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 Berlin-Revue
Spreeperlen Dit is Berlin, wa!
© Manuel Graubner
© Manuel Graubner
Sommernacht in der Strandbar mit vier vom Schicksal geplagten Gästen. Wer in diesem Liederabend keinen tieferen Sinn sucht, der kann dank eines spiel-, trink- und gesangsfreudigen Ensembles viel Spaß haben.
(Text: Kai Wulfes) Premiere: | | 24.04.2019 | Rezensierte Vorstellung: | | 13.05.2019 | Letzte bekannte Aufführung: | | 23.05.2020 | Showlänge: | | 110 Minuten (ggf. inkl. Pause) |
Sie lauern überall: Schälchen mit gerösteten und gesalzenen Erdnüssen stehen an der Garderobe, im Foyer, an der Bar und selbstverständlich auch auf den Tischen im Zuschauerraum. Begeistert greift das Publikum vor der Vorstellung zu. Das ändert sich schlagartig zur Pause, denn die kurz zuvor gesungene Mahnung "Greif nicht in die Schüssel mit den Nüssen rein" zeigt ihre Wirkung. Haare, Hornhaut, Fliegen und so manch andere unappetitliche Zutat könnten sich zwischen dem eigentlich ganz harmlos wirkenden Snack-Klassiker befinden, "die zur Stippe an der Lippe führ'n". Mahnend und voller Inbrunst singt das auf der Bühne stehende sechsköpfige Ensemble a cappella den bitterbösen "Nussschüsselblues" als gut gemeinte Hygiene-Aufklärung.
© Manuel Graubner
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Das ist auch schon die einzige Botschaft, die der von Bettina Rehm und Lars Georg Vogel zusammengestellte Liederabend, angekündigt als "Berlin-Revue", in petto hat. Wer aufgrund des Hauptstadtbezugs im Titel einen Abend mit Musik voller Berlin-Anleihen erwartet hat, der wird ebenso enttäuscht, wie jene, die einen roten Faden in der Song-Auswahl finden möchte. Da trifft Kunstlied ("An den Mond") unvermittelt auf Schlager ("Ich will keine Schokolade"), Operette ("Lippen schweigen"), Chanson ("In dieser Stadt"), Musical ("Ich bin was ich bin"), Pop ("Under Pressure") und dem breiten Publikum auch Unbekanntes aus weiteren Genres. Alles wild durcheinander gemixt und vom musikalischen Leiter Hanno Siepmann für Piano-Begleitung und mehrstimmigen Gesang arrangiert. Manchmal, wie im Fall von Led Zeppelins "Stairway to Heaven" auch überraschend: Der Rock-Klassiker wird hier als geblockflötetes Kinderlied mit Triangel-Begleitung vorgetragen.
© Manuel Graubner
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Die von Rehm und Vogel dazu erdachte Handlung ist eigentlich keine, denn gesprochen wird an diesem Abend kaum. In einer Strandbar am Spreeufer treffen vier einander völlig fremde Menschen – eine Obdachlose (Anja Dreischmeier), ein gefeuerter Manager (Julian Trostorf), eine sitzengelassene Braut (Natalie Mukherjee) und eine total frustrierte Mitarbeiterin der Berliner Verkehrsbetriebe (Stella Denis) – aufeinander und besingen ohne verbindende Text ihre Schicksale. Der Wirt (Robert Huschenbett) versorgt alle mit reichlich Hochprozentigem, dazu klimpert eine am Piano sitzende Transe (Hanno Siepmann). Die Namen der Personen und einiges Biografisches sind dazu im Programmheft genannt. Für das Geschehen ist dies jedoch im Grunde völlig irrelevant, da all dies in den Originaltexten der Songs gar nicht auftaucht. Wäre nicht der musikalische Block mit den rivalisierenden Fußballfans von Eisern Union und Hertha BSC – ein Berlinbezug wäre gar nicht erkennbar. Der Abend könnte genauso in jeder anderen beliebigen deutschen Großstadt verortet sein.
