Claire-Marie Hall, Natasha Hodgson, David Cumming, Zoe Roberts and Jak Malone. © Matt Crockett
Claire-Marie Hall, Natasha Hodgson, David Cumming, Zoe Roberts and Jak Malone. © Matt Crockett

Operation Mincemeat (seit 05/2019)
Fortune Theatre, London

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Mit trockenem britischen Humor und handfestem Slapstick jagt das Ensemble mit hohem Tempo durch die Geschichte und lässt überraschende Pausen für emotionale Gänsehaut-Momente. Der Veranstalter wirbt damit, dass die Produktion 39 5-Sterne-Rezensionen bekommen habe. Dann ist das hier jetzt Nr. 40!

Manche Realitäten können so haarsträubend sein, dass man sie kaum glauben kann. Und doch ist die “Operation Hackfleisch” wirklich passiert und läutete mit die deutsche Niederlage im Zweiten Weltkrieg ein. Die Briten wollen das von Deutschland besetzte Sizilien als Ausgangspunkt für die alliierte Invasion in Italien nutzen. Beim Geheimdienst MI5 rauchen die Beamtenköpfe. Der eher seltsame und linkische Mitarbeiter Charles Cholmondeley schlägt vor, in Spanien die Leiche eines Fallschirmspringers abzulegen. Bei dem Toten soll man eine Tasche voller gefälschter Geheimdokumente finden, die den Deutschen weismachen sollen, die Briten planten eine Invasion auf Sardinien. Das Ziel: Die Verlegung deutscher Truppen von Sizilien nach Sardinien erreichen. Natürlich läuft das Unternehmen alles andere als glatt.

Das Stück spielt die meiste Zeit im MI5, das als typische Behörde dargestellt wird. Es gibt Dienstwege, die streng eingehalten werden müssen, eine Hackordnung innerhalb des Kollegiums und auch spleenige Mitarbeiter wie der von vielen verlachte Ian Fleming, der nebenbei Agentenromane schreibt und der Meinung ist, die Invasion sollte mit unter Wasser fahrenden Autos durchgezogen werden. Zu seiner Ehrenrettung: Der James-Bond-Autor war einer der führenden Köpfe der “Operation Mincemeat”, aber so fallen viele herrliche Gags ab.

Und Gags gibt es hier im Minutentakt. Bis unerwartet die Bremse angezogen wird: Um der eigentlich namenlosen und in “Major William Martin” umbenannten Leiche einen realistischen Hintergrund zu geben, will man ihm neben Rechnungen und Theaterkarten einen Brief seiner Verlobten ins Portemonnaie stecken. Diesen Brief diktiert die Chefsekretärin ‘Miss’ (darauf legt sie Wert!) Hester Leggett, eine spröde alte Jungfer. Doch sie hatte im Ersten Weltkrieg einen Verlobten, dem sie Briefe an die Front schrieb und der im Krieg fiel. Wo vor wenigen Momenten noch lauthals gelacht wurde, kann man bei “Dear Bill” plötzlich eine Stecknadel fallen hören. Ein wunderbarer, abgrundtief trauriger Song, bewegend gesungen von Jak Malone, einem der fünf Ensemblemitglieder.

Dieses Ensemble ist so talentiert, dass man neidisch werden möchte. Sie sind begnadete Schauspieler, Sänger und Tänzer. Alle übernehmen mehrere Figuren, haben aber jeweils quasi einen Haupt-Part. Dabei spielt das Geschlecht keine Rolle. Jak Malone ist vor allem Hester Leggett, während Natasha Hodgson den Leiter der Mission, Ewan Montague, und Zoë Roberts den Chef des Ganzen, Johnny Bevan, verkörpern. David Cumming ist hauptsächlich Charles Cholmondeley und Claire Marie Hall die Schreibkraft Jean Leslie.

Buch und Musik wurden von den Ensemblemitgliedern David Cumming, Natasha Hodgson und Zoë Roberts zusammen mit Felix Hagan geschrieben. Die Kompositionen bedienen sich verschiedenster Stile. Es gibt Swing, den Shanty “Sail on, Boys” und Reminiszenzen an “Six” (den Power-Song “All the Ladies”) oder “The Producers” (die Nazi-Boygroup bei “Das Übermensch”) und auch “Hamilton”-typischer Sprechgesang grüßt an verschiedenen Ecken. Dabei wird nicht simpel “geklaut”, sondern clever und mit Augenzwinkern zitiert. Die vertrackten mehrstimmigen Gesangsarrangements verlangen dem Ensemble einiges ab. Begleitet wird es hinter der Bühne von einer vierköpfigen Band, die Joe Bunker vom Klavier aus leitet.

