[Die Beste ihrer Art] In dieser Serie beschreiben muz-Autoren jeweils für ein Musical, welche CD-Aufnahme die ihrer Meinung nach relevanteste und beste ist. In dieser Folge: muz-Redakteur Christian Heyden über den besten Zugang zu Frank Wildhorns „Jekyll & Hyde“. Sie können mitdiskutieren.
Über mangelnde Auswahl an CD-Einspielungen zu „Jekyll & Hyde“ kann man sich wahrlich nicht beschweren: Vier englischsprachige, drei deutschsprachige und diverse internationale Aufnahmen stehen zur Wahl. Was empfiehlt man aber jemandem, für den das Musical noch Neuland ist? Der darf getrost zur Wiener Cast-CD aus dem Jahr 2002 greifen.
Die drei Hauptrollen sind mit Thomas Borchert, Maya Hakvoort und Eva Maria Marold prominent besetzt, und das Orchester der Vereinigten Bühnen Wien spielt kraftvoll die Wildhornschen Partituren. Die Einspielung bietet eine (zu der Zeit vollständige) Zusammenstellung der wichtigsten Musiknummern, ohne den Ersthörer mit allzu vielen Reprisen und Dialogen zu überfordern.
Borchert interpretiert die Doppelrolle des Jekyll/Hyde sehr differenziert. Man erkennt problemlos, in welcher Rolle er sich gerade befindet. Maya Hakvoort drückt durch ihr reifes, warmes Timbre der Lisa ihren eigenen Stempel auf, wo doch diese Rolle oft sehr mädchenhaft-weinerlich mit glockenklaren Sopranen besetzt ist. Bei ihr klingt Lisa stärker und emanzipierter als in anderen Einspielungen. Eva Maria Marold kann als Lucy vor allem in den starken Beltballaden zeigen, was sie an Stimme hat, schafft es aber gleichzeitig auch, die verletzliche Seite ihrer Rolle zu zeigen. Auch untereinander harmonieren die drei Darsteller sehr gut. Ein großer Vorteil der CD ist ihre schon erwähnte Anzahl an Songs, sodass auch oft vernachlässigte starke Nummern wie „Die Welt ist völlig irr“ und „Mädchen der Nacht“ zu hören sind.
Eine wirklich schlechte CD gibt es bei Jekyll & Hyde eigentlich nicht. Man muss eben wissen, was einem wichtig ist, damit man seine „Beste ihrer Art“ findet. Das 2-CD-Concept-Album ist gut, um sich von der Geschichte gefangen nehmen zu lassen, und bietet mit Linda Eder – genau wie auf Broadway- und der Studio-Cast – die Ur-Lucy, was für viele Fans allein schon ein Pluspunkt ist. Allerdings sind viele Lieder durch Synthesizer und Elektropop unterstützt (genau wie die Stimme von Hauptdarsteller Anthony Warlow), was nicht jedermanns Geschmack entsprechen mag und den Eindruck unterstützt, Wildhorn schreibe Einheitspop.
Eine interessante Variante bietet die Studio-Cast mit Colm Wilkinson. Hier findet man einige unbekannte Lieder und Alternativversionen, sowohl textlich als auch musikalisch. Ein dicker Minuspunkt an der ansonsten sehr guten Broadway-Einspielung ist das Fehlen von „Bring on the Men“ und der doch sehr brave Ersatz mit „Good’n’Evil“. Wer harten Gitarrensound und umwerfend starke Stimmen möchte, greift zur Jekyll & Hyde – Resurrection. Diese Aufnahme einer Konzertreihe bietet mit Rob Evan einen der besten Jekyll/Hydes, den es auf CD zu hören gibt. Auch Kate Shindle und Brandi Burkhardt machen ihre Sache sehr gut, klingen allerdings in den Duetten ein wenig zu ähnlich.
Da Herr Wildhorn immer wieder an seinen Stücken herumschreibt und „Jekyll & Hyde“ ein gerne gespieltes Stück ist, dürfte der Strom an Einspielungen so schnell nicht abreißen. Einerseits kann da der Fan der Show froh darüber sein, immer wieder Neues auf der Wunschliste zu haben. Ob man allerdings jemals die ultimative fertige Dokumentation eines guten Musicals in Händen halten darf, bleibt fraglich. (ch)
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