 Klassiker
Blondinen bevorzugt! Von Geld und Liebe
© Jörg Metzner
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Was fasziniert Männer an Blondinen? Dieser Frage geht der 1949 uraufgeführte Musical-Klassiker mit der Musik von Jule Styne nach. In großer Orchester-Begleitung fasziniert die Partitur dank der Neubrandenburger Philharmonie unter Volker M. Plangg auch heute noch. Barbara Schönes recht alberne Inszenierung im modernen Look vermag es dagegen nicht, die Schwächen des antiquiert wirkenden Buches aus der Feder von Joseph Fields und Anita Loos vom Muff der Entstehungszeit zu befreien.
(Text: Kai Wulfes) Premiere: | | 14.11.2021 | Rezensierte Vorstellung: | | 14.11.2021 | Dernière: | | 11.03.2023 |
Zutritt nur mit Impfnachweis und ohne Fieber. Bei allen Passagieren, die im New Yorker Hafen an Bord des Luxusliners "Ile de France" gehen wollen, werden der gelbe Impfausweis und per Infrarotscanner die Körpertemperatur kontrolliert. Regisseurin Barbara Schöne thematisiert in ihrer Inszenierung die Corona-Vorsichtsmaßnahmen im öffentlichen Raum und verlegt die ursprünglich in den 1920er Jahren spielende Handlung in die Gegenwart. Xenia Lassaks Kostümbild unterstützt optisch die Moderne mit T-Shirts und Shorts, glänzt und funkelt aber auch in schicker Abendgarderobe und kleidet im als schrillen Travestie-Schuppen umgedeuteten Cabaret die Gäste in Karnevalskostüme von Batman bis Zorro.
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Dabei hat Barbara Schönes moderner Inszenierungs-Ansatz einen gewaltigen Schönheitsfehler: Die Rollenbilder und der klamottige Humor des Buches mögen heute bestenfalls noch auf einer traditionellen Karnevalssitzung zünden, sind sonst jedoch längst passé. Statt etwas besonnener mit der antiquiert-wirkenden Vorlage umzugehen, stellt Schöne die beiden Hauptfiguren Lorelei und Dorothy als unselbstständige, wirtschaftlich von der Männerwelt abhängige Naivchen auf die Bühne. Der Männer-Kosmos der Regisseurin variiert zwischen erfolgsverwöhnten Macho-Protzern, überzeichneten Volltrotteln und tuntigen Schwuchteln. Mit wenig Gespür für Tempo bedient die Inszenierung behäbig jedes noch so schlimme Klischee und albert sich von Schenkelklopfer zu Schenkelklopfer. Absoluter Regie-Tiefpunkt ist der Umgang mit dem Hit-Song "Diamonds Are a Girl´s Best Friend". Schöne lässt ihn in der unsäglichen deutschen Übersetzung "Nichts kommt an Juwelen ran" vor dem geschlossenen Vorhang wie eine zusammenhanglose Einlage vortragen.
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Wenig Fingerspitzengefühl beweist die Regisseurin auch bei den von ihr choreografierten Massenszenen, in denen sie die Damen und Herren des Opernchores als homogene Gruppe aufmarschieren oder sie sich ohne Tanzpartner adrett zu Walzerklängen im Kreise drehen lässt. In der an sich schmissigen Samba-Nummer "Dei-Dei-Di-Dei-Da" entzündet sich durch das Schwenken von exotischen Früchten, Blumen und Rumba-Rasseln nur ein dürftiges, südamerikanisches Feuerchen. Mehr Verve und Ausdruck haben die Ballett-Choreografien von Marie-Christin Zeisset, in denen die Damen und Herren der Deutschen Tanzkompanie in ihren Auftritten schwungvoll und sehr synchron glänzen.
