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 Drama
Sorbas Die volle Lust am Leben Wer Musicals zeigt, sollte auch den passenden Cast dafür haben. Wenn aber wie in Schwerin das hauseigene Schauspielensemble gesanglich überfordert ist, dann retten weder ein prominenter Hauptdarsteller noch die wuchtigen Bilder eines spannenden Regiekonzepts den Abend.
(Text: Kai Wulfes) Premiere: | | 08.08.2009 | Rezensierte Vorstellung: | | 16.08.2009 | Letzte bekannte Aufführung: | | 30.08.2009 |
Die Welt der Kreter ist schwarz-weiß. Das drücken sie nicht nur in ihrer Kleidung (schwarze Hosen oder Kleider, weiße Hemden oder Blusen) aus, sondern auch in ihrer Einstellung: Wer anders ist, wird ausgegrenzt. Der geistig behinderte Mimiko (Johann Zürner) passt ebenso wenig ins Weltbild wie die auf dem Eiland gestrandete Chansonette Hortense (Ute Kämpfer) oder eine abschätzig "Die Witwe" titulierte namenlose Frau (Jana Kühn). Wer wie sie in einer von Männern dominierten Gesellschaft das Leben selbst bestimmen möchte und Ursache für den Freitod eines abgewiesenen Freiers ist, an dem begeht die Gemeinschaft Blutrache. Wie ein hilfloses Tier wird die Frau in die Enge getrieben und abgestochen.
Dies ist nicht der einzige bedrückende Moment in Peter Dehlers Inszenierung. Auch für Hortenses Tod wählt er ein stimmiges Bild: Zum Song "Die Krähen" lässt er die in einem kalten Lichtkegel stehende Sterbende von der Menge Arme schwingend umkreisen, während über die rückwärtige LED-Wand zwischen düsteren Wolkenformationen ein bedrohlich wirkender Schwarm der Rabenvögel zieht. Nicht immer frei von Kitsch zaubern Stéphane Maeders Projektionen während der gesamten Vorstellung gekonnt Emotionen in den in sattem Blau gestrichenen Bühnenraum (Olaf Grambow), in dem sich unzählige Blechtonnen in gleicher Farbgebung im Sandboden und an den Seiten in den Abendhimmel stapeln.
Konsequent verzichtet Dehler in seiner packenden, eher melancholisch gefärbten Inszenierung auf jegliche Revue-Elemente. Selbst als in John Kanders an der griechischen Folklore orientierten Partitur bei "Kein Bum-Bum" satter Bigband-Sound aufblitzt, zeigt er keine große Show-Nummer, sondern lässt vor vier videoanimierten, auf die Zuschauer zufahrenden Kriegsschiffen deren Kapitäne in grellen Fantasie-Uniformen (Kostümbild: Bettina Lauer) auf der Bühne marschieren. Das sprunggewaltige Ballettensemble setzt der Regisseur ausschließlich in den Volksszenen ein, wobei Choreograf Jens-Peter Urbich seine Tänzer gleich nach der Pause in der gespenstischen, trommelbegleiteten Beerdigungsszene im Modern Dance-Stil glänzen lässt.
Wie Fremdkörper im schlüssigen Regiekonzept wirken die clownesk gezeichneten Frauenfiguren Alexa (Isa Weiß) und Athena (Ulrike Hanitzsch). Nachdem sie den musikalischen Leiter Thomas Möckel zu seinem für den Zuschauer unsichtbar im zentralen Treppenpodest versteckten Orchester gebracht haben, nisten sich beide auf der Bühne ein und erläutern in unnatürlich wirkendem griechischen Akzent die Handlung. Sinnvoll ist das nur, wenn sie gemeinsam mit der Erzählerin (Katrin Huke) wie der Chor in der griechischen Tragödie den Handelnden Ratschläge erteilen oder das Geschehen kommentieren.
Wenn gleich zu Beginn der Vorstellung in der Ensemble-Nummer "Leben" ein falsch intonierter Ton den nächsten jagt, dann zieht sich dies wie ein roter Faden durch den gesamten Abend. Richtig singen können in dieser Produktion die wenigsten. Zumindest Rüdiger Daas (Nikos) lässt mit geschmeidigem und vor allem sicher geführtem Bariton aufhorchen. Die beiden Duette mit der Witwe, in die Jana Kühn ihren schönen, klaren Sopran einbringt, gehören zu den musikalischen Höhepunkten. Katrin Huke bemüht sich hörbar, den vielen Songs der Erzählerin musikalisch gerecht zu werden, was ihr zumindest in der Mittellage auch gut gelingt. Muss sie diese allerdings verlassen, dann scheppern entweder die Höhen oder die tiefen Töne werden nicht richtig getroffen. Ute Kämpfer als charmant agierende Hortense mogelt sich vor allem mit Sprechgesang durch ihre Partie.
Im Mittelpunkt des Interesses steht in der Titelrolle Goijko Mitic, langjähriger Oberindianer in DEFA-Filmen und nach der Wende bei den Karl-May-Spielen in Bad Segeberg im Sattel. Mitic ist mit Haut und Haar der verschmitzte Lebenskünstler Sorbas - eine tolle Darstellung, zu der auch die tapsigen Tanzschritte passen. Extra für dieses Engagement hat er seinen Bass-Bariton in Gesangsstunden schulen lassen, die er für weitere Musicalrollen unbedingt fortsetzen sollte. Zu matt und rau klingt Mitics Stimme, nur mühevoll kämpft er sich zu höheren Tönen empor.
Eine Reihe der Besucher sucht in der Pause irritiert das Weite in das nächtliche Schwerin. Ihre Erwartung, einen vergnüglichen Abend mit einem prominenten Hauptdarsteller zu besuchen, erfüllt sich nicht. "Sorbas" in Schwerin beweist, dass Musical weit mehr ist als leichte Unterhaltungskost.
Musical nach dem Roman von Nikos Kazantzakis Buch von Joseph Stein · Gesangstexte von Fred Ebb · Musik von John Kander Deutsch von Robert Gilbert und Gerhard Bronner
(Text: Kai Wulfes)

