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 Klassiker
West Side Story Tony und Maria am Tor zum Berner Oberland Iwan Wassilevski hat als musikalischer Leiter der Partitur von Leonard Bernstein die Zähne gezogen. Dass die Produktion auf der Thuner Seebühne trotzdem Biss hat, verdankt sie der sparsamen und gerade deshalb gelungenen Ausstattung, einer tollen Choreographie und dem hervorragenden Ensemble.
(Text: Gaby Meier-Felix) Premiere: | | 15.07.2008 | Letzte bekannte Aufführung: | | 30.08.2008 |
Das Konzept von Regisseurin Helga Wolf sah vor, dass "Bühnenbild, Licht und Kostüme zusammen mit der Regie eine Einheit bilden, welche die Darsteller in der Findung ihrer Figuren unterstützt und auf jede Selbstdarstellung verzichtet". Ueli Binggeli hat mit seinem schlichten Bühnenbild und den wenigen Requisiten diese Vorgabe konsequent umgesetzt. Drei Baugerüst-Elemente, verbunden durch Treppen und Galerien, symbolisieren abstrakt Häuserfronten. Nur nach dem Eindunkeln, wenn die stilisierten Fenster in Form von gespannten Flächen zusätzlich beleuchtet werden, erhält das Bühnenbild Kontur. Dass durch den filigranen Bühnenabschluss die beeindruckende Alpenlandschaft rund um die Seebühne sichtbar bleibt, hat einen besonderen Reiz und darf sicherlich als großer Pluspunkt der spartanischen Produktion gewertet werden.
Auch Carla Prang hält sich mit ihren Kostümen zurück und verzichtet darauf, zusätzliche Akzente zu setzen. Sie pendelt zwischen den klassischen 50er-Jahre-Kostümen (Sharkgirls bei "America"), Rocker-Outfits für einige der Jets und eher neuzeitlicher, an Jugendliche aus dem Balkan erinnernder Aufmachung für einige der Sharks.
Die Zurückhaltung, welche bei Bühne und Kostümen sinnvoll scheint, setzt sich auch in der musikalischen Umsetzung durch Iwan Wassilevski fort, enttäuscht hier aber. Entgegen der Original-Orchestrierung werden in Thun weniger Schlagzeuge, dafür Bratschen eingesetzt, welche die Lücken zwischen den hohen Violinen und den tiefen Celli schliessen. Bernsteins Musik kommt rund und harmonisch über die Rampe und ist sicherlich für einen Grossteil der in Thun erwarteten 70'000 Zuschauer ein Genuss. Für Liebhaber des ursprünglich kantig-schrägen Bernstein-Sounds ist es jedoch eine Enttäuschung.
Die Sparsamkeit der Kreativ-Verantwortlichen und die Dimensionen der 40 Meter breite Seebühne verlangen den Schauspielern, Sängern und Tänzer einiges an Kondition ab. Auch die sehr dynamische, mit vielen Sprüngen und Hebefiguren gespickte Choreographie von Helga Wolf und Christopher Tölle lässt manchen Akteur ziemlich aus der Puste kommen. Dass dadurch die Verständlichkeit der Liedtexte leidet, ist schade. Vor allem "America" verliert seine humoristische Wirkung. "Officer Krupke" dagegen wird - herrlich inszeniert und durch die Jets mit viel Spielwitz umgesetzt – zum Showstopper des Abends. Am Premierenabend waren die Tanzschritte zum Teil nicht ganz synchron ausgeführt, was aber der eindrücklichen Wirkung keinen Abbruch tat. Ein Highlight der Produktion sind die von Kevin Foster konzipierten Kampfszenen. Er zeigt ein regelrechtes Feuerwerk von verschiedensten Arten, wie man einander verprügeln kann und füllt damit die Weiten der leeren Bühne spielend. Ebenso spielend gelingt dies den meisten Darstellern. Mimik und Gestik wirken bis Reihe 10 ganz natürlich, Zuschauer weiter hinten sollten aber auf jeden Fall ein Fernglas mitbringen.
Von den Darstellern überzeugen in Thun vor allem die Frauen. Joana Fee Würz ist eine liebenswerte Maria, die sich überzeugend vom schüchternen, verspielten Mädchen zur kämpferischen Frau wandelt. Ihre Verzweiflung nach Tonys Tod erzeugt Gänsehaut. Ihre eher zarte Stimme lässt sie verletzlich erscheinen und kommt vor allem in den Duetten mit Lucius Wolter sehr gut zur Geltung. Wolter überzeugt in den Duetten, zeigt aber bei seinen Soli leichte Schwächen. Auch darstellerisch kommt er nicht an seine Partnerin heran, zu aufgesetzt wirken Wut und Verzweiflung, zu wenig verspielt fällt die Hochzeitsszene aus.
Auch Sigrid Brandstetter spielt als Anita ihren Partner Philipp Hägeli (Bernado) fast an die Wand. Mit einer gehörigen Portion Pfeffer zeigt sie eine temperamentvolle Anita und versprüht Lebensfreude und Witz und lässt zu Ende des Stücks Enttäuschung, Verrat und Verzweiflung greifbar werden. Wenigstens hat Philipp Hägeli in seiner Rolle im Gegensatz zu Lucius Wolter die Möglichkeit, auf der tänzerischen Seite, in den Kampfszenen sowie mit seinem komödiantischen Talent Punkte gut zu machen.
Eine homogene Einheit bilden die Jets mit Udo Eickelmann als Riff an der Spitze. Die einzelnen Charaktere sind fein gezeichnet und die Identifizierung fällt leicht. Stimmlich, darstellerisch und tänzerisch überzeugen vor allem Sven Olaf Denkinger, Matthias Stockinger, Stephan Luethy, Till Nau und Annette Potempa als Anybodys. Dass die Paradenummer "Cool" nicht so ganz zu greifen vermag, ist daher eher auf die musikalische Umsetzung als auf die Leistung des Ensembles zurück zu führen.
Die gelungene Durchmischung des Ensembles von Sängern und Tänzern ist schlussendlich der tragende Pfeiler, der "West Side Story" in Thun zu einem Erlebnis werden lässt. Schliesslich gibt es kaum ein Musical, in dem sich Tanz, Gesang und Schauspiel so ausgeglichen die Waage halten wie "West Side Story". Die Verantwortung, die Helga Wolf mit ihrem Konzept vor allem in die Hände der Darsteller legt, wird auf eindrückliche Art und Weise umgesetzt. Sehenswert!
(Text: gm)

