Ethan Freeman (Shaw Moore) und Ensemble © Nico Moser
Ethan Freeman (Shaw Moore) und Ensemble © Nico Moser

Footloose (seit 01/2024)
Halle 39, Hildesheim

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Hochkarätig besetzt ist aktuell die ShowSlot GmbH mit ihrem nächsten Musical “Footloose” auf großer Tournee. Anders als gedacht wartet diese Inszenierung weniger mit peppigen Tanzszenen und dafür mehr mit emotionalem Tiefgang auf und weiß vor allem durch die Besetzung der Familie Moore zu beeindrucken.

“Footloose” aus dem Jahr 1984 ist einer von vielen kultigen Tanzfilmen vergangener Jahrzehnte und lädt aufgrund der schieren Anzahl an Streifen ähnlichen Inhalts und Optik wie “Dirty Dancing”, “Flashdance“, “Grease”,  “Cry-Baby” oder “Saturday Night Fever” zu Verwechslungen ein. Diese Plethora an Titeln findet sich auch in der Welt der Bühnenmusicals wieder, die hierzulande sogar durch weitere einschlägige Werke wie “Miami Nights” ein Überangebot liefern.  Ein rebellisches Liebespaar findet sich durch das Medium und die Sprache des Tanzes – eine offensichtlich vielfach erzählte Geschichte. In der Musical-Adaption von “Footloose” wird allerdings ein komplexeres Bild gezeichnet: Es geht um Dynamiken einer Gemeinschaft, Beeinflussung durch Autoritäten und die Überwindung von Trauma. Eingebettet ist diese Geschichte in eine Abfolge ohrwurmträchtiger Songs und verziert durch eine Reihe unterhaltsamer Nebencharaktere, die der Handlung den zusätzlichen Touch einer kurzweiligen Coming-Of-Age-Story verleihen.

Wer in dieser Inszenierung eine Aneinanderreihung dynamischer und anspruchsvoller Tanzszenen erwartet, wird ernüchtert werden. Das überaus tanzfreudige und agile Ensemble wird bei den Choreographien von Timo Radünz nur selten ausschöpfend gefordert. Die Tanzelemente geraten unter Manuel Schmitts Regieführung in den Hintergrund, was diese Version von “Footloose” von zahlreichen anderen Tanzmusicals und Inszenierungen desselben Stücks abhebt. Dass Radünz elaborierte Choreographien liefern kann, ist dabei trotzdem in einzelnen Szenen gut ersichtlich: Mit “Holding Out For A Hero” und “Still Rockin” wird pro Akt ein Song virtuos unter Einsatz verschiedener Tanzelemente und Stile choreographiert, wodurch so doch auch einiges fürs Auge geboten wird. Gerade bei Raphael Groß in der Hauptrolle, der seine Tänze zumeist nur kurz anreißen darf und offensichtlich ein großes Bewegungstalent ist, wäre aber noch etwas mehr möglich und wünschenswert gewesen. Die vermutete Intention des Regisseurs, die Geschichte des Stempels als seichtes Tanzmusical zu entledigen, ist allemal geglückt und zeigt Wirkung.

