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 Tanz-Musical
Flashdance Now I'm Dancing For My Life
© David Schmelzer
© David Schmelzer
Bei der Musical-Adaption von "Flashdance" lockt das Publikum nicht die seichte Story, sondern die bekannten Hits aus dem Film-Soundtrack ins Theater. Christoph Drewitz, Regisseur dieser Tournee-Produktion mit Musikbegleitung aus der Konserve, gelingt es nicht, die vorhersehbare Handlung zwischen dem Ohrwürmern mit einer originellen, straffen Personenführung aufzuwerten. Die beiden wenig überzeugenden Hauptdarsteller Veronika Hammer und Denis Riffel werden vom restlichen Cast an die Wand getanzt.
(Text: kw) Premiere: | | 16.10.2021 | Rezensierte Vorstellung: | | 16.10.2021 | Showlänge: | | 150 Minuten (ggf. inkl. Pause) |
"Ich kann doch nicht den Boss daten!". Das ist die harsche Reaktion der jungen Schweißerin Alex auf den Hinweis ihrer Freundinnen Gloria, Kiki und Tess, dass Nick, der Sohn des Fabrikbesitzers, ein Auge auf sie geworfen habe. Dabei hängt ihr Herz gar nicht an der Schufterei im Stahlwerk. Alex, die nach Feierabend ihr Gehalt in einer Bar als Tänzerin aufstockt, träumt von einer Profi-Bühnenkarriere. Als Autodidaktin zögert sie allerdings, sich bei der renommierten Shipley Academy zu einer Audition anzumelden.
Wie im Kultfilm von 1983 wird auch in der 25 Jahre später entstandenen Bühnenadaption die Handlung nach wenigen, vorhersehbaren dramaturgischen Wendungen zu einem Happy End geführt: Alex begeistert die Akademie-Jury mit einer eigenen Choreografie zum Song "Flashdance… What A Feeling" und Nick kann seine Liebste endgültig in die Arme schließen. Dabei lässt Regisseur Christoph Drewitz die Chancen verstreichen, aus Figuren echte Typen zu formen oder die dürftige Vorlage durch frische Ideen aufzupeppen. Er führt die Darsteller schablonenhaft und recht uninspiriert durch eine Inszenierung, die so wirkt, als müssten Pausen zwischen Hit-Songs mit Spiel gefüllt werden. Fast schon nervig ist das häufig wiederholte, sinnlose Hantieren mit bunten Neonröhren, die an Lichtschwerter aus den Star-Wars-Filmen erinnern.
Wirklich originell ist Drewitz' Einfall, den Beginn der musikalischen Begleitung bei Alex' finalem Vortanzen mit Knacken und Rauschen zu unterlegen - ganz so, als würde sie von einer Vinyl-Schallplatte abgespielt. Eine schöne Reminiszenz an die 1980er-Jahre, in der das Stück eigentlich spielt. Das und die erwähnten Neonröhren bleiben aber auch der einzige Verweis auf dieses Jahrzehnt. Typische Achtziger-"Modesünden" wie Schulterpolster, Puffärmel, Karottenhosen oder neonfarbene Leggins sucht man im Kostümbild von Adam Nee vergebens. Stattdessen kleidet er die Darsteller sehr heutig ein. Zudem geht es im Stahlwerk äußerst sauber zu, da die Arbeiter in wie frisch gewaschenen wirkenden roten, grünen und gelben Overalls malochen.
Ein glücklicheres Händchen hat der Ausstatter mit seinem raffinierten, sehr tourneekompatiblen Bühnenbild. Nees stellt ein zweigeschossiges Gerüst auf die Bühne, dessen ebenerdige Wellblechfassade mit Graffiti besprüht sind. Sie lässt sich an verschiedenen Stellen öffnen und ermöglicht blitzschnell neue Spielorte. Die entstehen zusätzlich durch eine Treppe und einen Quader auf Rollen, in dem die vier Wände von Alex' mütterlicher Freundin Hannah versteckt ist.
Bei ihrem Besuch in dieser Wohnung blitzt im ersten Akt kurzzeitig so etwas wie liebevoll gestaltete Personenführung auf. Das vertrauens- und liebevolle Verhältnis zu ihrer Mentorin lässt eine glaubhafte Beziehung erkennen, die man vor allem in den Szenen zwischen Alex und Nick schmerzhaft vermisst. Veronika Hammer und Dennis Riffel spielen weniger miteinander als Paar, denn irgendwie jeder für sich. Zwar harmonieren ihre Stimmen in Duetten wie "Hier und Jetzt" sehr gut miteinander, aber der Funke mag nicht wirklich überspringen. Veronika Hammer enttäuscht zudem im Tanz: trotz vieler Sprünge und Pirouetten vor der Akademie-Jury ist es nicht wirklich nachvollziehbar, dass sie dort für ein Studium aufgenommen wird. Großartig hingegen ist sie im Duett "Eins zu 'ner Million" mit Susanna Panzner, die aus ihrer kleinen, undankbaren Rolle als Hannah das Maximale herausholt und die beste darstellerische Leistung des Abends zeigt.
