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Ich war noch niemals in New York (2007 - 2010)
Operettenhaus, Hamburg

Kreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
 

Enttäuschende Uraufführung des Compilation-Musicals mit Songs von Udo Jürgens. Die dürre Geschichte (Buch: Gabriel Barylli/Christian Struppeck) und eine komplett misslungene Inszenierung (Christian Struppeck/Glenn Casale) werden nur vom Evergreen-Charakter der Songs und den phantastischen Choreographien von Kim Duddy gerettet.

“Ich war noch niemals in New York” macht sprachlos. Sprachlos, weil das Buch selten katastrophal ist. Sprachlos, weil in dem Stück auch nach dem Regiewechsel von Christian Struppeck auf Glenn Casale keinerlei dramaturgisches Konzept zu erkennen ist. Sprachlos, weil die Show mit Witzen und Klischees weit jenseits des Verfallsdatums daherkommt. Und sprachlos, weil die Songs von Udo Jürgens trotzdem irgendwie überleben und “Ich war noch niemals in New York” zum Hit machen werden.

Wenn bei der ersten großen Eigenproduktion der deutschen Stage Entertainment wenige Wochen vor der Premiere der Regisseur – gleichzeitig immerhin Kreativdirektor des Unternehmens und Co-Autor des Stückes – aus “Krankheitsgründen” ersetzt wird, ist das kein gutes Zeichen. Wenn dann aber ein Stück noch in der Pressepremiere einen solch katastrophalen Eindruck macht, mag man sich den Zustand zum Zeitpunkt der Übernahme gar nicht vorstellen.

Kennzeichnend für das gesamte Stück ist eine gewisse Atemlosigkeit, die den Darstellern keinerlei Möglichkeit lässt, ihre Rollen zu entwickeln, und zu mehr zu werden, als nur zu Abziehbildern. Daher lässt die Show kalt, keiner der Charaktere lädt auch nur ansatzweise dazu ein, sich mit ihm zu identifizieren, mitzuleiden, mitzufiebern oder mitzulieben.

Das liegt in der Hauptsache am Buch (Gabriel Barylli und Christian Struppeck): Klischee-Fernsehtalkerin Lisa trifft Klischee-Teilzeitvater-Macho Axel, weil ihre Mutter und sein Vater gemeinsam aus dem Klischee-Altersheim getürmt sind, um unter der Freiheitsstatue zu heiraten. Die patente Klischee-Rentnerin und ihr potenzieller Bräutigam machen sich also auf, eine Kreuzfahrt zu buchen und werden von Lisa und Axel samt dessen Sohn aufs Schiff verfolgt. Dort kommen sich, wen wunderts, die Protagonisten näher, Lisa muss sich schließlich zwischen Axel und der ersehnten Fernsehpreisverleihung entscheiden, als Ziel winkt eine Doppelhochzeit in New York.

Diese dürre Story wird vor allem mit Hilfe von Kalauern und eher angestaubt wirkendem Wortwitz erzählt, die vor allem den ersten Akt zur trashigen Karikatur einer Boulevardkomödie machen, in der vor allem der gepresst humorige Ton, den die Darsteller anschlagen müssen, irgendwann nervt. Genauso nervig sind auf Dauer die vollkommen sinnfreien Ensembletanzstücke, die sich fast aus jedem Stück entwickeln, wenn irgendwann nach einem solistischen Teil plötzlich das Ensemble in Phantasiekostümen erscheint, eine große Revuenummer aufs Parkett legt und wie von Zauberhand wieder verschwindet.