Verwandte Themen: News: PdW: Sorbas (03.08.2009) News: "Horrorladen" und "Alexis Sorbas" in Schwerin (22.05.2008)
Kreativteam
Besetzung
Zuschauer-Rezensionen
Die hier wiedergegebenen Bewertungen sind Meinungen einzelner Zuschauer und entsprechen nicht unbedingt den Ansichten der Musicalzentrale.
 1 Zuschauer hat eine Wertung abgegeben:

    27956 Frisches Sommermusical
15.08.2009 - Flotte Trommeln. Eine riesige LED-Leinwand, über die Wolken, riesige Luftblasen oder Nahaufnahmen von den Darstellern gezeigt werden oder manchmal einfach nur kitschige Überblendungen zum auf der Bühne stattfindenden zeigt, dazu ein nahezuperfektes Orchester mit Schwung. Das alles bietet die zweite Inszenierung der Schlossfestspiele 2009 in Schwerin.
Der Star des Abends - Gojko Mitic - hat die nötige Präsenz und bringt auch die nötige Lebenserfahrung für die Rolle des Sorbas mit. Jedoch ist er kein Meistersänger und mogelt sich durch seine Lieder, die er aber mit Charme wieder passabel präsentiert. Ute Kämpfer, sowie Rüdiger Daas glänzen mit einer wundervollen Stimme. Nur das alberne Gehampel von Daas im zweiten Akt während des Duetts ist etwas zuviel des Guten.
Der Star des Abends ist Katrin Huke. Sie überzeugt mit einer Mörderstimme. Nur schade, dass ihre nicht soviele Auftritt gegönnt sind, denn man freut sich auf jedes Lied mit ihr.
Das Schauspielensemble und das Ballett des Theaters Schwerin passt sich perfekt der Szenerie an. Jedoch muss man auch hier bemerken, dass einigen das Gesangstalent nicht in die Wiege gelegt wurde, aber besonders in den großen Massenszenen am Anfang der der jeweiligen Akten glänzt die Vorstellung mit Atmosphäre und garantiert Gänsehaut.
Eine nicht ganz perfekte Vorstellung aber trotzdem immernoch sehr empfehlenswert. Und das Bum-Bum zum krönenden Abschluss darf natürlich auch nicht fehlen, nach Hortense zu sagen.

jongleur (49 Bewertungen, ∅ 3.3 Sterne) 
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Spielstätte: Alter Garten |
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Die Kriterien für unsere Kurzbewertungen (Stand: Dezember 2014)
Buch*: Ist die Handlung in sich schlüssig? Kann die Story begeistern? Bleibt der Spannungsbogen erhalten oder kommt Langeweile auf?
NICHT: Besonderheiten der konkreten Inszenierung des Theaters.
Kompositionen*: Fügen die Kompositionen sich gut in das Stück ein? Haben die Songs Ohrwurmcharakter? Passen die gewählten Texte auf die Musik? Transportieren Text und Musik die selbe Botschaft?
NICHT: Orchestrierung, Verständlichkeit des Gesangs der Darsteller in der aktuellen Inszenierung.
* werden nur bei neuartigen Produktionen (z.B. Premiere, deutsche Erstaufführung usw.) vergeben
Inszenierung: Wie gut wurde das Stück auf die Bühne gebracht? Stimmen die Bilder und Charaktere? Bringt der Regisseur originelle neue Ansätze ein?
NICHT: Wie gut ist die Handlung des Stücks an sich oder die mögliche Übersetzung?
Musik: Kann die musikalische Umsetzung überzeugen? Gibt es interessante Arrangements? Ist die Orchesterbegleitung rundum stimmig? Muss man bei Akustik oder Tontechnik Abstriche machen?
NICHT: Sind die Kompositionen eingängig und abwechslungsreich? Gibt es Ohrwürmer? Gefällt der Musikstil?
Besetzung: Bringen die Darsteller die Figuren glaubwürdig auf die Bühne? Stimmen Handwerk (Gesang, Tanz, Schauspiel) und Engagement? Macht es Spaß, den Akteuren zuzuschauen und zuzuhören?
NICHT: Sind bekannte Namen in der Cast zu finden?
Ausstattung: Setzt die Ausstattung (Kostüme, Bühnenbild, Lichtdesign etc.) die Handlung ansprechend in Szene? Wurden die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten optimal genutzt? Bieten Bühne und Kostüme etwas fürs Auge und passen sie zur Inszenierung?
NICHT: Je bunter und opulenter ausgestattet, desto mehr Sterne.
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Leider keine aktuellen Aufführungstermine. |
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