Die beiden originalen Hitkracher aus dem Film "Flashdance… What A Feeling" und "Maniac" werden vom Trio Tiziana Turano (Gloria), Aswintha Vermeulen (Kiki) und Jara Buczynski (Tess) bravourös gesanglich angeführt. Alle drei glänzen solistisch in ihren großen, erst in die Musical-Version integrierten Hits, bleiben inszenierungsbedingt in ihrer Darstellung allerdings eher blass. Den Zuhälter-Fiesling C.C. spielt Enrico Treuse wie mit angezogener Handbremse, lässt allerdings gesanglich in den beiden Songs "Gloria" und "Chamäleon Girls" aufhorchen.
Einfach grandios sind die tänzerischen Leistungen der Darsteller in den Ensemble-Nummern. Kerstin Ried fordert sie mit elektrisierenden Choreografien, die ausgesprochen zackig-synchron ausgeführt werden und in der besuchten Premiere ausgiebig bejubelt werden. Zum Schlussapplaus erscheinen hier auch Robin Klopfer (musikalische Leitung) und fünf Musiker auf der Bühne. Laut Programmheft haben sie die in Wien aufgezeichnete Musik-Begleitung eingespielt. Und nicht nur die. Auch beim Gesang scheint getrickst zu werden, denn anders ist eine Position "Vocal Recordings" in der Rubrik "Band-Recordings" nicht zu erklären. Ein weiterer dicker Wehrmutstropfen in dieser durchwachsenen Produktion.
(Text: Kai Wulfes)

Kreativteam
Besetzung
Frühere Besetzungen? Hier klicken Alex Owens - Veronika Hammer
Nick Hurley - Denis Riffel
Hannah - Susanna Panzner (Karina Schwarz)
Tess - Jara Buczynski
Kiki - Aswintha Vermeulen
Joe - Jan Großfeld
Gloria - Tiziana Turano
Jimmy - Kevin Thiel
C. C. - Enrico Treuse
Harry - Alex Brugnara
Louise / Mrs. Wilde - Anne Hoth
Ballerina - Carmela Bonomi
Swings - Carlo Schiavone, Lisa Radl, Marije Louise Maliepaard
Produktionsgalerie (weitere Bilder)

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Die Kriterien für unsere Kurzbewertungen (Stand: Dezember 2014)
Buch*: Ist die Handlung in sich schlüssig? Kann die Story begeistern? Bleibt der Spannungsbogen erhalten oder kommt Langeweile auf?
NICHT: Besonderheiten der konkreten Inszenierung des Theaters.
Kompositionen*: Fügen die Kompositionen sich gut in das Stück ein? Haben die Songs Ohrwurmcharakter? Passen die gewählten Texte auf die Musik? Transportieren Text und Musik die selbe Botschaft?
NICHT: Orchestrierung, Verständlichkeit des Gesangs der Darsteller in der aktuellen Inszenierung.
* werden nur bei neuartigen Produktionen (z.B. Premiere, deutsche Erstaufführung usw.) vergeben
Inszenierung: Wie gut wurde das Stück auf die Bühne gebracht? Stimmen die Bilder und Charaktere? Bringt der Regisseur originelle neue Ansätze ein?
NICHT: Wie gut ist die Handlung des Stücks an sich oder die mögliche Übersetzung?
Musik: Kann die musikalische Umsetzung überzeugen? Gibt es interessante Arrangements? Ist die Orchesterbegleitung rundum stimmig? Muss man bei Akustik oder Tontechnik Abstriche machen?
NICHT: Sind die Kompositionen eingängig und abwechslungsreich? Gibt es Ohrwürmer? Gefällt der Musikstil?
Besetzung: Bringen die Darsteller die Figuren glaubwürdig auf die Bühne? Stimmen Handwerk (Gesang, Tanz, Schauspiel) und Engagement? Macht es Spaß, den Akteuren zuzuschauen und zuzuhören?
NICHT: Sind bekannte Namen in der Cast zu finden?
Ausstattung: Setzt die Ausstattung (Kostüme, Bühnenbild, Lichtdesign etc.) die Handlung ansprechend in Szene? Wurden die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten optimal genutzt? Bieten Bühne und Kostüme etwas fürs Auge und passen sie zur Inszenierung?
NICHT: Je bunter und opulenter ausgestattet, desto mehr Sterne.
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