 Drama
Jekyll & Hyde Die Grenze zwischen dem Guten und dem... Jekyll & Hyde intim: Die Bad Vilbeler Festspiele stoßen mit einer stimmigen Inszenierung und einem starken Ensemble in die erste Liga der deutschsprachigen Open-Air-Produktionen vor. Nur der in den Massenszenen eingesetzte Laienchor stört den professionellen Eindruck.
(Text: Daniel von Verschuer) Premiere: | | 11.06.2008 | Letzte bekannte Aufführung: | | 06.09.2008 |
Egon Baumgarten, seit Jahren Bad Vilbeler Hausregisseur in Sachen Musical, hat ganze Arbeit geleistet. Mit nur elf Darstellern, drei Tänzerinnen und einem örtlichen Laienchor realisiert er eine zwar abgespeckte, aber mitreißende und durchdachte Version des Wildhorn-Musicals. Die Bühne (Thomas Pekny) ist schlicht: Ein rostiges Gerüst bildet den Abschluss nach hinten, aus den dazwischen montierten silbrig verspiegelten Schiebetüren treten die Figuren auf die nicht sehr große, sich nach hinten verengende Bühne. Ein rollbares Drehelement in der Mitte dient als Labor, Nachtclub, Altar und Lucys Zimmer. Die relative Enge und die geringe Entfernung zu den Zuschauern macht sich Baumgarten zunutze und lässt sein Ensemble intime Szenen spielen, in denen die Zerrissenheit der Protagonisten deutlich wird. Besonders gut gelingt es ihm, die fiebrige Begierde zwischen Lucy und Hyde fast kammerspielhaft einzufangen. Schwach dagegen die Szene, in der Utterson erstmals Hyde begegnet: Durch die räumliche Nähe beider Figuren entbehrt es jeglicher Logik, dass Utterson Hyde nicht sofort erkennt. Hin und wieder fehlt der Inszenierung etwas das Tempo, etwa unmittelbar nach der Verwandlung, wenn Hyde die Bühne verlässt und mehrere Sekunden lang außer dem lauten Zischen der Nebelmaschine nichts passiert. Einige Szenen (unter anderem das Duett von Stride und Lisa bei der Verlobungsfeier und Hydes Solo "Die Welt ist völlig irr") und sogar die Rolle des Butlers Poole fielen der Schere zum Opfer, was der Story aber nicht schadet. Da stört viel eher die holprige Übersetzung von Susanne Dengler, die nur so strotzt vor falschen Betonungen und schiefen Bildern - hier muss für kommende Inszenierungen dringend Abhilfe geschaffen werden. Durch die kleine Orchesterbesetzung mit fünf Bläsern, vier Streichern, Keyboards, Schlagzeug und Bass kommt jedem Musiker eine besondere Verantwortung zu. Am Premierenabend saß unter der Leitung von Thomas Lorey noch nicht jeder Ton und die Abmischung war nicht optimal, aber die Klarheit, mit der jedes einzelne Instrument zu hören ist, lässt neue Facetten an Wildhorns Musik erkennen. Die Besetzung des Ensembles mit Profis und Amateuren des örtlichen Chores "Vil-belCanto" war in den