Robert Hastie hat die überbordenden Ideen seiner Inszenierung unter Kontrolle und weiß, wann er das Tempo anziehen oder drosseln muss. Jenny Arnolds Choreografien bringen zusätzlichen Schwung auf die Bühne und fügen sich nahtlos zur körperbetonten Spielweise der Darstellerinnen und Darsteller.

Das funktionale Bühnenbild von Ben Stones zeigt einen dunklen, im Grunde nüchternen Raum, an dessen Wände Reste von Notizen und Formeln erkennbar sind. Tische, Türen, Telefone und was man sonst noch so braucht, werden flugs rein und raus geschoben. Mark Hendersons kreatives Lichtdesign, das von Nebel über dem Meer bis zum Popkonzert verschiedenste Stimmungen kreiert, rundet die Bühnenoptik ab. Zum “Glitzy Finale” geht man so richtig in die Vollen. Dann wird alles aufgefahren, was die Bühnentechnik bieten kann. Man achte auf den Flugzeugpropeller!

Aber die Show endet nicht mit diesem überbordenden Schluss. Jean Leslie gibt im Stück zu bedenken, dass man von dem unbekannten Toten nichts weiß, dass man seine Familie auch nicht um das Einverständnis gebeten hat, die Leiche zu benutzen, dass man sie einfach als Gegenstand verwendet. Die Aufführung endet mit einem Gedenken an eben jenen Glyndwr Michael, einem Obdachlosen, der sich unfreiwillig um sein Land verdient gemacht hat.

Mit Momenten wie diesen stellt sich “Operation Mincemeat” aus der Fülle der West-End-Produktionen heraus. Das 2019 ursprünglich als kleine Independent-Produktion gestartete Stück würde auch “nur” als Komödie funktionieren, aber die Autorinnen und Autoren, Ensemble und Produktionsteam machen so viel mehr daraus. Sie formen eigenständige Figuren mit Hintergrund, sind hemmungslos albern und im nächsten Augenblick wird das Publikum emotional gepackt.

Man verlässt das Theater mit Tränen in den Augen. Mit Lachtränen und Tränen der Rührung. Das muss man erst mal schaffen. Die aktuelle Must-See-Show im Londoner West End!

 
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KREATIVTEAM
Buch, Musik, TexteDavid Cumming
Felix Hagan
Natasha Hodgson
Zoe Roberts
InszenierungRobert Hastie
ChoreographieJenny Arnold
Musikal. LeitungJoe Bunker
Bühne / KostümeBen Stones
Licht DesignMark Henderson
Sound DesignMark Walker
 
Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastCast (Historie)Ter­mi­neTermi­ne (Archiv)
CAST (AKTUELL)
Charles Cholmondeley / Doctor Pobil u.a.David Cumming,
(Seán Carey)
Ewen Montagu u.a.Natasha Hodgson,
(Holly Sumpton)
Jean Leslie / Steve u.a.Claire-Marie Hall,
(Holly Sumpton)
Hester Leggett / Bernard Spilsbury / Captain Jewell / Willie Watkins / Ivor Montagu u.a.Jak Malone,
(Christian Andrews)
Johnny Bevan / Ian Fleming / Haselden u.a.Zoe Roberts,
(Geri Allen)
 
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CAST (HISTORY)
CholmondeleyDavid Cumming
MontaguNatasha Hodgson
JeanRory Furey-King
HesterJak Malone
BevanZoe Roberts
  
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TERMINE
Sa, 20.04.2024 15:00Fortune Theatre, London
Sa, 20.04.2024 20:00Fortune Theatre, London
Mo, 22.04.2024 19:30Fortune Theatre, London
Di, 23.04.2024 15:00Fortune Theatre, London
Di, 23.04.2024 19:30Fortune Theatre, London
Mi, 24.04.2024 19:30Fortune Theatre, London
Do, 25.04.2024 19:30Fortune Theatre, London
Fr, 26.04.2024 19:30Fortune Theatre, London
Sa, 27.04.2024 15:00Fortune Theatre, London
Sa, 27.04.2024 20:00Fortune Theatre, London
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TERMINE (HISTORY)
Di, 14.05.2019 19:30New Diorama Theatre, LondonPremiere
Mi, 29.05.2019 19:30New Diorama Theatre, London
Do, 30.05.2019 19:30New Diorama Theatre, Londonausverk.
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