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Kreativteam
Besetzung
Zuschauer-Rezensionen
Die hier wiedergegebenen Bewertungen sind Meinungen einzelner Zuschauer und entsprechen nicht unbedingt den Ansichten der Musicalzentrale.
 5 Zuschauer haben eine Wertung abgegeben:

    26914 Teuer und einfallslos
14.08.2008 - Ich habe West Side Story schon sehr oft gesehen und vielleicht liegt es daran, dass mir diese verstaubte Interpretation nicht gefallen hat. Wenn sich in der Oper so wenig verändern würde wie in dieser Interpretation, stände es schlecht um sie. Tony und Maria! Schlimmer gehts kaum, wobei die beiden vielleicht, abgesehen von den dünnen Stimmen nicht viel für die Biederkeit können. (Die beiden beim Kennenlernen und anschliessendem Tanz/Spiel mit Puppen und fiktive Heirat) = Ersters peinlich, zweiteres Phantasielos. Die DarstellerInnen könnten sicher mehr als es die schwache Choreographie zulässt.(Mambo). Dass das der Platz des Bühnenbilds so schlecht ausgenützt wird ist ebenso schade. Der Lichteffekt am Schluss kommt ein bisschen sehr spät. Dass bei einem solchen Casting die meisten Sharks aussehen wie aus dem Ruhrpott gibt zu denken.Mit den Akzenten war man sich auch nicht so einig
.Einzig die Darsteller der Jets und vor allem der hervorragende Stefan Luethi vermochten wirklich zu überzeugen und liessen den Ärger über den teueren Abend ein bisschen abflachen.

berger (3 Bewertungen, ∅ 2.3 Sterne)
    26907 Enttäuschend
13.08.2008 - leider ist die Qualität der >produktion wirklich mangelhaft.Ich war sehr enttäuscht und meine Freundinnen auch.2 davon gingen früher .

schneewittchen (5 Bewertungen, ∅ 0.8 Sterne)
    26819 Eine beeindruckende Vorstellung
20.07.2008 - Zweimal habe ich sie genossen. Einmal als Probe und einmal als Aufführung. Vor dem Hintergrund einer grandiosen Landschaft ist es den Darstellern und dem Orchester gelungen, die Westsidestory als Liebesgeschichte zu inszenieren. Was kann es dafür eine bessere Kullisse geben als eine angenehme Abendstimmung und ein Vollmond. Sehr beeindruckt hat mich aber auch die gesellschaftskritische Darstellung des Musicals. Wir erleben doch heute in unseren Problemstadtteilen die Problematik der ethnischen Absonderung. Arbeitslosigkeit, Verarmung und damit verbunden Hoffnungslosigkeit. Ein Theater hat die Aufgabe, die Finger in die Schwachstellen unserer Gesellschaft zu legen. Diese Inszenierung hat mich zum Nachdenken gebracht. Mein Fazit: "Bist du ein JET, bleibst du ein JET!" - Traurig aber wahr. Egal, wie die Songs auch immer lauteten, es sind Songs, die Lüge, Hass, Streit - aber auch Träumereien beschreiben.
Einen der Darsteller kenne ich persönlich. Er ist noch jung, aber er wird seinen Weg finden. Er zeigt auf der Bühne, was in ihm steckt. So verwunderte es mich nicht, dass er für zwei Rollen ausgesucht wurde. Ich wünsche ihm und dem ganzen Ensemble noch zahlreiche herrliche Abende am Thuner See und vor allem viel Erfolg auf den Brettern, die die Welt bedeuten.
Klaus Wolf, Heidelberg - Deutschland