Bettina Rehm inszeniert dies flott und recht alkoholselig-deftig, sodass sich das Publikum prächtig unterhalten fühlt. Allerdings bleibt die Autorin und Regisseurin Antworten schuldig, etwa warum die Figuren, in die auf der Bühne geschilderten Lage gekommen sind. Offen bleibt auch, was aus ihnen wird. Im Morgengrauen schließt die Strandbar und jeder geht wieder seiner Wege. Beziehungen untereinander sind nicht aufgebaut worden. So bleibt "Spreeperlen" ein distanzierter Blick in eine durchzechte Nacht.
© Manuel Graubner
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Vor dem Total-Absturz bewahrt wird dieser Liederabend durch seine gute Darsteller-Riege, die als deftig gezeichnete Typen nicht nur im berauschten Spiel, sondern auch im mehrstimmigen A-cappella-Gesang prächtig miteinander harmoniert. Im Einheitsbühnenbild mit Tresen, Sonnenschirm und bunten Glühbirnen vorm Flittervorhang (Julia Hattstein) versprühen sie Stimmung und lassen Sommer-Feeling aufkommen. Stimmlich angeführt wird der Abend von der im kitschigen Tüll-Brautkleid steckenden Natalie Mukherjee. Ihre leicht rauchig timbrierte Stimme passt prima zu Nina Hagens vergessenem Farbfilm und Tina Turners "What's Love". Julian Trostorf ist ein prahlender, aus der Bahn geworfener Macho, der im Alkoholrausch rücklings umfällt. Unklar bleibt, warum Stella Denis ihr fein gesungenes "Susanna", mit dem sie steckbriefverteilend ihre große Liebe sucht, in einer italienischen Fassung singen muss. Zur Verständlichkeit trägt das nicht unbedingt bei. Urkomisch ist, wenn Anja Dreischmeier kotzend im Eimer das Kunstlied "Schwesterlein" von Johannes Brahms intoniert oder Robert Hutschenbett mit seinen witzigen Dance-Moves über die Bühne schaukelt.
Wer von den "Spreeperlen" nur gut unterhalten sein will, nicht nach dem Sinn sucht und nicht in die Nussschälchen greift, der kommt gut durch diesen knapp zweistündigen Liederabend.
(Text: kw) 
Kreativteam
Besetzung
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Die Kriterien für unsere Kurzbewertungen (Stand: Dezember 2014)
Buch*: Ist die Handlung in sich schlüssig? Kann die Story begeistern? Bleibt der Spannungsbogen erhalten oder kommt Langeweile auf?
NICHT: Besonderheiten der konkreten Inszenierung des Theaters.
Kompositionen*: Fügen die Kompositionen sich gut in das Stück ein? Haben die Songs Ohrwurmcharakter? Passen die gewählten Texte auf die Musik? Transportieren Text und Musik die selbe Botschaft?
NICHT: Orchestrierung, Verständlichkeit des Gesangs der Darsteller in der aktuellen Inszenierung.
* werden nur bei neuartigen Produktionen (z.B. Premiere, deutsche Erstaufführung usw.) vergeben
Inszenierung: Wie gut wurde das Stück auf die Bühne gebracht? Stimmen die Bilder und Charaktere? Bringt der Regisseur originelle neue Ansätze ein?
NICHT: Wie gut ist die Handlung des Stücks an sich oder die mögliche Übersetzung?
Musik: Kann die musikalische Umsetzung überzeugen? Gibt es interessante Arrangements? Ist die Orchesterbegleitung rundum stimmig? Muss man bei Akustik oder Tontechnik Abstriche machen?
NICHT: Sind die Kompositionen eingängig und abwechslungsreich? Gibt es Ohrwürmer? Gefällt der Musikstil?
Besetzung: Bringen die Darsteller die Figuren glaubwürdig auf die Bühne? Stimmen Handwerk (Gesang, Tanz, Schauspiel) und Engagement? Macht es Spaß, den Akteuren zuzuschauen und zuzuhören?
NICHT: Sind bekannte Namen in der Cast zu finden?
Ausstattung: Setzt die Ausstattung (Kostüme, Bühnenbild, Lichtdesign etc.) die Handlung ansprechend in Szene? Wurden die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten optimal genutzt? Bieten Bühne und Kostüme etwas fürs Auge und passen sie zur Inszenierung?
NICHT: Je bunter und opulenter ausgestattet, desto mehr Sterne.
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