüme der Darsteller sind den Witterungsverhältnissen in Schweden angepasst, der einzelne Charakter der Rollen spiegelt sich durch mehr oder weniger verrückte Kleidungs-Zusammenstellungen wieder. So trägt Tore bis zum Finale einen viel zu kleinen Anzug, der ihn noch deplatzierter wirken lässt. Gabriella besticht durch bunt zusammen gewürfelte, aber doch irgendwie passende Röcke und Pullover, während Daniel Daréus die ganze Zeit in seinem schwarzen Anzug bleibt.
Die Bühnenausstattung ist einfach gehalten und doch raffiniert. Der hintere Teil besteht aus drehbaren Elementen, die je nach Bedarf zur Außenwand von Daréus’ Haus werden, dessen Hof durch künstlichen Schnee zu Schweden’s Winterlandschaft wird. Nach einem Dreh der Elemente findet man sich im Gemeindehaus mit Sitzbänken wieder. Der vordere Teil wird auf der einen Seite durch eine Heizung, auf der anderen Seite durch ein Waschbecken begrenzt. Dieser abgetrennte Bereich dient als Haus von Daréus, als Waschraum des Gemeindehauses und als Toilettenbereich des Konzertsaals.
So faszinierend diese Minimalausstattung auch ist, bei der Finalszene kann dies bei stückfremden Zuschauern zu Verwirrung führen. Nicht jedem mag klar sein, wo sich Daréus am Schluss befindet und was dort mit ihm geschieht. Hat man diesen Zusammenhang jedoch einmal begriffen, besticht der Schluss der Produktion durch seine sentimentale Stimmung. Nicht nur der "schwedische Chor" des Stücks tritt in der Szene des Wiener Gesangswettbewerbs auf. Passend zum Text über den Zusammenhalt verschiedener Menschen werden die Schauspieler in der Premiere vom Münsterchor (einem Zusammenschluss von behinderten und nicht-behinderten Sängern) verstärkt.
Eine gelungene Feuertaufe mit minimalen Abstrichen für Bettina Jahnke, die mit ihrem Ensemble ein ungewöhnliches und berührendes Stück auf die Bühne gebracht hat.
(Text: Diana Breitkreuz)

Kreativteam
Besetzung

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Die Kriterien für unsere Kurzbewertungen (Stand: Dezember 2014)
Buch*: Ist die Handlung in sich schlüssig? Kann die Story begeistern? Bleibt der Spannungsbogen erhalten oder kommt Langeweile auf?
NICHT: Besonderheiten der konkreten Inszenierung des Theaters.
Kompositionen*: Fügen die Kompositionen sich gut in das Stück ein? Haben die Songs Ohrwurmcharakter? Passen die gewählten Texte auf die Musik? Transportieren Text und Musik die selbe Botschaft?
NICHT: Orchestrierung, Verständlichkeit des Gesangs der Darsteller in der aktuellen Inszenierung.
* werden nur bei neuartigen Produktionen (z.B. Premiere, deutsche Erstaufführung usw.) vergeben
Inszenierung: Wie gut wurde das Stück auf die Bühne gebracht? Stimmen die Bilder und Charaktere? Bringt der Regisseur originelle neue Ansätze ein?
NICHT: Wie gut ist die Handlung des Stücks an sich oder die mögliche Übersetzung?
Musik: Kann die musikalische Umsetzung überzeugen? Gibt es interessante Arrangements? Ist die Orchesterbegleitung rundum stimmig? Muss man bei Akustik oder Tontechnik Abstriche machen?
NICHT: Sind die Kompositionen eingängig und abwechslungsreich? Gibt es Ohrwürmer? Gefällt der Musikstil?
Besetzung: Bringen die Darsteller die Figuren glaubwürdig auf die Bühne? Stimmen Handwerk (Gesang, Tanz, Schauspiel) und Engagement? Macht es Spaß, den Akteuren zuzuschauen und zuzuhören?
NICHT: Sind bekannte Namen in der Cast zu finden?
Ausstattung: Setzt die Ausstattung (Kostüme, Bühnenbild, Lichtdesign etc.) die Handlung ansprechend in Szene? Wurden die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten optimal genutzt? Bieten Bühne und Kostüme etwas fürs Auge und passen sie zur Inszenierung?
NICHT: Je bunter und opulenter ausgestattet, desto mehr Sterne.
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