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 Gauner-Dramedy
Catch Me If You Can Seltsam, aber wahr!
© Nils Heck
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Gil Mehmerts für das Staatstheater Nürnberg entwickelte Inszenierung von "Catch Me If You Can" gefällt auch am Staatstheater Darmstadt mit rasantem Tempo und einem klugen Konzept.
(Text: Markus Zeller) Premiere: | | 21.09.2019 | Rezensierte Vorstellung: | | 21.09.2019 | Letzte bekannte Aufführung: | | 13.06.2020 | Showlänge: | | 180 Minuten (ggf. inkl. Pause) |
Die beiden Hauptrollen der Show sind für die Übernahme neu besetzt worden, mit Riccardo Greco als Frank Abagnale Jr. und Alen Hodzovic als Carl Hanratty jedoch nicht unbedingt altersgerecht. Dadurch bleibt vor allem die Vater-Sohn-Beziehung, die sich während des Katz-und-Maus-Spiels zwischen den beiden entwickelt, ein wenig auf der Strecke. Greco will man vor allem am Anfang des Stücks den gerade mal 16-jährigen Schüler nicht so recht abnehmen. Dennoch gelingt es ihm sehr schön, die Traurigkeit herauszustellen, die die im Buch eher eindimensional gehaltene Figur in sich trägt. Grecos Frank ist nicht nur der ewige Strahlemann mit unwiderstehlichem Optimismus, dem die Welt in seiner eigenen 'Show-Welt' willenlos zu Füßen liegt und sogar käuflicher Sex einfach so ohne Bezahlung zufällt. Den im Grunde unglücklichen und Halt suchenden jungen Mann, der von heute auf morgen seine Familie verloren hat, holt er immer wieder sehr gekonnt hervor. Das verleiht der Figur die ansonsten fehlende Tiefe, was sich auch in der hier sehr glaubhaft dargestellten Beziehung zu Brenda zeigt.
© Nils Heck
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Alen Hodzovic ist in seiner Bühnenerscheinung weit weg von einer Vaterfigur für Frank, was auch Auswirkung auf Carls mitreißenden Showstopper "Brich kein Gesetz" hat. Der fesselnde Irrsinn dieser Nummer speist sich nicht zuletzt aus der Komik, dass ein verschrobener und merklich in die Jahre gekommener FBI-Agent mit nur limitiertem körperlichen Bewegungspotential auf einmal zu tänzerischen Höchstleistungen in der Lage ist, wenn er nur über seine nach wie vor ungebrochene Leidenschaft der unerschütterlichen Gesetzestreue berichten darf. Dieser Aberwitz muss allerdings aufgebaut werden und kommt hier nicht zur Geltung, da Hodzovic Hanratty auch vor und nach dieser Szene zwar tollpatschig, aber gleichwohl körperlich äußerst agil anlegt. Hodzovic probiert viel, um die Rolle des exzentrischen Einzelgängers in den Griff zu bekommen: Mal gibt er ihn mit nerdhafter Trotteligkeit, mal mit panischem Hyperaktivismus und auch mal mit hechelnd-sabbernder Schnappatmung. Im Waffenarsenal eines Komödianten sind diese Mittel Axt und Schwert, für eine glaubwürdig-stimmige Charakterzeichnung von Carl Hanratty bedarf es jedoch des feinen Floretts, um ihn richtig gut werden zu lassen.
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Gesanglich sind die beiden Hauptdarsteller dieser Produktion, die auf Grundlage von Gil Mehmerts Inszenierung von Till Kleine-Möller szenisch einstudiert wurde, allerbestens aufgestellt. Dies gilt auch für die Nebenrollen wie Franks Vater, den Dirk Weiler singt und spielt. Die Beziehung von Frank zu seinem Vater ist sehr schön herausgearbeitet und es ist zutiefst anrührend, den innerlichen Verfall des einstmals stolzen Frank Abagnale Sr. zu verfolgen. Höhepunkt von Vater und Sohn ist jedoch die optimistische Nummer "Butter aus der Milch", die Greco und Weiler stilecht mit lässig-selbstsicherer Jazz-und Swing-Attitüde interpretieren.
