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 Regenbogen-Musical
La Cage aux Folles Grauer Ausflug an die strahlende Côte d'Azur
René van der Voorden
René van der Voorden
Der Cabaret-Club "La Cage aux Folles” in St. Tropez, seine schrillen Cagelles und die überlebensgroße Zaza dürften bei so ziemlich jedem Langzeit-Musicalfan kunterbunte Bilder und farbenfrohe Erinnerungen wecken. Das Paar Albin und Georges an der traumhaften, sonnenverwöhnten französischen Mittelmeerküste sorgt für Sehnsucht nach Wärme, Wehmut nach Liebe sowie Frohsinn und gute Laune zugleich. Leider bleibt die aktuelle Mannheimer Inszenierung insgesamt in tristen Grautönen und vielmehr mit durchwachsenem, kaltem deutschen Winterwetter im Gedächtnis zurück und weckt nur die Sehnsucht nach der heimischen Couch. Die wenigen Farbtupfer und Sonnenstrahlen in Form von ein paar Inszenierungsideen, eines einzelnen Ensemblelieds und der herausragenden Besetzung des Butlers/der Zofe erhellen die Mannheimer Côte d'Azur nur kurz und bringen verschwindend kleine bunte Akzente in den "Käfig voller Narren".
(Text: André Böke) Premiere: | | 17.09.2022 | Rezensierte Vorstellung: | | 24.01.2023 | Showlänge: | | 180 Minuten (ggf. inkl. Pause) |
René van der Voorden
René van der Voorden
Schon der erste Auftritt im "La Cage" wirkt von allen Beteiligten unmotiviert und energielos. Georges kündigt wenig überzeugend seine Stars der Revue an, die ihre Darbietungen halbherzig abhandeln. Die Musik des Orchesters plätschert beinahe belanglos dahin. Die ambitionierten Tanzchoreographien werden mit erzwungenem Lächeln ohne Dynamik abgerissen und das eigentlich sehr ohrwurmträchtige und für gute Laune prädestinierte Opening-Lied weckt nur wenig positive Emotionen. Kein guter erster Eindruck.
René van der Voorden
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Zum Glück verbessert sich die Bühnenenergie des Ensembles und auch die Beschwingtheit des Orchesters zusehends über den ersten Akt hinweg. Vielleicht mussten die Darsteller und das Orchester nach langer Aufführungspause erst einmal wieder "reinkommen". Trotzdem erreicht die gesamte Besetzung nicht das Niveau an guter Laune, Energie und Drama, das man sich vom "Cage Aux Folles" erwartet und wünscht. Zwar werden die ansprechend choreographierten Tänze mit der Zeit immer schöner vertanzt, aber das Ensemble bleibt gesanglich im besten Falle durchschnittlich. Die einzige sauber gesungene und von Anfang bis Ende angemessen peppig dargebotene Gruppennummer ist "Die schönste Zeit ist heut" im zweiten Akt, die gleichzeitig auch das einsame Highlight dieser Inszenierung bleibt.
Während die Lichttechnik einwandfrei funktioniert, immer on time ihre Einsätze bekommt und diverse Stimmungen zu kreieren vermag, ist die Tontechnik über weite Strecken unbefriedigend. Das Ensemble ist oftmals nicht richtig zu hören, vor allem die Streichinstrumente sind unangenehm dröhnend abgemischt und Mikrofone werden dauernd zu spät ein- und ausgeschaltet, sodass einige Sprechpassagen ungehört, und wiederum andere private Gespräche leider gehört wurden.
René van der Voorden
René van der Voorden
Das Problem am Bühnenbild ist nicht, dass es schlicht und minimalistisch ist. Vielmehr, dass es zu einem großen Teil sehr billig und halbherzig wirkt: Ob Zaza bei ihrem fulminanten Show-Auftritt in einer Plastik-Sandkasten-Muschel herein gehievt werden muss, ein verbraucht aussehendes Sofa die angeblich pompöse Einrichtung im Hause Georges und Albin ausreichend mimt und ein wackelndes, schief aufgehängtes Leinwandbild mit einer Küstenszene überzeugend das Stück an die Côte d'Azur versetzt, ist mehr als fraglich. Am Schlimmsten ist die einem Rahmen ähnliche Bühnenkonstruktion in der Mitte des Geschehens, die dem Ein- und Ausgang für die Figuren Rechnung trägt. Diesen Eingang verdeckt ein unsagbar nerviger Vorhang, mit dem die Darstellenden ihre liebe Mühe haben und hektisch daran zupfen und reißen, weil das Ding nie so will wie es soll. Ein zweiter Vorhang aus baumelnden Kordeln mimt den Eingang zum Cabaret-Club selbst, und auch er stört häufig, da sich die zahlreichen Kordeln ständig an den Darstellern verfangen. Wenn der Vorhang zudem nicht ganz zugezogen ist – bei dem widerspenstigen Textil keine Seltenheit – legt er unfreiwillig den Blick auf die Darsteller und Bühnenhelfer im Backstage-Bereich frei.
René van der Voorden
René van der Voorden
Auch die Kostüme wirken nicht hochwertig und eher wie aus einem günstigen Karnevalsfundus. Sie können weder die Illusion von St. Tropez wecken noch eine authentische Drag-Kultur repräsentieren, die das Stück eigentlich in seinem Kern immer wieder referiert. Das vielleicht schönste Bild, in dem Inszenierung, Kostüm und Bühnenbild gut zusammen funktionieren, ist Zazas Backstage-Lied "Ein bisschen mehr Mascara", in dem sie sich durch wabernde Lagen von Tüll tanzt und sich in ihnen zu verlieren scheint, um am Ende in einem überraschend effektvollen Tüll-Ungetüm auf die Bühne zu stolzieren.
