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 Komödie
High Society Schampus und ein Hummer zum Dessert
© Björn Klein
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Die Musical-Komödie hat eine ziemliche Reise hinter sich: vom Theaterstück zur Verfilmung, weiter zur Neuverfilmung mit ein paar Songs von Cole Porter und schließlich – wiederum um zusätzliche Porter-Songs aus anderen Werken erweitert – als Musical zurück auf die Bühne. "High Society" ist sicher kein Höhepunkt des Genres, aber amüsante Unterhaltung. Auch in Heilbronn macht man mit dieser publikumsnahen Stückauswahl nichts verkehrt. Nur hätte der Abend ein bisschen mehr Pep vertragen können.
(Text: ig) Premiere: | | 26.11.2022 | Rezensierte Vorstellung: | | 26.11.2022 | Dernière: | | 14.07.2023 | Showlänge: | | 165 Minuten (ggf. inkl. Pause) |
Familie Lord plant die zweite Hochzeit ihrer Tochter Tracy. Nebenan wohnt deren Ex-Mann C.K. Dexter Haven, der sich – zumindest für Tracy – unwillkommen selbst zur Hochzeit einlädt. Er hat erfahren, dass eine Klatschzeitung über die Affäre von Vater Lord mit einer Tänzerin berichten möchte. Um den Skandal zu verhindern, überzeugt Dexter die Familie, zwei Boulevardreporter dieser Zeitung über die Hochzeit berichten zu lassen. Tracy und ihre Schwester Dinah beschließen, den beiden eine extrem exzentrische Familie vorzuspielen. Und wie das in Boulevardkomödien so ist: Auch Tracys Beziehung zu Dexter ist noch nicht wirklich abgeschlossen.
© Björn Klein
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Die Heilbronner Produktion versetzt die Handlung aus den 1930er Jahren in die Gegenwart. Sie spielt weiterhin auf Long Island – trotz demonstrativ gezeigter Breuninger-Einkaufstüte. An die mondäne Welt der oberen Zehntausend erinnert nur die Schar der Bediensteten, die Fides Groot Landeweer in ihren Choreografien quirlig über die Bühne tanzen lässt. Jörg Kiefels abgespecktes Bühnenbild besteht aus Vorhängen, deren Verschieben und verschiedenfarbige Beleuchtung Szenenwechsel andeuten. Graue Holzpodeste werden als Bänke oder Bar benutzt. "Protzig", wie Reporter Mike Connor und die Fotografin Liz Imbrie die Räume beschreiben, ist hier nichts – eher sehr nüchtern und schlicht.
Hannah Petersens Kostüme passen gut zu Familie Lord und das Journalisten-Duo. Für die Gäste der Party am Vorabend der Hochzeit hat sie sich für ein scheinbar willkürliches Stil-Durcheinander von Mode der 1970ern bis heute entschieden. Sie scheinen dadurch nicht zum alten Ostküsten-Geldadel zu gehören wie die Lords, sondern neureiche Möchtegerns zu sein.
Die Party ist Dreh- und Angelpunkt der Geschichte. Dexter provoziert Tracy, die sich früher einmal nach gehörigem Champagnergenuss ordentlich daneben benommen hat, wo sie doch sonst so kontrolliert auftritt. Wütend betrinkt sie sich, lässt alle Hemmungen fallen und flirtet wild mit Reporter Mike. Dessen Kollegin Liz muss sich den Avancen von Tracys Onkel erwehren und die Eltern finden im allgemeinen Hormonrausch auch wieder zueinander. Regisseur Georg Münzel bringt in diesen Szenen einen Reigen auf die Bühne, der auch vor den am Rand oder im Hintergrund platzierten Partygästen nicht haltmacht. Leider schafft er es nicht, das hohe Tempo die ganze Zeit aufrecht zu halten. In den Dialogszenen gibt es viel Leerlauf. Der versuchte Ernst bei den Eheproblemen von Tracys Eltern rutscht in flache Floskeln ab.