vergangenen Jahren eine der Stärken des Bad Vilbeler Musicals: Eine Regionalveranstaltung, die auch Theaterinteressierte aus der Region einbindet, hat durchaus Charme. Da nun aber die Qualität der Inszenierungen stetig steigt, fallen unmotiviert wirkende Gesichter, falsch gesetzte Tanzschritte und schlechte getimte Auf- und Abgänge immer unangenehmer auf. Für eine Produktion mit derart kleinem Budget ist es sicher nicht möglich, allein für die wenigen Massenszenen weitere Profis zu beschäftigen - doch intensiveres Training und eine strengere Auswahl der beteiligten Amateure sind für kommende Produktionen unerlässlich. Alexander di Capri, der die Titelrolle erstmals im vergangenen Jahr in Bozen spielte, ist ein energiegeladener, von seinen Forschungen getriebener Jekyll, der zum fiesen, verschlagenen Hyde mit aufgerissenem Hemd und wilder schwarzer Mähne mutiert. Im zweiten Akt changiert seine Stimmfärbung je nach Rolle zwischen klarem Poptenor und gewaltigem, dreckigen Rockbariton. Nur bei den schnellen Wechseln während der "Konfrontation" ist der stimmliche Unterschied zwischen Jekyll und Hyde nicht immer deutlich genug wahrnehmbar - dank der effektvollen Lichtregie (Jan Langebartels) wird diese Szene dennoch schlüssig. Anne Hoth ("Tanz der Vampire", Berlin) ist die Entdeckung des Abends. Ihre äußerst kraftvolle und sichere Beltstimme passt wunderbar zur Rolle der Lucy, während "Gefährliches Spiel" gelingt ihr spielerisch die Steigerung vom zurückgenommenen Beginn bis zum ekstatischen Höhepunkt. Ihre Szenen mit di Capri als Hyde spielt Hoth mit exakt der richtigen Mischung aus Begehren und Abscheu. Ein kleines Energiebündel mit großer Ausstrahlung! In der undankbaren Rolle der Lisa kann Eva Aasgaard zwar keine Glanzpunkte setzen, ihr schöner lyrischer Sopran passt aber sehr gut zu di Capris Stimme. Die leichten Intonationsprobleme, die Aasgard am Premierenabend bei "Nimm mich wie ich bin" in den Höhen hatte, sind im glänzend vorgetragenen Duett mit Hoth längst vergessen. Matthias Pagani, gesanglich wenig herausgefordert, kann seinem Utterson in den wenigen Auftritten ein deutliches Profil verleihen und sticht gemeinsam mit Sissy Staudinger aus der Riege der durchweg guten Nebendarsteller heraus. Die sehr wandelbare Staudinger in einer Doppelrolle als schrille Lady Beaconsfield und mitfühlende Nelly sorgt mit ihrem warmen Alt für ein in Musicals selten zu hörendes Klangerlebnis. Die kleine Open-Air-Bühne mit ihrer familiären Atmosphäre bildet einen reizvollen Kontrast zu den großen Produktionen - und kann qualitativ durchaus mit Tecklenburg, Bad Hersfeld oder Erfurt mithalten.
(Text: Daniel von Verschuer)

