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 Biographie
Evita Jung, schön und geliebt Aufwendig ausgestattete und prominent besetzte Open-Air-Produktion des Biographicals, die aber nicht mitreißt und inhaltlich nur soliden Durchschnitt erreicht - vor allem, weil die Titelfigur sehr eindimensional gezeichnet ist.
(Text: Robin Jantos) Premiere: | | 04.06.2010 | Rezensierte Vorstellung: | | 05.06.2010 | Letzte bekannte Aufführung: | | 26.06.2010 |
Es ist kein übermäßiges Lob für eine Produktion, wenn man vor allem über die Ausstattung spricht. Aber was von dieser "Evita" wohl am ehesten in Erinnerung bleiben wird, ist nun mal das abstrakte Bühnenbild von Knut Hetzer in Verbindung mit den aufwendigen und detailreichen, realistischen Kostümen von Judith Peter.
Hetzer hat für das Theater Magdeburg eine riesige, dreieckige Bühne auf den Domplatz stellen lassen, an einer Seite dazu 14 mehrere Meter hohe Stelen - alles in lila. In der Mitte der Bühne findet sich ein kleineres, parallel zum Publikum kippbares Dreieck, dessen lange Seite zum Publikum sowohl im Boden versinken (um Darsteller und Requisiten abzuräumen) als auch hochgekippt und bespielt werden kann (beispielsweise für die Balkonszene). Bei Tageslicht wirkt die Bühne sehr leer, wenn es nach der Pause aber dunkel ist, entfaltet sie ihre Wirkung. Denn dann nutzen Hetzer und Regisseur Matthias Davids die große Bühne als Projektionsfläche für ebenfalls abstrahierende Motive (etwa Textzeilen, einen Fingerabdruck und Ché-Bilder) und nutzen auch die Stelen für stimmungsvolle Lichteffekte.
Abgesehen davon ist die Inszenierung aber nur solide. Davids findet im Detail stimmige Lösungen (etwa das Volk an Evas leerem Bett trauern zu lassen), der große Entwurf, um die Emotionalität des Stückes über die Rampe zu bringen, fehlt aber. Das liegt vor allem an Simone Geyers eindimensionaler Evita. Diese Figur ist von Anfang an eiskalt und arrogant. Es gibt kein Zweifeln, keine Regung von Menschlichkeit. Geyer spielt die Figur genau so, wie Ché (Drew Sarich) sie beschreibt. Da ist keine Widerspruch, kein Geheimnis. Beispielhaft die Szene, in der Eva die bisherige Geliebte Pérons vor die Tür setzt. Ohne Gnade knallt sie ihr die Koffer vor die Füße, wirft sie harsch heraus. Die Chance, bei Eva hier zumindest Gefühle anzudeuten, wird nicht genutzt.
Sarich ist in seinem Rollendebüt sehens- und hörenswert. Er ist ständig auf der riesigen Bühne unterwegs und schafft es mit seiner hohen Bühnenpräsenz, immer wieder die Blicke auf sich zu ziehen. Musikalisch kann er vor allem in "The Lady's Got Potential" überzeugen, das in dieser Produktion erfreulicherweise nicht gestrichen wurde. Allerdings ist auch sein Ché recht eindimensional als aggressiver Zyniker gezeichnet. Etwas mehr Subtilität hätte die Rolle aufgewertet.
Ethan Freeman zeigt Juan Péron als charismatischen, für seine Funktion eigentlich zu netten Mann, der Evas eiskaltes Streben nach Macht aber nicht sehen will und (erfolglos) darauf setzt, sie mit Worten zu überzeugen. Iago Ramos stattet den Magaldi mit einem derart dümmlichen Grinsen aus, dass sofort klar ist, dass Eva ihn nur für ihre Zwecke ausnutzt. Stimmlich macht der Brasilianer seine Sache gut, spricht aber mit starkem Akzent - eine gute Idee, ihn seinen (textlich sowieso bedeutungslosen) Song auf Spanisch singen zu lassen. Bei den darstellerischen Leistungen in Chor, Statisterie und Ballett gibt es eine große Spannbreite, aber allein die Tatsache, dass das Theater derart viele Menschen auffährt, gibt den Massenszenen auf der großen Bühne einen Kick.
