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Tommy (2007 - 2008)
Stadttheater, Bremerhaven

Kreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
 

Überzeugende Inszenierung in MTV-Optik über das Schicksal eines zunächst taub-stumm-blinden Jungen, der zum Superstar aufsteigt. Die bewegende Darstellung des jungen Titelhelden und seines älteren Alter Ego sowie die für die Show zum Stadttheater-Ensemble dazuverpflichteten Musical-Profis sorgen für einen mitreißenden Musiktheater-Abend.

Mit ausdruckslosem Blick starrt der blonde Junge ins Publikum. Wie besessen wippen seine Hände in kurzen zackigen Bewegungen am Geländer des glitzernden halbrunden Podests, auf dem er steht. Im Zeitalter der Spielekonsole hat Regisseur Thorsten Krafft den klassischen Flipperautomaten eingemottet. In seiner Inszenierung spielt sich der junge Tommy durch virtuelle Welten, die auf einer Videowand hinter ihm für den Zuschauer sichtbar werden. “Tommy” ist im einundzwanzigsten Jahrhundert angekommen und die hier verordnete Frischzellenkur bekommt der knapp vierzig Jahre alten Rockoper in der deutschsprachigen Übertragung von Anthony Gebler außerordentlich gut.

Insbesondere im ersten Akt schafft Thorsten Krafft Bilder, die mächtig unter die Haut gehen. Misshandlungen und Demütigungen des jungen Tommy werden realistisch ausgespielt und die Verzweiflung seiner Eltern, die sich von skrupellosen Medizinern Heilung für den traumatisierten Sohn erhoffen, kann der Zuschauer sehr gut nachvollziehen. Gleichwohl weiß der Regisseur, was er seinem Publikum zumuten kann. So geschieht beispielsweise der Missbrauch an dem Jungen unter einem bewegten weißen Tuch, hinter dem der Täter nach dem Vollzug plötzlich als lieber Onkel mit dem Märchenbuch in der Hand erscheint. Allein, dass er sich zufrieden grinsend die Hose schließt, deutet an, was geschehen ist.

Krafft setzt auf eine schelle, fast ineinander verschwimmende Handlungsfolge. Spielt eine Szene direkt im Zentrum der Bühne, folgt die nächste auf dem fast vollständig abgedeckten Orchestergraben, während die übernächste im Hintergrund auf dem emporgefahrenen Hubpodium arrangiert ist. Der Regisseur nutzt damit alle Möglichkeiten, die ihm Bühnentechnik und der von Manfred Kaderk gestaltete Raum gewähren: Rechts und links von jeweils drei neigbaren Beleuchtungstürmen begrenzt, charakterisieren auf die Bühne fahrende oder hineinschwebende Dekorationselemente den jeweiligen Handlungsort. Von insgesamt drei Videowänden – eine direkt oberhalb der Bühnenöffnung, eine variabel drehbar mitten im Geschehen und eine als abschließende Begrenzung – flimmert dem Publikum eine Bilderflut entgegen: Psychedelische Muster, Wolkenformationen aber auch Nahaufnahmen der handelnden Personen illustrieren und kommentieren permanent das Geschehen (Video-Design: Martin Kemner). Wer genau hinschaut, entdeckt spaßige Anspielungen wie pausbäckige Amor-Putten in der Hochzeitsszene der Walkers oder Sequenzen wie aus einem Vorspann zu einem James Bond-Film beim Auftritt der Acid Queen. Ester Bätschmanns geschmackvolles Kostümbild verquickt geschickt Stil-Elemente von Pettycoat bis Designeranzug.

Besonders intensiv gearbeitet haben muss der Regisseur mit Paul Kemner (junger Tommy). Sein zögernd-schleppender Gang, die hilflosen Gesten und der ausdruckslose Blick erschüttern. Im zweiten Akt harmoniert der Junge gut im Zusammenspiel mit seinem älteren Alter Ego und lässt zudem mit reinem Knaben-Sopran auch im Gesang aufhorchen. Kein Wunder, dass beim Schlussapplaus der Premiere zwei gleichaltrige weibliche Fans mit selbstgepflückten Blumen auf die Bühne stürmen. Viel Sympathien fliegen auch Luciano Di Gregorio (älterer Tommy/Erzähler) zu. Er steht als Titelheld ganz im Zentrum der Aufführung, ist elegant im Spiel und verfügt über eine geschmeidige Tenorstimme, die er mühelos auch bis in höhere Lagen führen kann. Ulrike Wahren (Mrs. Walker) und Ralph Ertel (Captain Walker) lösen ihre Gesangsaufgaben sowohl solistisch als auch in den Duetten mit Wohlklang. Wahren liefert darüber hinaus ein absolut authentisches Rollenporträt einer verzweifelten Mutter. Schade, dass Sandra Bleicher (Acid Queen) nur einen Kurzauftritt hat. Ihr Song „Ich bin Guipsy, the Acid Queen”, vorgetragen mit satter Rock-Röhre, gehört zu den gesanglichen Höhepunkten der Aufführung. Martin Kemner ist ein fieser Onkel Ernie, Matthias Forsgren gibt Cousin Kevin als hinterhältigen Brutalo-Schläger. Peter Stolle und seine sieben Mitstreiter der „Tommy”-Band sind zuverlässige Begleiter, deren satter Rock-Sound viele im Publikum munter mitwippen lässt.

Musiker, Solisten, Ensemble und das Ballett des Stadttheaters führen die Show, deren rasante Choreografien (Thorsten Krafft) zu Beginn des Abends noch recht unsauber getanzt werden, zu einem am Premierenabend nach dem Finale zu Recht mit Standing Ovations bejubeltem Erfolg. “Tommy” ist alles andere als seichte Musical-Kost, die trotzdem begeistern kann.

Musik und Gesangstexte: Pete Townshend
Buch: Pete Townshend und Des McAnuff

 
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KREATIVTEAM
Musikalische LeitungPeter Stolle
Inszenierung und ChoreografieThorsten Krafft
BühnenbildManfred Kaderk
KostümeEsther Bätschmann
Video-GestaltungMartin Kemner
 
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CAST (AKTUELL)
Tommy/ErzählerLuciano Di Gregorio
Tommy jungPaul Kemner
Mrs. WalkerUlrike Wahren
Captain WalkerRalph Ertel
Onkel Ernie u.a.Martin Kemner
Cousin Kevin u.a.Mattias Forsgren
Acid Queen u.a.Sandra Bleicher
Mrs. Simpson u.a.Iris Wemme
Sally Simpson u.a.Peggy Pollow
Mr. Simpson u.a.Matthias Pantel
Männerensemble IKorbinian Reile
Männerensemble IIMichael Kemper
Männerensemble IIIGregory Le Blanc
Harmonikaspielerin u.a.Sandra Herzig
In weiteren RollenWen-Hua Chang
Vanessa Duarte da Silva
Vanessa Erdmann
Irina Nilova
Beth Petkus
Maki Taketa
Fedor Chatilov
Eoin Griffin
Marius Manole
Michael Scicluna
 
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TERMINE
keine aktuellen Termine
 
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TERMINE (HISTORY)
Sa, 16.06.2007 19:30Stadttheater, BremerhavenPremiere
Mi, 20.06.2007 19:30Stadttheater, Bremerhaven
Fr, 22.06.2007 19:30Stadttheater, Bremerhaven
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