Lukas Pirmin Waßmanns Kostümdesign lehnt sich an den markanten 80er-Stil der Filmvorlage an, schafft es aber, die Optik der Charaktere etwas zeitloser zu gestalten, was der Geschichte und ihren Aussagewerten sehr gut zu Gesicht steht. Das Set Design von Mara Lena Schönborn ist vor allem praktisch und durch das visuell Reduzierte in seiner Schlichtheit recht aussagekräftig. Ein Gerüst, das einer Auto- oder Eisenbahnbrücke ähnelt, wird von den Jugendlichen erklommen, aber nie überwunden. Es steht immer beengend und düster im Spielfeld der Protagonisten und symbolisiert so ihr Leben, das von Außen in eine bestimmte Bahn gezwungen wird. Die Gerüste verschwinden nur in Momenten oder Gefühlen von Freiheit, zum Beispiel beim Ausflug in die liberale Nachbarstadt. Bei Phil Kongs Lichtdesign sorgt eine große LED-Rückwand in Kombination mit differenziert eingesetzten Spots für die zusätzliche dramatische Ausleuchtung. Für eine Tour-Ausstattung absolut ausreichend und zweckdienlich, wenngleich die simple Ausstattung bei ShowSlot-Tourproduktionen und die sich oftmals ähnelnde Optik, zum Beispiel bei “Flashdance”, “Ghost” oder “Fack Ju Göhte” auffällig sind. Die Musik kommt, wie bei Show Slot-Touren oftmals üblich, vom Band, klingt aber qualitativ ansprechend und sauber, sodass man den Griff zur Konserve einigermaßen verkraften kann – vor allem durch den virtuosen Gesang der Hauptdarsteller.

Raphael Groß macht als rebellischer Großstadtjunge Ren McCormack eine optisch wie schauspielerisch gute, solide Figur. Beeindruckend athletisch gestählt schwingt er sich in “Ich bleib nicht steh’n” singend durch die Gerüstlandschaft und weiß im emotionalen Duett “Wie im Märchenland” (im Original: “Almost Paradise”) an Helena Lenns Seite zu berühren. Schauspielerisch stark gibt sich Groß an der Seite von Ethan Freeman und bei seinem leidenschaftlichen Plädoyer für das Ende des Tanzverbots in der Stadt Bomont.

Sein schusseliger Sidekick Willard wird überzeugend von Martijn Smids gemimt, der im Song “Mama sagt” sein komödiantisches Talent erstrahlen lässt. Alexander Findewirth schwingt Hintern und Tanzbein in seiner Rolle des flamboyanten Cowboy Bob am Anfang des zweiten Aktes, während seine Darstellung des Bad Boy Chuck Cranston die richtige Prise Antagonismus enthält. Antonia Crames und Ronja Geburzky als Urleen und Wendy Jo sind maßgeblich für den Comic Relief des Stücks verantwortlich und singen in astreinen Harmonien zusammen mit Manar Elsayed, die aus der Girl-Gruppe besonders positiv hervorsticht.

Elsayed hat eine bestimmende Bühnenpräsenz und weiß als Rusty geschickt zwischen rotziger Gossengöre innerhalb ihrer Clique und peinlich aufgedrehter Jungfer im Zusammenspiel mit ihrem Schwarm zu wechseln. Und dazu beweist sie ein beeindruckendes Gesangstalent mit großer Bandbreite, das sie mit ihren beiden Flankierdamen in “Jemand schaut zu” und “Let’s Hear It For The Boy” unter Beweis stellt. Noch eine Steigerung erfährt das Trio, wenn es durch Helena Lenn als Ariel Moore in “Holding Out For A Hero” zum Quartett heranwächst. Der absolute Gassenhauer dieses Stücks von vier Powerstimmen vorgetragen übertrumpft sogar das Titellied und den Megamix am Ende des Stücks und wird vom Publikum frenetisch gefeiert.

Darstellerisch in einer Liga für sich selbst spielen die Musicalstars Ethan Freeman und Kerstin Ibald als Ehepaar Shaw und Vi Moore. Freeman gelingt die Gratwanderung seiner Figur zwischen religiös verblendetem Antagonisten und tief verletztem Familienvater mit schauspielerischer Glanzleistung, die tief berührt. Seine kraftvolle und markante Gesangsstimme kann er in diesem Stück zwar, genau wie Kerstin Ibald, nicht zur Gänze entfalten, doch weiß er mit seinem kurzen Solo “Himmel hilf mir” emotionale Akzente zu setzen. Kerstin Ibald ist der perfekte Katalysator für Freemans emotionale und Lenns temperamentvolle Charakterauslegung und füllt die anspruchsvolle Rolle überzeugend aus. Hin- und hergerissen zwischen Loyalität zu ihrem Mann, der Trauer um ihren Sohn und der Sympathie für ihre Tochter zeigt sie lebensbejahend den Weg aus dem Trauma auf und bringt ihren Gatten zur Besinnung. Dabei sind ihre Lieder “Hör noch einmal auf dein Herz” und “Lieber will ich schweigen” kleine, ruhige und seelenvolle Schätze in der Partitur von “Footloose”.