Der zweite Akt entwickelt sich dann zum dramaturgischen Trümmerfeld. Da werden tränenschwere Vater-Sohn- und Mutter-Tochter-Konflikte angerissen, die später in einem Nebensatz im Finale erledigt werden. Da wird jedes noch so kleine Stichwort genutzt, um irgendwie in einen Song hineinzukommen (Dialog: “Wie, schon so spät? Achtung, da kommen sie!”- Auftritt des Ensembles zur Tortenschlacht mit “Aber bitte mit Sahne”). Da werden kurz vorhandene Chancen, den Figuren etwas Tiefe zu geben, sofort wieder vergeben. So versucht Axel, Lisa nach der Nachricht vom Gewinn eines Fernsehpreises von der sofortigen Abreise zurückzuhalten. Sein “Gib mir Deine Angst” wird von ihr jedoch sofort mit einem Rückfall in den alten Kommandoton gekontert, bevor sie, en passant auch mit ihrer Mutter brechend, abrauscht. Dass sie dann auf der Verleihungszeremonie des Preises nicht auftaucht, sondern unmittelbar in dessen Übertragung auf das Schiff hinein wieder an Bord erscheint, um ihren Liebsten in die Arme zu sinken, wirkt ebenso unfertig inszeniert, wie der nur noch rudimentär von dramaturgischer Führung begleitete plötzliche Entschluss zur Doppelhochzeit mit dem anschließenden Finale. Auf “Heute beginnt der Rest deines Lebens” folgt noch ein irgendwo zwischen Megamix und Zugabe platziertes “Ich war noch niemals in New York”, in dem die Protagonisten verspätet im Hochzeitsoutfit erscheinen und von dem eigentlich niemand weiß, warum es noch gesungen wird.

Da ist es ein Trost, dass das hübsch bunte Bühnenbild mit einem Drehkarussel mit drei Schiffsszenarien (Kabinen, Treppenhaus und Deck) und einer schier endlosen durchs Bild geschobenen Deckskulisse schön anzuschauen ist. Es wird aber zumeist nur in den choreographierten Szenen voll genutzt, das restliche Staging bleibt eher statisch.

Den Hauptdarstellern ist in der Show der kleinste Vorwurf zu machen. Sie geben ihr Bestes: Kerstin Marie Mäkelburg muss den gesamten ersten Akt als toughe Talkshowlady im Dominaton Befehle bellen und darf erst im zweiten Akt ansatzweise menschliche Züge zeigen. Jerry Marwig gibt den Grundsympathen mit Kodderschnauze, hat aber keinerlei Chance, seinen Charakter zu entwickeln. Ingeborg Krabbe und Horst Schultheiss als Rentnerpaar spielen sympathisch, wirken aber von der Regie oftmals vollkommen alleingelassen und stapfen zumeist irgendwann einfach von der Bühne. Veit Schäfermeier und Ronny Rindler als Lisas Vertraute Fred und Costa geben die tuckenden Klischeeschwulen, die ihrer Chefin ansonsten diensteifrig ergeben sind. Sie dürfen sich auch auf der Bühne küssen und haben zugleich mit “Griechischer Wein” und dem “Ehrenwerten Haus” die beiden Glanznummern der Show, die vom Publikum wie jeder der bekannteren Songs schon beim Erklingen der ersten Töne begeistert bejubelt werden.

Schon daran mag man erkennen, dass “Ich war noch niemals in New York” vor allem mit dem Hitpotential der Stücke von Udo Jürgens punkten kann. Der Wiedererkennungseffekt sorgt für eine Identifizierung der Zuschauer mit der Show, die viele über die beschriebenen Klippen des hanebüchenen Buches und der vermurksten Dramaturgie hinwegträgt und für Begeisterung sorgt. Trotzdem ist festzustellen, dass sich Jürgens’ Songs nur eingeschränkt als Musicalsongs eignen. Der inhaltliche Einbau der Stücke ist trotz größerer Textänderungen lange nicht so elegant gelungen wie etwa in “Mamma Mia!” und gerade die leiseren und unbekannten Songs haben, weil kaum dialogisch vorbereitet, keine Chance, berührend zu wirken.

Erstaunlich ist, dass sowohl Jerry Marwig, als auch Kerstin Marie Mäkelburg teilweise hörbare tonale Probleme haben. Marwig bemüht sich um den typischen Jürgens-Sound in der Stimme, der ihm in den tieferen Lagen ansatzweise gelingt, während er in den Höhen hörbar zu kämpfen hat. Auch Mäkelburg klingt in den Höhen eher unsicher. Gesanglich herausragend ist dagegen Veit Schäfermeier, der seinen Stücken einen ganz eigenen Sound gibt, der die Jürgens-Klassiker frisch und unverbraucht daherkommen lässt. Ingeborg Krabbe und Horst Schultheiss sind beide keine Sänger, meistern ihren Part aber dennoch beachtlich sauber und manchmal gelingt es Krabbe sogar, in ihre Reprisen des Titelsongs einen Hauch berührender Brüchigkeit hineinzulegen. Erfrischend kommt Robert Köhler als Bühnensohn Florian daher, der “Mit 66 Jahren” rotzfrech und absolut routiniert über die Rampe bringt und auch ansonsten seine Natürlichkeit nicht von dem sonst vorherrschenden Boulevardton nehmen lässt.