René van der Voorden
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Die Hauptrollen werden ihren Rollen im Großen und Ganzen durchaus gerecht. Alle singen und spielen solide. Alexander Sasanowitsch singt seine Parts als Sohn Jean-Michel sauber und versprüht jugendliche Leichtigkeit. Hannes Staffler gibt einen sympathischen Georges und Markus Beisel eine ernstzunehmende Zaza mit Verletzlichkeit und Humor – die Bühnenliebe kauft man den beiden aber leider nicht ab; ihre Beziehung bleibt recht kühl und eher kumpelhaft als verliebt, obwohl sie es zahllose Male besingen und sich gegenseitig schwören. Es wirkt wegen der pedantischen ständigen Liebesbekundung im Kontrast zur fehlenden Chemie zwischen den Akteuren oft so, als würden Georges und Zaza/Albin sich ihre Liebe selbst nicht so wirklich glauben.
René van der Voorden
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Beisels Höhepunkt müsste eigentlich das Ende des ersten Aktes sein, bei dem Zaza emotional niedergeschlagen ihre Hymne "Ich bin was ich bin" schmettert. Leider verpufft auch dieser große Moment – was nicht an Beisel, sondern an dem ständig mal zu schnell und mal zu langsam spielenden Orchester liegt. Beisel kann sämtliche seiner eher semi-optimal orchestrierten Lieder zum Glück souverän lenken und recht sicher durch den Abend als Grande Dame führen, bleibt aber trotz seiner langjährigen Drag-Erfahrung im Vergleich zu Fausto Israel, der die zweite Drag Queen der Handlung in Gestalt des Butlers Jacob gibt, fast schon etwas erblasst zurück. Israel stellt sämtliche Darsteller mit seiner extrovertierten, energetischen und urkomischen Darstellung in den Schatten – eine Bühnenpräsenz, die in dieser Inszenierung ihresgleichen sucht.
René van der Voorden
René van der Voorden
Der frenetische Applaus des Mannheimer Publikums am Ende des Stücks gilt letztendlich neben Fausto Israel vor allem der regionalen Drag-Ikone Markus Beisel und vermutlich weniger der Darbietung und der Inszenierung dieses Werkes an sich, da allzu viele Schwächen aneinandergereiht das bunte "La Cage" halbgar zurücklassen.
(Text: André Böke)

Kreativteam
Besetzung

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| Handlung | "La Cage Aux Folles" ist die Geschichte des homosexuellen Albin, der als Drag Queen Zasa im titelgebenden Nachtclub seines Lebensgefährten George auftritt. mehr Als Georges Sohn Jean-Michel die junge Tochter des konservativen Politikers Edouard Dindon heiraten und seinen zukünftigen Schwiegereltern eine seriöse Familie präsentieren will, kommt es zu einigen komischen Verwicklungen. Albin spielt, trotz einer tiefen Kränkung durch den Ziehsohn, seine Mutter, die kurzfristig abgesagt hat. Das Schauspiel wird letztendlich von Dindon enttarnt, doch durch eine geschickte Erpressung steht der Hochzeit des Sohnes Jean-Michel mit der Diplomatentochter Anna nichts mehr im Wege.
| Weitere Infos | Deutschlandpremiere war am 1985 am Berliner Theater des Westens
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Die Kriterien für unsere Kurzbewertungen (Stand: Dezember 2014)
Buch*: Ist die Handlung in sich schlüssig? Kann die Story begeistern? Bleibt der Spannungsbogen erhalten oder kommt Langeweile auf?
NICHT: Besonderheiten der konkreten Inszenierung des Theaters.
Kompositionen*: Fügen die Kompositionen sich gut in das Stück ein? Haben die Songs Ohrwurmcharakter? Passen die gewählten Texte auf die Musik? Transportieren Text und Musik die selbe Botschaft?
NICHT: Orchestrierung, Verständlichkeit des Gesangs der Darsteller in der aktuellen Inszenierung.
* werden nur bei neuartigen Produktionen (z.B. Premiere, deutsche Erstaufführung usw.) vergeben
Inszenierung: Wie gut wurde das Stück auf die Bühne gebracht? Stimmen die Bilder und Charaktere? Bringt der Regisseur originelle neue Ansätze ein?
NICHT: Wie gut ist die Handlung des Stücks an sich oder die mögliche Übersetzung?
Musik: Kann die musikalische Umsetzung überzeugen? Gibt es interessante Arrangements? Ist die Orchesterbegleitung rundum stimmig? Muss man bei Akustik oder Tontechnik Abstriche machen?
NICHT: Sind die Kompositionen eingängig und abwechslungsreich? Gibt es Ohrwürmer? Gefällt der Musikstil?
Besetzung: Bringen die Darsteller die Figuren glaubwürdig auf die Bühne? Stimmen Handwerk (Gesang, Tanz, Schauspiel) und Engagement? Macht es Spaß, den Akteuren zuzuschauen und zuzuhören?
NICHT: Sind bekannte Namen in der Cast zu finden?
Ausstattung: Setzt die Ausstattung (Kostüme, Bühnenbild, Lichtdesign etc.) die Handlung ansprechend in Szene? Wurden die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten optimal genutzt? Bieten Bühne und Kostüme etwas fürs Auge und passen sie zur Inszenierung?
NICHT: Je bunter und opulenter ausgestattet, desto mehr Sterne.
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Sa | 25.03. | 20:00 Uhr | | Fr | 12.05. | 20:00 Uhr | |
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