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 Satire
Strike Up the Band Krieg um Käse Die deutsche Erstaufführung des 80 Jahre alten Gershwin-Musicals begeistert mit zeitloser Musik und verblüffend aktueller Handlung. Die großartigen Hauptdarsteller sprühen vor Spielfreude, Matthias Davids' glanzvolle und pointenreiche Inszenierung bringt den Broadway in den Pott.
(Text: Daniel von Verschuer) Premiere: | | 08.12.2007 | Dernière: | | 20.05.2008 |
"Die Vereinigten Staaten von Amerika sind hier auf einem ihrer beliebten Auslandseinsätze!" - "Was wollen Sie, einen kleinen oder einen großen Krieg? - Ein kleiner Krieg lohnt sich ja nicht!" - "Wir haben diese Schweizer satt, wir machen ihre Alpen platt!": In der beißend-komischen Realsatire über Käse, Krieg und Liebe wird schnell deutlich, dass die Darstellung der USA als imperialistische und bisweilen ignorante Großmacht auch nach einem knappen Jahrhundert nichts von ihrer Aktualität verloren hat. Dabei bleibt Ira Gershwins genialer Wortwitz dank der rundum gelungenen Übersetzung von Roman Hinze durchgängig erhalten, und George Gershwins zeitlose Songs lockern immer wieder die (trotz radikaler Kürzungen durch Regisseur Matthias Davids) für heutige Verhältnisse etwas langatmigen Dialoge auf. Auch das Buch hat es in sich: Wenn sich vier der Haupdarsteller mit Silberperücken und Uncle-Sam-Hüten als "höchstpatriotische Vereinigung" verkleiden, daraufhin schweizerische Bücher verbrennen wollen und für die Abschaffung der freien Meinungsäußerung eintreten, dann kann man nicht anders, als die beinahe prophetisch anmutenden Einfälle von Buchautor George S. Kaufman zu bewundern. Davids gelingt mit feinem Gespür für Situationskomik eine leicht-lockere, nie ins Alberne abdriftende Umsetzung des absurden Stoffs, er inszeniert konsequent nach der Vorlage von 1927 und aktualisiert nur die Ausstattung - es kommen Laptops, Plastikstühle und Sturmgewehre zum Einsatz - und wenige Textstellen. Das tut dem Stück gut. Originelle Einfälle für die Rahmenhandlung wie die schweizerdeutsche Ansage zu Beginn und Käsehäppchen fürs Publikum nach der Pause passen dabei ebenso ins Bild wie die kostümierte Souffleuse oder die Schiffsszene, für die der wie ein Oberdeck gestaltete Orchestergraben auf Bühnenniveau hochfährt. Natürlich singt man an der Reling Liebeslieder, aber auch hier wird Davids nie schmalzig oder albern. Das durchweg großartige Ensemble besteht aus Mitgliedern des Hauses und Gästen, wobei zwischen beiden Gruppen qualitativ überhaupt kein Unterschied auszumachen ist. Von Gaines Hall in der Rolle des unangepassten Journalisten Jim Townsend hätte man gern mehr gesehen, seine Gesangs- und Steppeinlagen überzeugen aber wie immer. Joachim Gabriel Maaß als Käsemagnat Horace Fletcher, Anke Sieloff als seine Tochter Joan und Eva Tamulénas (Mrs. Draper) singen stark und haben sichtlich Spaß an ihren Rollen. Filipina Henoch steppt, tanzt und spielt fantastisch, ihre Stimme hat genau die richtige jugendliche Frische für die quirlige Anne Draper, ihre Bühnenpräsenz ist umwerfend. An den Gesangs- und Tanzduetten mit Bühnenpartner Philippe Ducloux (Timothy Harper), der in nur zehn Tagen Probenzeit für den verletzten Patrick Schenk einsprang, kann man sich gar nicht sattsehen und -hören. Daniel Drewes' grandios-groteske Kurzauftritte als Telefoninstallateur, Telegrammbote und General sind unheimlich komisch, er wird schnell zum Publikumsliebling. Chor und Statisterie machen ihre Sache viel besser, als man es von diversen Stadttheaterproduktionen gewohnt ist, und fügen sich als Fabrikarbeiter, Soldaten oder Schweizer Bürger mit viel Spielfreude nahtlos in die Aufführung ein. Leider sind sie nicht immer gut zu verstehen, und die projizierte Übertitelung der Songs wird von den Scheinwerfern der Lichttraverse "überstrahlt", so dass sie kaum zu lesen ist. Die knallbunten Kostüme von Judith Peter, das variable Bühnenbild von Knut Hetzer und Melissa Kings abwechslungsreiche Choreographien tun ihr übriges für eine durchweg gelungene Show, und mit der Unterstützung durch Kai Tietje und seine blendend aufspielenden Musiker der Neuen Philharmonie Westfalen kommt der Broadway auf die Bühne des MiR.
(Text: dv) 
Verwandte Themen: News: PdW: Strike Up the Band (03.12.2007) News: Gershwin-Erstaufführung in Gelsenkirchen (30.10.2007)
Kreativteam
Besetzung
Zuschauer-Rezensionen
Die hier wiedergegebenen Bewertungen sind Meinungen einzelner Zuschauer und entsprechen nicht unbedingt den Ansichten der Musicalzentrale.
 10 Zuschauer haben eine Wertung abgegeben:

    25787 Amerikakritik auf die leichte Art
23.04.2008 - Vielen Dank dem Musiktheater im Revier für die mutige Wahl dieses unbekannten, hochaktuellen Gershwin-Musicals. Wunderbarer absurder Humor und dazu die traumhaften Gershwin-Songs, was will man mehr? Na ja, vielleicht weitere solche Ausgrabungen. Wie wär's z.B. mit "Of Thee I Sing"? Ein aktuelleres Thema als den amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf gibt's doch gar nicht!

Rotbart
    25456 Das beste Musical, das ich gesehen habe
06.04.2008 - Hier stimmt einfach alles, von den großartigen Schauspielern, Tänzern und Sängern, die bis zum letzten Ensemblemitglied voll in ihren Rollen aufgehen, bis zum Bühnenbild und den Kostümenen - beides knallig, aber mit klaren Linien und immer mit einem dicken Augenzwinkern. Temporeich, mit wirklich fantastischen Shownummern, bei denen auf mehreren Ebenen über die Bühne getanzt, gesungen und gesteppt wird (gesteppt wird so gar in der Horizontalen). Das Beste daran: Nicht nur die Musik von Gershwin ist großartig, auch die Liedtexte seines Bruders und die Story haben einen politischen, teilweise perfide pazifistischen Witz und hinter dem manchmal grotesken Klamauk steckt eine gesellschaft- und kapitalismuskritische, pazifistische Haltung, die unheimlich aktuell ist. Es ist ein gelungenes hochaktuelles Politikkabarett-Stückchen, das wir hier sehen, mit Komödianten, die wirklich singen und spielen können. Bitte, bitte, bringt ein Video oder wenigstens eine CD heraus odder sorgt dafür, dass die Show auf ARTE oder 3Sat gezeigt wird!

blätterwald
    24764 Großartig
27.02.2008 - Zunächst ist man ja ziemlich betroffen, dass die schräge Idee der Autoren - ein durch die Industrie finanzierten Krieg -80 Jahre später Wirklichkeit geworden ist. Da bleibt einem schon das Lachen im Halse stecken.
Die Mitwirkenden sind großartig in dieser pracht- und schwungvollen Aufführung. Gute Regie und Choreographie. Wie viele Musical hat auch "Strike up the Band" ein 2nd-Act-Problem, dass die Regie und die großartigen Darsteller aber gut überspielen. Der Ton war anfangs etwas dumpf, verbesserte sich aber im Laufe der Vorstellung merklich. Das war dann aber auch schon das Einzige, dass es zu beanstanden gab.

Ben
    23691 Tolles Theater mit einem Abstrich
06.01.2008 - Wir haben im MIR schon viele tolle Musical-Produktionen gesehen und sind mit hohen Erwartungen hingegangen. Ob "Strike up the Band" unbedingt aufgeführt werden muß, ist geschmackssache.
Für Viele sicher zu schräg und eben mit viel Text versehen.
Aber das MIR hat sich wieder Einiges einfallen lassen, um den Abend unterhaltsam zu gestalten! Das Zusammenspiel von Chor und Ballett war wiedermal prima. Die Darsteller waren auch gut. Anke Sieloff und Gaines Hall hatten diesmal irgendwie nicht die Hauptrollen. Die besseren und tanzintensiveren Rollen hatten Filipina Henoch und Philippe Ducloux. Ein ganz großes Lob!
Das einzige wirkliche Ärgernis war aber, dass zwar englischsprachige Lieder angekündigt waren, was in vielen anderen Aufführungen mit dt. Übertexten schon toll funktioniert hatte, aber leider alle Lieder(bis auf die 3 bekanntesten Songs)mit deutschen Texten versehen waren.
Schade! Wir hoffen nur, dass die nächsten Musicals in Gelsenkirchen wieder in englisch sind.

Susanne
    23426 Klamauk, bunt,lustig,schrill
26.12.2007 - Man lasse sich einfach auf Klamauk, bunte Kostüme, klasse Tanz -und Steppszenen ein (bemerkenswert die Steppnummer an den senkrechten Alpenwänden !), gemixt mit einem genial lustigen Daniel Drewes und einem abwechslungsreichen, hellen Bühnenbild ... und schon hat der Zuschauer einen kurzweiligen Abend der einen für ca. 3 Stunden in eine andere Welt befördert. Mir gefällts.