Klaus_Wolf (erste Bewertung)
    26805 Erstmals Profitheater in Thun
19.07.2008 - Ich kann mich meinem Vorredner leider ganz und gar nicht anschließen. Scheinbar hängt hier jemand an der guten alten Zeit und kann nicht loslassen! Bisher kamen die Inszinierungen ohne Gesamtkonzept mit aufgeblasenen, aber durchweg sinnlosen Bühnenbildern daher.
In Thun ist erstmals eine echte Regie und ein Konzept des Stückes und der Bühne zu erkennen. Eine ausgezeichnete Arbeit von Helga Wolf und Ueli Binggeli. Bühne und Licht aus seiner Hand sind sehr schön.
Bei den Künstlern überzeugen vor allem die Damen. Sigrid Brandstetter verdient Höchstnoten und Jona Fee Würz steht dem nicht hinterher. Auch die Herren zeigen durchweg eine sehr gute Leistung. Das gesamte Ensemble ist gespickt mit ausgezeichneten Profis, die eine sehr große Spielfreude ausstrahlen. Die Kulisse der thunerSeespiele ist ohnehin unschlagbar. Nun zeigt man Eindrucksvoll, dass auch schwierige Stücke mit ernsthaftem Stoff, professionell insziniert werden können.

dodo24 (erste Bewertung)
    26801 Chance vertan
18.07.2008 - Liebe Leute
Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, ausführlich über die Premiere zu schreiben über Darsteller/innen, die überzeugen, eine imposante Aufführung mit neuen Aspekten und mit einer Vergabe von 4 oder 5 Sternen. Aber......
Leider sinkt die Qualität der Thuner Seespiele von Jahr zu Jahr. Eine gute Darstellerriege, die auch abundzu für Highlights besorgt ist, genügt einfach nicht um mit einem schönen Gefühl heimzugehen. Ein Bühnenbild muss nicht oppulent sein oder sehr teuer erscheinen. Es muss die Handlung unterstützen, gerade bei der WSS. Aber so billig wie in Thun darf es nicht wirken.
Auch dieses Jahr ist das Guestbook der Seepsiele wieder inexistent, scheinbar wegen Spamattacken.
Ich bin aber der Meinung, dass eine Verbesserung der Qualität nur eintreffen wird, wenn sich die Verantwortlichen einmal den Meinungen des zahlenden Publikums stellen würden, damit man die Qualität wieder einmal verbessern könnte. Schade um eine traumhafte Kulisse. Schade für eine ganze Region.
Wenn Ihr Tickets ordert, dann wegen den sehr engagierten Darsteller/innen, welche sich wirklich Mühe geben, in den Tanzszenen wirklich ans Limit geben und einzelne Solis wirklich hervorragend daherkommen. (Immer vorausgesetzt man sitzt nicht in den hinteren Reihen, dort ist die Lautstärke zu gering und die Darsteller gehen auf der Bühne, die absolut keine Hilfe ist, leider verloren).
Schade, dass man den Darstellern nicht den Raum lässt, sich zu entfalten, denn was einzelne können, hat man bereits in vielen Vorstellungen sehen können (Tanz der Vampire, Rebecca, usw.)
Ich würde mich freuen, nächstes Jahr einen besseren Bericht schreiben zu dürfen.

Mark10 (erste Bewertung) 
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| Handlung | Der Amerikaner Tony verliebt sich in die Puertorikanerin Maria. mehr Was wie ein Märchen beginnt, endet in einer Tragödie. Tony gehört zu den "Jets", Marias Bruder und ihre Freunde zu den rivalisierenden "Sharks". Die Kämpfe zwischen den Gangs werden durch die Zuneigung des Pärchens weiter angestachelt, letztendlich führt jedoch ein simples Missverständnis zum tragischen Ende der Geschichte.
| Weitere Infos | Leonard Bernsteins moderne Adaption der Romeo-und-Julia-Geschichte mit Texten von Stephen Sondheim ist eines der bekanntesten Musicals überhaupt. Die Uraufführung fand am 26. September 1957 im Winter Garden Theatre in New York statt. Die Verfilmung des Musicals aus dem Jahr 1961 wurde mit zehn Oscars honoriert. 1968 wurde das Musical in der Wiener Volksoper zum ersten Mal in deutscher Sprache gezeigt. Die deutsche Fassung stammt von Max Colpet und Walter Brandin.
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