Wer "Evita" noch nicht kennt, bekommt in Magdeburg eine ordentliche Einführung in das Stück. Was die emotionalen Möglichkeiten angeht, steht - und damit wäre man wieder beim Anfang - die Bühne aber sinnbildlich für die gesamte Produktion: Zwischen Publikumstribüne und Bühnenkante ist ein etliche Meter breiter, ungenutzter Raum. Das mag funktional sein, schafft aber auch Distanz.
(Text: Robin Jantos) 
Verwandte Themen: News: Sarich wird Che in Magdeburger Open-Air-"Evita" (10.02.2010)
Kreativteam
Besetzung
Zuschauer-Rezensionen
Die hier wiedergegebenen Bewertungen sind Meinungen einzelner Zuschauer und entsprechen nicht unbedingt den Ansichten der Musicalzentrale.
 1 Zuschauer hat eine Wertung abgegeben:

    28485 Gelungen
08.06.2010 - Wenn man den Domplatz zu Magdeburg betritt, fällt natürlich zuerst die riesige dreieckige Bühne mit mächtigen, in den Himmel ragenden Säulen ins Auge. Knut Hetzer hat damit etwas sehr eindrucksvolles und funktionales geschaffen, gerade weil das kleine, kippbare Mitteldreieck Umbauten ermöglicht, die sonst auf einer derart offenen Bühne ohne Unterbrechungen kaum möglich wären und das natürlich den obligatorischen Balkon aus dem Nichts entstehen lässt. Hinzu kommen an den Seiten des Dreiecks liegende Säulen, die nach Bedarf zur Mitte geschwenkt werden können, um als Bühne, Tische und Bänke zudienen.
Das Bühnenniveau beginnt vorn bereits auf zwei Metern und steigt bis zur Spitze des Dreiecks auf vier Meter an. Auch die erste Reihe der Zuschauer sitzt in zwei Metern Höhe, zwischen Bühnenrand und Zuschauern befindet sich allerdings ein zehn Meter breiter Graben, der zwar Distanz schafft, aber für die Entfaltung der Perspektive wohl unentbehrlich ist. Die Nutzung der Bühne als Projektionsfläche verhindert, dass die Bühne allzu oft zu leer erscheint und unterstreicht Inhalt und Stimmung der Szenen.
Die Inszenierung von Matthias Davids nutzt die ganze Weite der Bühne und die großen Namen in der Besetzung können auf ihr alle überzeugen.
Drew Sarich spielt einen aktiven, stets bühnenpräsenten Ché, gesanglich einwandfrei und schauspielerisch immer detailreich. Er führt als Erzähler gut verständlich durch das Stück und sorgt für die Kurzweiligkeit des Abends. Meist gibt er den Zyniker, aber auch er zeigt, dass er nicht völlig gefühlskalt ist. So nimmt er sich der von Eva rausgeworfenen Geliebten Perons an, die Heide Kalisch, eigentlich Mitglied des Schauspielensembles, wunderbar natürlich und jugendlich verkörpert. Zudem stütz Ché im ersten Affekt die zusammenbrechende Eva, bevor er sie fallen lässt und seinen "Triumph" genießt.
Simone Geyer hat zu diesem Zeitpunkt schon eine erstaunlich Wandlung durchgemacht: Vom jungen Mädchen, das hoch hinaus will und sich "nützlichen" Männer an den Hals wirft, über die 26-jährige Präsidentengattin am Höhepunkt ihrer Macht bis hin zur Todkranken. Dabei steigert sie die Fülle ihrer Stimme und die Intensität ihrer Gesten bis zur berühmten Balkonszene. Danach wird ihre Körpersprache langsam geführter, am Ende hält sie sich mit größter Konzentration aufrecht, strebt dennoch manisch die Vizepräsidentschaft an, verdrängt dabei jegliche Realität und bricht schließlich zusammen.
Juan Perón trägt die ohnmächtige Eva liebevoll in den Armen.
Ethan Freeman lässt keinen Zweifel daran, dass Perón Eva liebt, auch wenn die Beziehung zum gegenseitigen Nutzen entstand. Der Diktator Perón erhält bei Freeman eine sympathische, menschliche Seite, manchmal wirkt er sogar ein wenig deplatziert in seiner Uniform, doch insgesamt kann er vor allem stimmlich überzeugen, wobei er sich mit fast opernhafter Stimme deutlich vom eher rockigen Ché differenziert.