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Wie beim Auslaufen des Dampfers aus dem Hafen gelingen Schöne aber auch gute Bilder. Hierbei wechselt blitzschnell die Sicht auf das Schiff in die entgegengesetzte Perspektive. Durch Hereinschieben einer Reling stehen die handelnden Personen plötzlich als Passagiere in der vollen Bühnenbreite hinter einer Reling und verabschieden sich winkend in den Zuschauerraum hinein von ihren Lieben. Weitere schnelle Szenenwechsel ermöglicht das ebenfalls von Xenia Lassak verantwortete Bühnenbild, das nur aus zwei verschieb- und drehbaren Kuben in Creme- und Goldtönen besteht - mit allerlei Versatzstücken ergänzt - eine stimmige Optik gewährt.
Sowohl bei den Choristen als auch bei den Solisten dominieren wirklich gute, klassisch geschulte Stimmen, sodass die Inszenierung auch akustisch die Verwandtschaft des 1949 uraufgeführten Musicals zur Operette nicht verleugnen kann. Bei der sehr blond gespielten Lorelei funktelt Laura Scherwitzls schöner lyrischer Sopran in den Höhen und harmoniert sehr gut mit dem opulenten, kraftvollen Bariton von Sebastian Naglatzki als Reißverschluss-Fabrikantensohn Gus Esmond. Den mit ihm wirtschaftlich im Wettbewerb stehende Henry Spofford, Erbe des Knopfimperiums, singt Andrés Felipe Orozco mit schmachtendem Tenor. Seine Angebetene Dorothy gibt die flott-forsche Mezzosopranistin Iuliia Tarasova. Auch dieses Paar harmoniert stimmlich prächtig, sodass man über schwülstige Textpassagen wie "Dein Herz ist mein und jeder Vogel dieser Welt stimmt in das Lied der Liebe mit ein" hinweghört. Die vielen Kleinst- und Nebenrollen sind gut besetzt, wobei Gabriele Thomann als schnapsdrosselige Ella Spofford hervorsticht.
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Die Neustrelitzer Inszenierung von "Blondinen bevorzugt" und deren gesangliche Umsetzung durch das hauseigene Musiktheater-Ensemble sind Geschmackssache. Nicht zu diskutieren braucht man jedoch über die Orchesterbegleitung. Es ist eine wahre Wonne, was die große Besetzung der Neubrandenburger Philharmonie unter dem Dirigat von Volker M. Plangg aus dem Graben hervorzaubert. Schon bei der in bester Broadway-Manier gespielten, schwungvollen Best-Of-Ouvertüre schmachten die Geigen, jazzen die Blechbläser und das Schlagwerk peppt mit wohl dosierter Power. Die Orchestermusiker halten dieses hohe Niveau bis zum Schluss-Ton und spielen auf ganz hohem Niveau. Wie gut, dass das Publikum zur Pandemie-Bekämpfung in der besuchten Premiere während der gesamten Vorstellung nur Mund und Nase, nicht jedoch die Ohren bedecken musste.
(Text: Kai Wulfes)

Kreativteam
Besetzung
Frühere Besetzungen? Hier klicken Lorelei Lee - Laura Scherwitzl
Dorothy Shaw - Iuliia Tarasova
Gus Esmond - Sebastian Naglatzki
Henry Spofford - Andrés Felipe Orozco
Mrs. Ella Spofford - Gabriele Thomann
Josephus Gage - Robert Merwald
Lady Phyllis Beekman - Karin Hartmann
Sir Francis Beekman - Gunter Sonneson
Robert Lemandeur / Mr. Esmond Senior - Markus Kopp
Louis / Léon / Steward - Marin Silni
Zweiter Steward / Pierre - Andreas Hartig
Dritter Steward - Hyoung-Jun Lim
Maitre d Hotel / Oberkellner Casino - Krzysztof Napierala
Gloria Stark - Nicola Clarissa Gehring
Opernchor der Theater und Orchester GmbH
Deutsche Tanzkompanie
Statisterie
Neubrandenburger Philharmonie

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