Ebenfalls sehr gelungen ist die szenische Auflösung von Brendas Lied "Flieg, flieg ins Glück", das Inga Krischke mit starker Stimme vorträgt. Im Grunde genommen handelt es sich bei diesem Titel um eine recht unmotivierte Solonummer zum Selbstzweck ohne inhaltlichen Mehrwert, die in unmittelbarer Nachbarschaft zu Franks großem Finalsong eigentlich nur stört. Doch Mehmert entzieht diesen Song auf eine sehr smarte Art und Weise dem narrativen Fluss, indem er ihn als in sich geschlossene Nummer im Stil einer großen Soul-Ballade mit Glitzerkugeln und Background-Sängerinnen im geschlitzten Abendkleid präsentiert. Dadurch hält die Erzählung für einen strahlenden Moment inne und gibt dem Song "Goodbye", der danach die Handlung wieder aufgreift, die nötige Luft zum Atmen.
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Auch die anderen Elemente der Inszenierung setzen sehr gekonnt die Grundidee des Stückes um, die Geschichte in Form einer Fernsehshow zu erzählen: Dies betrifft sowohl die äußerst wandelbare Bühne von Jens Kilian, mit der sich eine Flughafenhalle flugs in ein Fernsehstudio mit bunt leuchtender Showtreppe verwandeln lässt, als auch die einfallsreiche und rasante Choreografie, die in Darmstadt sehr wirkungsvoll von Yara Hassan auf Grundlage der Arbeit von Melissa King in Nürnberg einstudiert worden ist. Die schön gezeichneten und teilweise animierten Videoprojektionen des Comic-Künstlers Fufu Frauenwahl bringen zusätzlich eine unverwechselbare Note ein und illustrieren etwa gekonnt Franks Fälscherwerkzeug als Product Placement in der Fernsehshow. Eine besonders starke Leistung liefern die Musiker des On-Stage-Orchesters unter der musikalischen Leitung von Michael Nündel ab, die den klassischen Big-Band-Sound ebenso präzise zu Gehör bringen wie die mitreißenden Ensemblenummern des Stückes.
"Catch Me If You Can" ist also auch in der Darmstädter Variante alles in allem eine gelungene und sehenswerte Produktion eines bislang unter Wert verkauften Stückes. Trotzdem bleibt ein Wermutstropfen: Eine Show wie diese, die nicht zuletzt auf Show-Opulenz setzt, im Großen Haus eines Staatstheaters mit gerade einmal fünf Darstellerinnen für die Rollen der Showgirls zu besetzen, wird dem Stück nicht gerecht und wirkt wie auf Sparflamme gestellt. War es bislang hauptsächlich der Klangkörper von Musical-Produktionen, der solcherlei Kostenoptimierungs-Orgien ausgesetzt war, geht es nun anscheinend auch an das, was der Zuschauer 'on stage' zu sehen bekommt und nicht 'nur' hört. Eine Besetzungspolitik, die Zweifel daran aufkommen lässt, wie ernst man es seitens der Theatermacher mit dieser Form des Musiktheaters wirklich meint.
(Text: Markus Zeller)

Verwandte Themen: Produktion: Catch Me If You Can (Staatstheater Nürnberg)
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Zuschauer-Rezensionen
Die hier wiedergegebenen Bewertungen sind Meinungen einzelner Zuschauer und entsprechen nicht unbedingt den Ansichten der Musicalzentrale.
 1 Zuschauer hat eine Wertung abgegeben:

    32097 Toller Hauptdarsteller, tolle Darstellerinnen und ein Tonproblem
20.10.2019 - Da fällt es mir gerade echt schwer rein die Inszenierung zu beurteilen. Steht und fällt ein Musical unter Anderem auch damit, wie der Ton im Zuschaueraum ankommt. Da hilft es auch wenig, wenn man sich vorher beim Publikum entschuldigt, dass man Alles versucht habe, um den technischen Fehler zu beseitigen. Man sitzt dann halt genau an diesem Abend im Staatstheater.