Gast
    23422 Käsekrieg
26.12.2007 - Peinliches provinztheater mit schlechter Regie und ohne Tonqualität, kriegt man eigentlich sein Geld zurück?Ärgernis

Hannes
    23334 es könnte gut sein
20.12.2007 - eigentlich könnte es toll sein, toll dass man das stück ausgräbt, toll der nicht gewollte zeitbezug und leider leider lässt man das einem regisseur machen der weiss gott warum noch immer stücke mit dialog inszeniert er kanns halt nicht und singen sollten die damen und herren auch besser können, also leider nur provinz, auch der sound ist indiskutabel, w2as nützt also eine ausgrabung wenns nicht wirklich goldgräber sind die dannach butteln.

felidae
    23269 beste Musical je gesehen
17.12.2007 - tiefsinnig, ironisch, phantastische Choreographie, hoch aktuelles Thema, eine äußerst gelungene Persiflage,
brilliante deutsche Texte

Susanne Anders
    23072 Fantastisch aktuelle Ausgrabung
09.12.2007 - Die Premiere gestern hat mich umgehauen. Dass ein so hochaktuelles und beißend satirisches Stück nicht schon längst die deutschen Bühnen erobert hat, ist mir ein Rätsel. Der absurd-zynische Plot scheint auf die Bush-Regierung zugeschnitten sein und stammt doch von 1927 - wunderbar! Und wer mit dieser Sorte Humor nichts anzufangen weiß, bekommt von Regie, Choreografie, Musik (die Gershwins auf ihrem Höhepunkt!) und Ausstattung so viel Ideenreiches geboten, dass er immer noch beschwingt nach Hause schweben wird. Ein Hoch auf das MIR!

Nr. 690
    23068 Das kleine Broadway im Ruhrgebiet
09.12.2007 - Ob man dieses Stück auf die Bühne bringen muss ist fraglich, aber für den Mut gibt es ein Sternchen extra. Das MIR bietet wieder einmal gute Unterhaltung auf hohem Niveau. Großes, vielfältiges und diesmal sehr buntes Bühnenbild. Die Kostüme knallig und eine sehr schwungvolle Choreo von Melissa King.
Leider gelingt es der Regie von Matthias Davids nicht, das Publikum für die Geschichte des amerikanischen Käsefabrikanten zu erwärmen. Aber er weiß zu unterhalten!
Zu den Darstellern: Star des Abends ist Daniel Drewes!Er tanzt und singt zwar kaum, aber spielt in seiner Rolle Comedy vom Feinsten.
Für mich ein Highlight war: Filipina Henoch. Eine wunderschöne Stimme, Ausstrahlung und sehr natürliches Spiel. Von dieser Frau will ich mehr sehen!Phillippe Ducloux ist für den erkrankten Patrick Schenk eingesprungen. Respekt!Toller Tänzer mit viel Charme, dessen Rolle von der Regie aber zu viel Bedeutung bekommen hat.Darunter haben Gaines Hall und Anke Sieloff sehr zu leiden. Ihre Rollen sind irgendwie da, aber nicht wirklich interessant. Sieloff wirkt hier völlig fehlbesetzt. Sie ist viel zu alt und damenhaft für einen Paris Hilton Verschnitt. Gaines Hall versucht alles den Helden zu spielen, bleibt aber doch blass.Joachim Gabriel Maaß
spielt seine Rolle souverän.
Wer es bunt mag, Gershwin liebt, tolle Tanzeinlagen und leichte Komödien schätzt ist hier richtig aufgehoben.
Wir freuen uns schon auf die nächste Spielzeit.

alphabaer 
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| Handlung | Horace J. mehr Fletcher, führender US-amerikanischer Käseproduzent, ist entsetzt: Die Schweiz, ein kleines, unbedeutendes Land, von dem er nicht einmal weiß, wo es liegt, protestiert gegen die hohen Importzölle, die die USA auf ausländischen Käse erhebt! Um seine Marktstellung zu festigen, finanziert Fletcher einen militärischen Schlag gegen die Schweiz, zu dem das merkwürdige Bergvolk die Amerikaner sogar zu sich einlädt - Krieg und Urlaub in einem, sozusagen.
| Weitere Infos | Die Politsatire von George (Musik) und Ira Gershwin (Songtexte) sowie George S. Kaufman (Buch) fiel 1927 bereits bei den Tryouts durch und wurde drei Jahre später in modifizierter Fassung (unter anderem ging es um Schokolade statt um Käse) erstmals am Broadway aufgeführt. 1999 kam in Basel eine stark bearbeitete Fassung des Stücks unter dem Titel "Cheese" auf die Bühne, die deutsche Erstaufführung der Urversion fand Ende 2007 in Gelsenkirchen statt. Besonders bekannt sind der Titelsong sowie der Song "The Man I Love", beide wurden mehrmals von bekannten Künstlern gecovert.
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Leider keine aktuellen Aufführungstermine. |
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