Verwandte Themen: News: PdW: Jekyll & Hyde (09.06.2008)
Kreativteam
Besetzung
Zuschauer-Rezensionen
Die hier wiedergegebenen Bewertungen sind Meinungen einzelner Zuschauer und entsprechen nicht unbedingt den Ansichten der Musicalzentrale.
 10 Zuschauer haben eine Wertung abgegeben:

    26642 es war soooo schön!
31.12.2009 - Nachdem ich J&H schon auf anderen Bühnen gesehen habe, war ich sehr gespannt, was mich in Bad Vilbel erwarten würde. Ein sparsames Bühnenbild (was aber nicht störte), ein tolles Ensemble und fantastische Hauptakteure. Allen voran zolle ich Alexander di Capri für diese Paraderolle meinen Respekt! Er hat diese Zerrissenheit unglaublich authentisch rübergebracht. Und Eva Aasgaard ist für meinen Geschmack die beste Lisa, die es gibt. Aber - wie schon gesagt - waren die Akteure alle voller Spielfreude und Können!
Ich freu mich schon auf meine nächsten Besuche!
LG aus Hamburg

Gittie
    26893 Gelungene Freilichtaufführung
09.08.2008 - Das man bei Open-Air Veranstaltungen Abstriche machen muß, dürfte jedem von uns klar sein, da geht es auch "Jekyll und Hyde" in Bad Vilbel (übrigens ein wirklich schnuckliges Städtchen) nicht anders als bei anderen Open-Airs dieser Art. Dennoch ist den Verantwortlichen der Burgfestspiele ein großer Wurf gelungen. Selbst wenn ich lange überlege kann ich den drei Hauptdarstellern di Capri, Hoth und Aasgaard in puncto Schauspiel und auch in puncto Gesang nichts negatives bescheinigen. Hervorzuheben auch der Chor, der ja aus örtlichen Laien bestand und eine wirklich gute Figur machte. Die Bühne und auch die beiden Parkettflügel sind zum größten Teil überdacht, so das auch bei längerem Sonnenschein
die Sehgewohnheiten seitens des Publikums nicht eingeschränkt werden,und gebruzzelt wird man auch nicht. Das Stück wurde gegenüber Bremen und Köln auf ca. zwei Stunden Länge abgespeckt, was dem Unterhaltungswert aber keinesfalls Abbruch tut. Was (vielleicht auch aus Kostengründen?!) ebenfalls fehlt sind die teilweise doch "rabiaten" Mordszenen der Kölner(und auch Bremer?) Inszenierung. Statt Lucy mit viel Theaterblut die Kehle durchzuschneiden, wird sie hier einfach mit einem Kissen erstickt. Ein anderer wurde im Original angezündet, wieder ein anderer wurde vor die Bahn gestoßen und einem weiteren gar eine Flasche in den Hals gesteckt. Auch Jekyll/Hyde mußte im Original eine ganze Menge Schüsse mehr
am Schluss einstecken (und das noch mit blutigen Einschusslöchern auf dem Hemd)
als hier in Bad Vilbel. Diese Szenen sind hier nicht so blutig und eher gemäßigt ausgefallen. Ein letztes Lob noch an die Musiker, die in der besuchten Vorstellung (Nachmittagsvorstellung, daher kann ich auch wenig zum Lichtdesign sagen) fehlerfrei intonierten. Zur Location selbst: Eine schnucklige kleine Burg, die von einem breiteren Wassergraben umgeben ist und über eine Brücke zu erreichen ist. Sieht nachts bei passender Beleuchtung natürlich noch toller aus. Schauen Sie sich's mal an, Sie werden es nicht bereuen.

Pitts (4 Bewertungen, ∅ 3.8 Sterne)
    26798 Schnuckelige Aufführung
16.07.2008 - Ich habe J&H schon oft gesehen und war begeistert....
Eine richtig schöne, schnuckelige Aufführung, mit 3 sehr guten Hauptdarstellern und einem starken Auftritt der "Mädchen der Nacht", hier vor allem Sissy Staudinger.
Seit der Premiere hat sich wohl einiges getan, denn die dort nachzulesenden Kritikpunkte scheinen ausgeräumt zu sein.
Ich glaube, ich komme nochmal von Köln nach bad Vilbel ...!

koelnkokol (4 Bewertungen, ∅ 4.3 Sterne)
    26730 Interessante Inszenierung
28.06.2008 - Die Show ist für die kleine Bühne eine große Leistung. Die Regie hat einiges verändert und umgestellt zu den großen Produktionen, auch gekürzt. Alex di Capri hat mich nicht ganz überzeugt, aber Eva Aasgaard ist für mich die beste Lisa, die ich nach zahlreichen Aufführungen des Stücks gesehen habe. Sie allein hat für mich den Abend gelohnt. Die Rolle des Utterson mit Matthias Pagani wurde ausgebaut und mit seiner schönen Stimme höre ich ihn immer wieder gern.Es lohnt sich also hinzugehen. Last not least eine schöne Kulisse in der Burg. Manko: Die Sitze sind unbequem.

