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Jekyll & Hyde (2008 - 2009)
Theater, Lüneburg

Kreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
 

Radikale Neuinszenierung und -interpretation des Wildhorn-Klassikers in postmoderner Optik – innovativ und mutig, aber nicht unproblematisch. In den Hauptrollen: Kasper Holmboe, Sigrid Brandstetter und Caroline Kiesewetter.

Regisseur Philipp Kochheim wagt sich an eine radikale Neuinterpretation von Wildhorns viktorianischem Grusel-Thriller. Es ist nicht die durchgängige und konsequente zeitliche Versetzung in die Moderne, die überrascht – die Lüneburger Inszenierung ist bei weitem nicht die erste, die die Handlung aus dem düsteren 19. Jahrhundert ins hippe Handy-Zeitalter verlegt. Doch Kochheim geht einen Schritt weiter: fernab vom pseudo-wissenschaftlichen Aberglauben, Jekylls Elixier erschaffe mit Hyde eine völlig andere, bösartige Person, verursacht die Einnahme der Chemikalie hier vielmehr einen bloßen Abbau von Jekylls Hemmungen. Vom animalischen Monster mit wilder Mähne und Fellmantel, das schon rein optisch meilenweit vom netten, geschniegelten Dr. Jekyll entfernt ist, muss man sich in dieser Inszenierung gänzlich verabschieden. Arrogant und aufbrausend ist Jekyll schon vor seinem Experiment. Wenn er schließlich zu Hyde wird, dann ist das weniger eine Verwandlung im eigentlichen Sinne als vielmehr eine extreme Steigerung seiner negativen Eigenschaften und seiner unterdrückten gewalttätigen Impulse.

Es ist ein interessanter, moderner Ansatz, den man versucht, konsequent ins Stück einzuweben: nicht nur szenisch und darstellerisch, sondern auch mit etlichen Textveränderungen – zum Teil offensichtlichen (Textstellen wie “Wer ist diese Kreatur in mir?” bei der “Verwandlung” werden gestrichen), oft auch nur subtilen Abwandlungen. Die Grenze zwischen Jekyll und Hyde verschwimmt im Laufe des Stücks zunehmends. “Ein gefährliches Spiel” beispielsweise wird zum Duett zwischen Lucy und Jekyll, was dem Lied eine völlig neue Bedeutung gibt: die Affäre ist nicht gefährlich, weil Lucy weiß, dass sie sich mit einem sadistischen Psychopathen einlässt, sondern weil ihre Beziehung zu Jekyll verboten ist und keine Zukunft hat.

Doch so spannend diese Interpretation ist und so viel Mühe sie sich gibt, die übernatürlichen Elemente des Originals rationell zu erklären, am Ende stößt sie doch an die Grenzen der Logik. Denn wenn Hyde und Jekyll unverkennbar ein und dieselbe Person sind, warum geht Lucy dann völlig ahnungslos zu Jekyll, um ihre von Hyde beigebrachten Wunden behandeln zu lassen? Ebenso unverständlich ist Pooles Rolle, der weiter seelenruhig als Jekylls Assistent arbeitet, nachdem Hyde versucht hat, ihn im Aquarium zu ertränken.

Die Nebenrollen bleiben in der auf knapp zwei Stunden gerafften Inszenierung allgemein recht zweidimensional, so dass der Fokus noch stärker als sonst auf die drei Hauptcharaktere gelenkt wird. Kasper Holmboe ist ein charismatischer Jekyll, der allerdings zu keinem Zeitpunkt wirklich Sympathieträger ist. Den fließenden Übergang vom hitzköpfigen Jeykll zum mordenden Hyde stellt er mit intensiver, detailverliebter Darstellung ebenso überzeugend dar wie seine Beziehungen zu Lisa und Lucy. Lisa darf in dieser Fassung des Stoffes mehr sein, als nur die liebende, zurückhaltende Verlobte, die Jekyll den Rücken freihält, und wird von Sigrid Brandstetter als begehrenswerte, starke, stolze Frau dargestellt. Caroline Kiesewetter hat das Publikum – und Jekyll – ab ihrem ersten Auftritt mit “Schaff die Männer ran” voll in der Hand. Dass auch bei der Rolle der Lucy leicht gekürzt wurde, fällt hinsichtlich ihrer leidenschaftlichen und stimmlich starken Darbietung kaum ins Gewicht.

Erwähnenswert ist auch das weitgehend statische, aber bis ins kleinste Detail perfekt durchgestylte Bühnenbild von Barbara Bloch, das Jekylls stylisches Designerloft mit High-Tech-Labor zum Leben erwachen lässt, sowie die bedrohlich wirkende Massenszene zum Auftakt des zweiten Aktes, in der ein dunkel gekleideter Mob mit Taschenlampen durch die Zuschauerreihen zieht, um den Mörder zu suchen.

Das fulminante, ebenfalls stark veränderte Finale entschädigt letztendlich für so manchen Logik-Fehler, der an der Inszenierung stören mag. In der Konfrontation ringt Jekyll mit Hyde (bzw. mit sich selbst) um eine Pistole. Jekyll triumphiert am Ende des Liedes, doch anders als in den gängigen Inszenierungen ist dieser Triumph nicht die scheinbare mentale Befreiung von seinem bösen Alter Ego durch pure heroische Willenskraft, sondern einzig der Sieg über Hydes Versuche, die Waffe von sich weg zu schieben. Jekyll erschießt sich am Ende der “Konfrontation” und sorgt damit für einen weit größeren Schockeffekt, als normalerweise bei seiner erneuten Verwandlung nach dem scheinbaren Happy End in der hier völlig fehlenden Hochzeitssequenz. Lisa findet die Leiche im Labor und singt ein verzweifeltes “Da war einst ein Traum”, während das Ensemble im Hintergrund eine letzte Reprise von “Fassade” anstimmt. Unbeobachtet von den anderen nimmt unterdessen der von Eifersucht und Neid zerfressene Simon Stride eine Probe von Jekylls Elixier ein. Noch während sich die ersten Wirkungen zeigen und Stride allem Anschein nach zu einem neuen Hyde wird, senkt sich unheilvoll der Vorhang. Fortsetzung folgt – in den Köpfen der Zuschauer.

 
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KREATIVTEAM
RegiePhilipp Kochheim
Musikalische LeitungUrs-Michael Theus
BühneBarbara Bloch
KostümeSabine Meinhardt
 
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CAST (AKTUELL)
Dr. Jekyll /Mr. HydeKasper Holmboe
Lisa Sigrid Brandstetter
Lucy Caroline Kiesewetter
Sir DanversHarro Korn
UttersonFriedrich von Mansberg
Simon StrideKristian Lucas
Poole Marc Westphal
Lady BeaconsfieldAgnes Müller
Bischof Uwe Salzmann
General Lord GlossopOliver Hennes
Sir Archibald ProopsWolfgang Marchetto
Lord SavageHans-Wittich Karsten
Spider Ferdinand Steinhöfel
Priester Sascha Littig
 
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TERMINE
keine aktuellen Termine
 
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TERMINE (HISTORY)
Sa, 22.11.2008 20:00Theater, LüneburgPremiere
Mi, 26.11.2008 20:00Theater, Lüneburg
Sa, 06.12.2008 20:00Theater, Lüneburg
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