Helena Lenn als Ariel Moore ist ein Bündel an Energie, Spielfreude und Temperament, die sich zur heimlichen Hauptfigur der Geschichte mausert. Authentisch und emotional verkörpert Lenn die umhergetriebene Pfarrerstochter und steht im Zentrum aller Interaktionen des Stücks. Stark und für sich selbst einstehend trotzt ihre Figur den diffamierenden Gegebenheiten, denen Frauen in den 80er Jahren vermehrt begegnet sind, und kreiert trotz der Restriktionen des Buchs von “Footloose” eine junge Femme Fatale. Im Finale des ersten Aktes kulminiert die stimmliche und schauspielerische Kraft aller Hauptakteure in einem hochdramatisch dargebotenen “I’m Free”, dessen Energie im Finale “Footloose” noch einmal aufgegriffen wird – zwei Höhepunkte, die neben den Darstellern der Familie Moore und dem grandios dargebotenen Megahit “Holding Out For A Hero” einen Besuch dieser Show allemal wert machen.

 
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KREATIVTEAM
RegieManuel Schmitt
Choreographie, Co-RegieTimo Radünz
Musical DirectorHans Tilmann Rose
Assistant Musical DirectorLuis Richter
Set DesignerMara Lena Schönborn
Costume DesignerLukas Pirmin Waßmann
Lighting DesignerPhil Kong
 
Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
CAST (AKTUELL)
Ren McCormackRaphael Groß
Ariel MooreHelena Lenn
Shaw MooreEthan Freeman,
(Carl van Wegberg
Dominik Müller)

Vi MooreKerstin Ibald
Willard HewittMartijn Smids
Chuck Cranston, Cowboy BobAlexander Findewirth
RustyManar Elsayed
UrleenAntonia Crames
Wendy JoRonja Geburzky
Jeter, Garvin, Dance CaptainNicole Eckenigk
Ethel McCormack, Eleanor DunbarAnja Rüger
Lulu Warnicker, Principal ClarkJanneke Thomassen
Wes Warnicker, Coach DunbarDominik Müller
LyleKevin Lisske
(Dominik Müller)
TravisIlias Sidi-Yacoub
(Dominik Müller)
BickleLukas Poischbeg
Swing, Resident DirectorElke Podhradsky
SwingFelicitas Bauer
Anjuschka Uher
Pieter van der Vegte
  
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TERMINE
Sa, 20.04.2024 19:30Halle 39, Hildesheim
So, 21.04.2024 14:30Halle 39, Hildesheim
Di, 23.04.2024 19:30Barclays Arena, Hamburg
Mi, 24.04.2024 19:30Barclays Arena, Hamburg
Fr, 26.04.2024 19:30Verti Music Hall, Berlin
Sa, 27.04.2024 14:30Verti Music Hall, Berlin
Sa, 27.04.2024 19:30Verti Music Hall, Berlin
So, 28.04.2024 14:30Verti Music Hall, Berlin
Di, 30.04.2024 19:30Halle 622, Zürich
Mi, 01.05.2024 19:30Halle 622, Zürich
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TERMINE (HISTORY)
Fr, 26.01.2024 19:30Metropol Theater, BremenPremiere
Sa, 27.01.2024 19:30Metropol Theater, Bremen
So, 28.01.2024 14:30Metropol Theater, Bremen
▼ 61 weitere Termine einblenden (bis 19.04.2024) ▼
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