Als Solist muss noch Iago Ramos erwähnt werden, der den Tangosänger Augustin Magaldi darstellt. Der brasilianische Tenor gestaltet einen neuen Magaldi, der nur wenig mit dem Erwartungsbild aus der bekannten Verfilmung zutun hat, aber dennoch seinen eigenen Charme besitzt, wenn er auch nicht ganz ernst zunehmen ist.
Die Ensembleleistung ist gut, es muss dabei aber auch angemerkt werden, dass eine Musicalproduktion für ein Theater mit klarer Spartentrennung immer einen Herausforderung darstellt, da ein Opernchor meist keine Tanz- und das Ballett kaum eine Gesangsausbildung genossen hat. Doch Kurt Schrepfer hat den Opernchor mit einer zwar wenig spektakulären, aber durchaus stimmigen Choreographie in Szene gesetzt, wobei nahezu das ganze Stück und vor allem die Massenszenen vollständig choreographiert sind. Das Ballett begeistert sowohl in den Massenszenen als auch in den großen Tanznummern wie „Buenos Aires“, bei der auch Simone Geyer zeigt, dass sie tänzerisch mithalten kann.
Die Kostüme von Judith Peter vollenden den Gesamteindruck und spätestens wenn Eva in ihrem schneeweißen, schillernden Kleid den Balkon betritt, hört man Seufzer aus dem Publikum. Auch in dieser Szene ist das Stück wenig auf Emotionalität ausgelegt, was angesichts der Handlung auch nicht zwingend notwendig ist und wohl im Publikum kaum vermisst wurde, denn schlussendlich gab es viel Applaus und stehende Ovationen.
Meiner Meinung nach eine gelungene Inszenierung, der es vielleicht etwas an Höhepunkten mangelt, aber die vor allem durch die Darsteller und die Ausstattung gewinnt- Empfehlenswert!

mormel (erste Bewertung) 
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Die Kriterien für unsere Kurzbewertungen (Stand: Dezember 2014)
Buch*: Ist die Handlung in sich schlüssig? Kann die Story begeistern? Bleibt der Spannungsbogen erhalten oder kommt Langeweile auf?
NICHT: Besonderheiten der konkreten Inszenierung des Theaters.
Kompositionen*: Fügen die Kompositionen sich gut in das Stück ein? Haben die Songs Ohrwurmcharakter? Passen die gewählten Texte auf die Musik? Transportieren Text und Musik die selbe Botschaft?
NICHT: Orchestrierung, Verständlichkeit des Gesangs der Darsteller in der aktuellen Inszenierung.
* werden nur bei neuartigen Produktionen (z.B. Premiere, deutsche Erstaufführung usw.) vergeben
Inszenierung: Wie gut wurde das Stück auf die Bühne gebracht? Stimmen die Bilder und Charaktere? Bringt der Regisseur originelle neue Ansätze ein?
NICHT: Wie gut ist die Handlung des Stücks an sich oder die mögliche Übersetzung?
Musik: Kann die musikalische Umsetzung überzeugen? Gibt es interessante Arrangements? Ist die Orchesterbegleitung rundum stimmig? Muss man bei Akustik oder Tontechnik Abstriche machen?
NICHT: Sind die Kompositionen eingängig und abwechslungsreich? Gibt es Ohrwürmer? Gefällt der Musikstil?
Besetzung: Bringen die Darsteller die Figuren glaubwürdig auf die Bühne? Stimmen Handwerk (Gesang, Tanz, Schauspiel) und Engagement? Macht es Spaß, den Akteuren zuzuschauen und zuzuhören?
NICHT: Sind bekannte Namen in der Cast zu finden?
Ausstattung: Setzt die Ausstattung (Kostüme, Bühnenbild, Lichtdesign etc.) die Handlung ansprechend in Szene? Wurden die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten optimal genutzt? Bieten Bühne und Kostüme etwas fürs Auge und passen sie zur Inszenierung?
NICHT: Je bunter und opulenter ausgestattet, desto mehr Sterne.
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