Die Musik klang, wie eine restlos zerkratzte Schallplatte. Offensichtlich war irgendwo der Wurm beim Ton vom Orchester drin, denn in den reinen Sprachpassagen waren die Darsteller glasklar zu hören. Es war für mich gerade im ersten Akt einfach nur nervig.
Auch da der erste Akt einfach nur langweilig und nett rüber kam, wollten wir schon beinahe gehen. Waren aber dann doch froh geblieben zu sein. Der zweite Akt war richtig unterhaltsam. Da rissen es einfach die Frauen, mit tollen Stimmen raus.
Sowohl das Solo der Mutter als auch die anderen Nummern waren im zweiten Akt dann einfach toll.
Leider und für das Stück ein Problem, war für mich der Counterpart des Carl einfach zu langweilig und irgendwie nicht glaubhaft auf die Bühne gebracht. Auch war der Vater gefühlt zu jung. Ich mag hier gar nicht die Darsteller ins Spiel bringen, da es hier auch regieabhängig sein kann, wie eine Rolle angelegt ist.
Positiv, Riccardo Greco ist einfach grundsympathisch als Frank und es macht Spaß ihm zuzuschauen. Man nimmt ihm das Schlitzohr voll ab.
Da es nun wieder eine Inszenierung in Darmstadt war, wo der Ton verk**** wurde, bin ich natürlich unzufrieden und kein Darsteller oder Musiker kann etwas dazu. Vielleicht erwische ich nur immer die schlechten Tag.
Insgesamt ist das Stück gerade im zweiten Akt unterhaltsam.
Ich langweile mich leider schnell, wenn Songs die Geschichte stoppen und nicht unterhaltsam genug sind oder die Story weiter erzählen. Dafür sind die Lieder bei Catch Me if You Can oft zu banal.
Mit guten Klang hätte ich wahrscheinlich vier Sterne vergeben.

TazMA (37 Bewertungen, ∅ 3.8 Sterne)

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Die Kriterien für unsere Kurzbewertungen (Stand: Dezember 2014)
Buch*: Ist die Handlung in sich schlüssig? Kann die Story begeistern? Bleibt der Spannungsbogen erhalten oder kommt Langeweile auf?
NICHT: Besonderheiten der konkreten Inszenierung des Theaters.
Kompositionen*: Fügen die Kompositionen sich gut in das Stück ein? Haben die Songs Ohrwurmcharakter? Passen die gewählten Texte auf die Musik? Transportieren Text und Musik die selbe Botschaft?
NICHT: Orchestrierung, Verständlichkeit des Gesangs der Darsteller in der aktuellen Inszenierung.
* werden nur bei neuartigen Produktionen (z.B. Premiere, deutsche Erstaufführung usw.) vergeben
Inszenierung: Wie gut wurde das Stück auf die Bühne gebracht? Stimmen die Bilder und Charaktere? Bringt der Regisseur originelle neue Ansätze ein?
NICHT: Wie gut ist die Handlung des Stücks an sich oder die mögliche Übersetzung?
Musik: Kann die musikalische Umsetzung überzeugen? Gibt es interessante Arrangements? Ist die Orchesterbegleitung rundum stimmig? Muss man bei Akustik oder Tontechnik Abstriche machen?
NICHT: Sind die Kompositionen eingängig und abwechslungsreich? Gibt es Ohrwürmer? Gefällt der Musikstil?
Besetzung: Bringen die Darsteller die Figuren glaubwürdig auf die Bühne? Stimmen Handwerk (Gesang, Tanz, Schauspiel) und Engagement? Macht es Spaß, den Akteuren zuzuschauen und zuzuhören?
NICHT: Sind bekannte Namen in der Cast zu finden?
Ausstattung: Setzt die Ausstattung (Kostüme, Bühnenbild, Lichtdesign etc.) die Handlung ansprechend in Szene? Wurden die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten optimal genutzt? Bieten Bühne und Kostüme etwas fürs Auge und passen sie zur Inszenierung?
NICHT: Je bunter und opulenter ausgestattet, desto mehr Sterne.
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