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Schwerer noch wiegt, dass Münzel die Beziehung von Tracy und Dexter nicht klar definiert. Zwischen den beiden Ex-Eheleuten knistert es nicht mehr, nicht einmal richtige Wut wegen ungelöster Probleme aus der geschiedenen Ehe ist spürbar. Warum sollte Dexter versuchen, Tracys Hochzeit zu torpedieren? Er hat mehr Verbindung zu seiner Ex-Schwägerin Dinah und flirtet viel mehr mit ihr. Es wäre nicht verwunderlich, wenn die beiden am Ende ein Paar würden. Leider hat Larissa Hartmann, die diese pfiffige Rolle mit viel Schwung verkörpert, nach der Pause nahezu nichts mehr zu tun. Dafür gewinnt Eve Rades als Tracy im zweiten Akt an Profil. Die von diversen Figuren erwähnte Gefühlskälte bleibt sie schuldig. Dadurch kann ihre Figur sich nicht entwickeln. Dass sie sich betrinkt und völlig aus sich heraus geht, gibt Rades Gelegenheit, ihr komödiantisches Talent zu zeigen. Es steht aber nicht im krassen Gegensatz zu einem übertrieben selbstkontrollierten Handeln, das u.a. auch zum Scheitern ihrer Ehe mit Dexter beigetragen hat. Gesanglich überzeugt sie dagegen voll und ganz. Als ihr Ex-Mann C.K. Dexter ist Arlen Konietz ein ziemlich stimmgewaltiges Schlitzohr.
Pablo Guaneme Pinilla spielt Mikes Gewissensbisse gut heraus. Der politisch links stehende Reporter lehnt die reiche Familie Lord eigentlich ab, aber im Lauf der Party verfällt er immer mehr deren Annehmlichkeiten – und Tracy. Dabei ist Guaneme Pinillas Darstellung überzeugender als sein Gesang. Mit staubtrockenem Humor bietet Sarah Finkel als Fotografin Liz eine Glanzleistung. Auch stimmlich ist sie der Rolle gewachsen.
In einer reinen Sprechrolle setzt Luca Rosendahl ein kleines Highlight. Als Tracys spießiger, humorloser Bräutigam George ist er ausgesprochen unsympathisch, ohne die Rolle klischeehaft zu übertreiben. Man leidet sogar ein bisschen mit ihm, als er von Dexter genötigt wird, einen Witz zu erzählen – und selbstverständlich kläglich scheitert.
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Zwar klingt der Ton nicht wirklich klar durch die Lautsprecheranlage, aber die Texte sind jederzeit verständlich und gut mit der musikalischen Begleitung abgemischt. Unter der Leitung von Heiko Lippmann ist das Orchester ein souveräner Partner im Graben vor der Bühne.
"High Society" ist in Heilbronn trotz Schwächen ein unterhaltsamer Musicalabend, auch wenn er nicht ganz so champagnerselig prickelt, wie man es sich bei diesem Stück erhofft.
(Text: Ingo Göllner)

Kreativteam
Besetzung

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Die Kriterien für unsere Kurzbewertungen (Stand: Dezember 2014)
Buch*: Ist die Handlung in sich schlüssig? Kann die Story begeistern? Bleibt der Spannungsbogen erhalten oder kommt Langeweile auf?
NICHT: Besonderheiten der konkreten Inszenierung des Theaters.
Kompositionen*: Fügen die Kompositionen sich gut in das Stück ein? Haben die Songs Ohrwurmcharakter? Passen die gewählten Texte auf die Musik? Transportieren Text und Musik die selbe Botschaft?
NICHT: Orchestrierung, Verständlichkeit des Gesangs der Darsteller in der aktuellen Inszenierung.
* werden nur bei neuartigen Produktionen (z.B. Premiere, deutsche Erstaufführung usw.) vergeben
Inszenierung: Wie gut wurde das Stück auf die Bühne gebracht? Stimmen die Bilder und Charaktere? Bringt der Regisseur originelle neue Ansätze ein?
NICHT: Wie gut ist die Handlung des Stücks an sich oder die mögliche Übersetzung?
Musik: Kann die musikalische Umsetzung überzeugen? Gibt es interessante Arrangements? Ist die Orchesterbegleitung rundum stimmig? Muss man bei Akustik oder Tontechnik Abstriche machen?
NICHT: Sind die Kompositionen eingängig und abwechslungsreich? Gibt es Ohrwürmer? Gefällt der Musikstil?
Besetzung: Bringen die Darsteller die Figuren glaubwürdig auf die Bühne? Stimmen Handwerk (Gesang, Tanz, Schauspiel) und Engagement? Macht es Spaß, den Akteuren zuzuschauen und zuzuhören?
NICHT: Sind bekannte Namen in der Cast zu finden?
Ausstattung: Setzt die Ausstattung (Kostüme, Bühnenbild, Lichtdesign etc.) die Handlung ansprechend in Szene? Wurden die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten optimal genutzt? Bieten Bühne und Kostüme etwas fürs Auge und passen sie zur Inszenierung?
NICHT: Je bunter und opulenter ausgestattet, desto mehr Sterne.
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Sa | 24.06. | 19:30 Uhr | | Sa | 08.07. | 19:30 Uhr | | Fr | 14.07. | 19:30 Uhr | Dernière |
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