ChristineL (6 Bewertungen, ∅ 4.3 Sterne)
    26709 Stärken und Schwächen
21.06.2008 - Auch ich habe die Premiere von Jekyll & Hyde in Bad Vilbel besucht. Nach Wien, Köln, Tecklenburg und Bielefeld die 5. Inszenierung die ich sah. Ich fand die Inszenierung hat einige originelle Regie-Ideen aber auch ein paar Schwächen. Alexander di Capri war ein sympathischer Jekyll, seine kleinen Texthänger seien ihm bei einer Premiere verziehen ;-); sein Hyde hatte aber meines Erachtens zu wenig Profil und erinnerte mit dem schwarzen Umhang eher an Zorro. Das sparsame Bühnenbild fand ich gut, es genügte völlig. Besonders gut gefielen mir die 6 Türen hinter denen z.B. in der ersten Szene im "Irrenhaus" die Patienten standen oder durch die die Darsteller auch bei der "Fassade der Toten" auftraten. Gelungen war auch schon der in den ersten Szenen gut herausgearbeitete Konflikt zwischen Jekyll und Stride, da man ja durch das fehlende Duett von Stride und Lisa gar nicht wußte, dass die beiden ja "Konkurenten" sind. Die Darsteller, (auch der Laienchor) waren durchweg gut. Einzig Erwin Bruhn, als Sir Danvers, wirkte etwas gehemmt. Sissy Staudinger war eine überzeugende Lady B. Ich fand allerdings, dass sie mit ihrer kräftigen Stimme das doch recht zarte Lied "Mädchen der Nacht" regelrecht erdrückt hat. Nach wie vor finde ich es sowieso schöner wenn es im Duett mit Lucy gesungen wird da es Lucy als das was sie ist charakterisiert: Als naive Träumerin die gerne ein neues Leben beginnen möchte. Auch dass das Lied "Gefährliches Spiel" im Stück nach hinten gerückt ist, hat mir gar nicht gefallen. Ich finde es logischer, dass Hyde aus Eifersucht auf Jekyll auf Lucy losgeht. Direkt nach dem Gefährlichen Spiel versteht man seine Agression nicht mehr so ganz und es nimmt irgendwie die Dynamik aus dem Musical. Grundsätzlich ist die Vilbeler Inszenierung aber empfehlenswert; ich werde sie mir sicher nochmal anschauen.

Irina (8 Bewertungen, ∅ 4 Sterne)
    26707 Ziemlich geil
21.06.2008 - Ich dachte erst, dass das im kleinen Rahmen von Bad Vilbel bestimmt nicht gut funktioniert, aber ich wurde eines besseren belehrt! Klasse Show, ich fand es irre spannend, Di Capri war auf beiden Seiten echt klasse. Und Anne Roth war die beste Lucy, die ich bisher gesehen habe, sowohl stimmlich als auch von der Ausstrahlung, super! Das einzige, was ich wirklich bemängele, sind die SItzgegebenheiten in Bad Vilbel, die beiden Blöcke finde ich wirklich ein bisschen doof aufgeteilt, so dass man wirklich Pech mit seinen Plätzen haben kann!

Dillamoth (2 Bewertungen, ∅ 4 Sterne)
    26656 Grandiose Aufführung
14.06.2008 - Ich habe zum ersten mal eine tolle Aufführung von Jekyll&Hyde gesehen...und das in Bad Vilbel und nicht in Wien, Köln...oder sonst wo...Für tolle Effekte war wohl nichts im Budget...dafür aber für die Darsteller...und das hat sich allemal gelohnt. Ein grandioser Alexander di Capri in der Doppelrolle!Matthias Pagani als Utterson hat hervorragend mit Alexander harmoniert...und auch Eva A. war eine bezaubernde Lisa! Ich bin froh, dass ich bei der Premiere in Bad Vilbel und nicht in Bad Hersfeld dabei war. Gruß Wolfgang

Wolfgang
    26646 Grandios
13.06.2008 - Großes Lob an Egon Baumgarten für diese tolle Inszenierung. Es stimmte einfach alles. Die Protagonisten sind von höchster Qualität. Besonders hervorzuheben: Sissy Staudinger als Mrs.Beaconsfield und zugleich als Nelly, einfach grandios!

Louisa Contini
    26643 Wow....
13.06.2008 - Ein überaus hohes gesangliches Niveau auf dieser Bühne, die Inszenierung stimmig von Anfang bis Ende, trotz Kürzungen - oder gerade wegen dieser?! - und sparsamstem Bühnenbild.
Ungemeine Spielfreude und Körpereinsatz vom Hauptdarsteller bis zur kleinsten Nebenrolle, was will man mehr?!
Ich bin begeistert ....

ReginaK.
    26641 Gänsehaut pur
13.06.2008 - Ein stimmiges Bild
mit Gesang, Tanz,
Schauspiel, Bühnen-
bild, Kostümen und Burg-Atmosphäre,
das den Zuschauer
in Bann hielt - nur
der London-typische-
Nebel und das
Fußball-Euphorie-
Gehupe störten.

LolaTrend 
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