Die Arrangements der Stücke sind zumeist gelungen und werden von der Band unter Bernhard Volk schwungvoll intoniert, ausgerechnet das doch sehr plötzlich kommende Finale “Heute beginnt der Rest meines Lebens” kann aber nicht überzeugen und klingt wenig strahlend und eher undifferenziert dumpf. Das überträgt sich leider auch auf die Choreografie von Kim Duddy, die ansonsten hervorragende Arbeit abliefert. Die Tanz- und Revueszenen des Ensembles sind, wenn auch meist völlig sinnfrei ins Stück eingebaut, eine wahre Augenweide und machen Spaß. Zusammen mit den glitzernden Showkostümen sorgen sie für einen Hauch von Broadway und Glanz und verhindern nachhaltig das komplette Kentern des Musical-Luxusliners.

Trotz Pressepremierenjubels und groß angelegter Klatschaktion im Publikum (merkwürdigerweise sogar in den Balladen) bleibt ein schaler Nachgeschmack. Vergleicht man das Stück beispielsweise mit “Mamma Mia!”, so wird deutlich, wie wichtig ein liebevoller Umgang mit Buch und Charakteren und eine dramaturgisch gelungene Umsetzung auch für ein Compilation-Stück sind und welches Potenzial verschenkt worden ist, das auch in den oft klugen und poetischen Songtexten (zumeist Michael Kunze) gesteckt hätte. Stattdessen dominieren künstlicher Boulevardton und platte Komik, subtile Zwischentöne (wie etwa das eigentlich wunderbar passende “Ehrenwerte Haus” des frisch aus der Wohnung gekündigten schwulen Paares) gehen im Mitklatsch-Orkan unter.
So wird das Stück dem zu recht hoch eingeschätzten Werk von Udo Jürgens nur sehr ansatzweise gerecht und wird nur durch den Evergreencharakter der Songs und die phantastischen Choreographien gerettet. Eine verpasste Chance.

 
Kreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
KREATIVTEAM
RegieChristian Struppeck
Glenn Casale
 
Kreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
CAST (AKTUELL)
LisaFranziska Becker
Annika Bruhns,
(Diana Böge Mercoli)
AxelKasper Holmboe,
(Ulrich Allroggen
Frank Winkels)

FredUli Scherbel,
(Siegmar Tonk
Tobias Weis)

CostaRonny Rindler,
(Björn Klein
Luciano Di Gregorio)

OttoHorst Schultheis,
(Edgar Bessen
Gisbert-Peter Terhorst)

MariaRegina Lemnitz,
(Carin Abicht
Daniela Ilian)

StewardHorst Kulmbrein,
(Luciano Di Gregorio)
Frau DünnbügelInez Timmer,
(Nicole Seeger
Alex Avenell)

Kapitän / MinisterUlrich Allroggen
Siegmar Tonk
Frau MenzelDorina Maltschewa,
(Henriette Grawwert
Natascha-Cecillia Hill)

EnsembleUlrich Allroggen
Hakan T. Aslan
Alex Avenell
Diana Böge Mercoli
Janine Buck
Rachel Colley
Henriette Grawwert
Luciano Di Gregorio
Carien Keizer
Phillip Kempster
Ramona Ludwig
Dorina Maltschewa
Timo Melzer
Miha Podrepsek
Inez Timmer
Tobias Weis
Frank Winkels
SwingsNatascha-Cecillia Hill
Björn Klein
Giuliano Mercoli
Georg Prohazka
Evren Pekgelegen
Nicole Seeger
Barbara Tartaglia
Siegmar Tonk
Birgit Wanka
 
Kreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
TERMINE
keine aktuellen Termine
 
Kreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
TERMINE (HISTORY)
So, 02.12.2007 20:00Operettenhaus, HamburgPremiere
Mi, 05.12.2007 18:30Operettenhaus, Hamburg
Do, 06.12.2007 20:00Operettenhaus, Hamburg
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