© René van der Voorden
© René van der Voorden

La Cage aux Folles (2022 - 2024)
Capitol, Mannheim

Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
 

Der Cabaret-Club “La Cage aux Folles” in St. Tropez, seine schrillen Cagelles und die überlebensgroße Zaza dürften bei so ziemlich jedem Langzeit-Musicalfan kunterbunte Bilder und farbenfrohe Erinnerungen wecken. Das Paar Albin und Georges an der traumhaften, sonnenverwöhnten französischen Mittelmeerküste sorgt für Sehnsucht nach Wärme, Wehmut nach Liebe sowie Frohsinn und gute Laune zugleich. Leider bleibt die aktuelle Mannheimer Inszenierung insgesamt in tristen Grautönen und vielmehr mit durchwachsenem, kaltem deutschen Winterwetter im Gedächtnis zurück und weckt nur die Sehnsucht nach der heimischen Couch. Die wenigen Farbtupfer und Sonnenstrahlen in Form von ein paar Inszenierungsideen, eines einzelnen Ensemblelieds und der herausragenden Besetzung des Butlers/der Zofe erhellen die Mannheimer Côte d’Azur nur kurz und bringen verschwindend kleine bunte Akzente in den “Käfig voller Narren”.

Schon der erste Auftritt im “La Cage” wirkt von allen Beteiligten unmotiviert und energielos. Georges kündigt wenig überzeugend seine Stars der Revue an, die ihre Darbietungen halbherzig abhandeln. Die Musik des Orchesters plätschert beinahe belanglos dahin. Die ambitionierten Tanzchoreographien werden mit erzwungenem Lächeln ohne Dynamik abgerissen und das eigentlich sehr ohrwurmträchtige und für gute Laune prädestinierte Opening-Lied weckt nur wenig positive Emotionen. Kein guter erster Eindruck.

Zum Glück verbessert sich die Bühnenenergie des Ensembles und auch die Beschwingtheit des Orchesters zusehends über den ersten Akt hinweg. Vielleicht mussten die Darsteller und das Orchester nach langer Aufführungspause erst einmal wieder “reinkommen”. Trotzdem erreicht die gesamte Besetzung nicht das Niveau an guter Laune, Energie und Drama, das man sich vom “Cage Aux Folles” erwartet und wünscht. Zwar werden die ansprechend choreographierten Tänze mit der Zeit immer schöner vertanzt, aber das Ensemble bleibt gesanglich im besten Falle durchschnittlich. Die einzige sauber gesungene und von Anfang bis Ende angemessen peppig dargebotene Gruppennummer ist “Die schönste Zeit ist heut” im zweiten Akt, die gleichzeitig auch das einsame Highlight dieser Inszenierung bleibt.

Während die Lichttechnik einwandfrei funktioniert, immer on time ihre Einsätze bekommt und diverse Stimmungen zu kreieren vermag, ist die Tontechnik über weite Strecken unbefriedigend. Das Ensemble ist oftmals nicht richtig zu hören, vor allem die Streichinstrumente sind unangenehm dröhnend abgemischt und Mikrofone werden dauernd zu spät ein- und ausgeschaltet, sodass einige Sprechpassagen ungehört, und wiederum andere private Gespräche leider gehört wurden.

Das Problem am Bühnenbild ist nicht, dass es schlicht und minimalistisch ist. Vielmehr, dass es zu einem großen Teil sehr billig und halbherzig wirkt: Ob Zaza bei ihrem fulminanten Show-Auftritt in einer Plastik-Sandkasten-Muschel herein gehievt werden muss, ein verbraucht aussehendes Sofa die angeblich pompöse Einrichtung im Hause Georges und Albin ausreichend mimt und ein wackelndes, schief aufgehängtes Leinwandbild mit einer Küstenszene überzeugend das Stück an die Côte d’Azur versetzt, ist mehr als fraglich. Am Schlimmsten ist die einem Rahmen ähnliche Bühnenkonstruktion in der Mitte des Geschehens, die dem Ein- und Ausgang für die Figuren Rechnung trägt. Diesen Eingang verdeckt ein unsagbar nerviger Vorhang, mit dem die Darstellenden ihre liebe Mühe haben und hektisch daran zupfen und reißen, weil das Ding nie so will wie es soll. Ein zweiter Vorhang aus baumelnden Kordeln mimt den Eingang zum Cabaret-Club selbst, und auch er stört häufig, da sich die zahlreichen Kordeln ständig an den Darstellern verfangen. Wenn der Vorhang zudem nicht ganz zugezogen ist – bei dem widerspenstigen Textil keine Seltenheit – legt er unfreiwillig den Blick auf die Darsteller und Bühnenhelfer im Backstage-Bereich frei.

Auch die Kostüme wirken nicht hochwertig und eher wie aus einem günstigen Karnevalsfundus. Sie können weder die Illusion von St. Tropez wecken noch eine authentische Drag-Kultur repräsentieren, die das Stück eigentlich in seinem Kern immer wieder referiert. Das vielleicht schönste Bild, in dem Inszenierung, Kostüm und Bühnenbild gut zusammen funktionieren, ist Zazas Backstage-Lied “Ein bisschen mehr Mascara”, in dem sie sich durch wabernde Lagen von Tüll tanzt und sich in ihnen zu verlieren scheint, um am Ende in einem überraschend effektvollen Tüll-Ungetüm auf die Bühne zu stolzieren.

Die Hauptrollen werden ihren Rollen im Großen und Ganzen durchaus gerecht. Alle singen und spielen solide. Alexander Sasanowitsch singt seine Parts als Sohn Jean-Michel sauber und versprüht jugendliche Leichtigkeit. Hannes Staffler gibt einen sympathischen Georges und Markus Beisel eine ernstzunehmende Zaza mit Verletzlichkeit und Humor – die Bühnenliebe kauft man den beiden aber leider nicht ab; ihre Beziehung bleibt recht kühl und eher kumpelhaft als verliebt, obwohl sie es zahllose Male besingen und sich gegenseitig schwören. Es wirkt wegen der pedantischen ständigen Liebesbekundung im Kontrast zur fehlenden Chemie zwischen den Akteuren oft so, als würden Georges und Zaza/Albin sich ihre Liebe selbst nicht so wirklich glauben.

Beisels Höhepunkt müsste eigentlich das Ende des ersten Aktes sein, bei dem Zaza emotional niedergeschlagen ihre Hymne “Ich bin was ich bin” schmettert. Leider verpufft auch dieser große Moment – was nicht an Beisel, sondern an dem ständig mal zu schnell und mal zu langsam spielenden Orchester liegt. Beisel kann sämtliche seiner eher semi-optimal orchestrierten Lieder zum Glück souverän lenken und recht sicher durch den Abend als Grande Dame führen, bleibt aber trotz seiner langjährigen Drag-Erfahrung im Vergleich zu Fausto Israel, der die zweite Drag Queen der Handlung in Gestalt des Butlers Jacob gibt, fast schon etwas erblasst zurück. Israel stellt sämtliche Darsteller mit seiner extrovertierten, energetischen und urkomischen Darstellung in den Schatten – eine Bühnenpräsenz, die in dieser Inszenierung ihresgleichen sucht.

Der frenetische Applaus des Mannheimer Publikums am Ende des Stücks gilt letztendlich neben Fausto Israel vor allem der regionalen Drag-Ikone Markus Beisel und vermutlich weniger der Darbietung und der Inszenierung dieses Werkes an sich, da allzu viele Schwächen aneinandergereiht das bunte “La Cage” halbgar zurücklassen.

 
Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
KREATIVTEAM
InszenierungGeorg Veit
Musikalische LeitungMarcos Padotzke
ChoreographieDoris Marlis
KostümeRhea
BühneGeorg Veit
Angela Krieglstein
 
Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
CAST (AKTUELL)
AlbinMarkus Beisel
GeorgesHannes Staffler
Jean-MichelAlexander Sasanowitsch
JacobFausto Israel
MercedesJohan Vandamme
Phädra / Madame DindonRosa Sutter
Edouard DindonThomas Simon
HannaFelipe Ramos
Babette / JacquelineDenise Golletz
ChantalManuel Weinmann
Odette / Anne DindinKathrin Lothschütz
StatistenDaniel Höhr
Niklas Hofmann
Tobias Kraus
Harald Wieland
PianoMarcos Padotzke
BassKatharina Groß
SchlagzeugMischa Becker
ViolineUlrich Zimmer
VioloncelloBianca Breitfeld
TrompeteRobert Menges
ReedCarl Krämer
  
Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
TERMINE
keine aktuellen Termine
 
Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
TERMINE (HISTORY)
Sa, 17.09.2022 20:00Capitol, MannheimPremiere
Sa, 15.10.2022 20:00Capitol, Mannheim
Mo, 07.11.2022 20:00Capitol, Mannheim
▼ 10 weitere Termine einblenden (bis 07.03.2024) ▼
Zur Zeit steht die Funktion 'Leserbewertung' noch nicht (wieder) zur Verfügung. Wir arbeiten daran, dass das bald wieder möglich wird.
Overlay