Einmal pro Monat werde ich mich in meinen Fernsehsessel setzen und mir für euch einen Musicalfilm ansehen. Da werden bekannte Streifen dabei sein, aber auch Unbekanntes oder Vergessenes.
13 ist ein Alter, in dem man sich nicht mehr wirklich als Kind fühlt, aber auch noch nicht so recht Teenager und schon gar nicht Erwachsener ist. Die Pubertät, das hormonelle Durcheinander und das Zurechtfinden in der Welt birgt reichlich Stoff für Bücher und Filme. Im Judentum gilt man nach der Bar Mitzwa als religiös mündig. Mädchen erreichen ihre Religionsmündigkeit mit zwölf, Jungen mit 13 Jahren. Aus diesem Anlass wird traditionellerweise ein großes Fest gefeiert.
Evan Goldman (Eli Golden) wird demnächst 13 und plant zu seiner Bar Mitzwa eine große Party mit allen seinen Freunden. Doch dann trennen sich seine Eltern und Evan zieht mit seiner Mutter (Debra Messing) von New York nach Walkerton, Indiana, zu seiner Großmutter (Rhonda Perlman). Nun hat Evan das Problem, dass er niemanden dort kennt und die Bar-Mitzwa-Party gehört zum sozialen Status. Zuerst lernt er die nerdige Patrice (Gabriella Uhl) und den gehbehinderten Archie (Jonathan Lengel) kennen, doch viel repräsentativere Gäste wären die coolen Kids der Schule – etwa der Football-Star Brett (JD McCrary) und die Cheerleaderin Kendra (Lindsay Blackwell). Es wäre keine Teenie-Geschichte, wenn nicht auch die erste Liebe eine Rolle spielen würde. Brett ist in Kendra verliebt und will für den ersten Kuss einen unvergesslichen Moment kreieren. Den soll Evan in die Wege leiten – dann würde Brett als Gegenleistung dafür sorgen, dass alle zu seiner Party kommen. Doch Kendras Freundin Lucy (Frankie McNellis) ist ebenfalls in Brett verliebt und versucht das Unternehmen zu torpedieren. Und dann sind da noch Patrice und Archie, die sich berechtigterweise von Evan fallengelassen fühlen.
Ein Broadway-Musical, in dem 13-Jährige von Darstellern gespielt werden, die auch wirklich dieser Altersgruppe angehören, und auch die Band sich aus Musikern im Teenageralter zusammensetzt, ist schon ziemlich ungewöhnlich. Die Laufzeit in New York 2009 war mit 105 Aufführungen einigermaßen überschaubar, aber „13“ hat sich zumindest in den USA einen festen Platz bei Schultheatergruppen erarbeitet.
Ich kannte von Jason Robert Brown bislang „The Last Five Years“ und „Songs For a New World“, die ich beide wegen ihrer ungewöhnlichen Struktur und minimalen musikalischen Besetzung sehr mag. „13“ ist nun deutlich mehr im Mainstream verwurzelt. Die Songs haben zwar immer noch die typische rhythmische Melodieführung, aber auch durch die größer besetzte Band klingt alles etwas herkömmlicher. Die Filmversion macht das Musical noch etwas glatter. Die Ecken und Kanten, die die Figuren im Original haben – so ist etwa Archie egoistischer und unsympathischer – wurden weggeschliffen, obwohl das Drehbuch auch vom Co-Autor der Vorlage, Robert Horn, stammt. Im Original soll Evan beispielsweise „the tongue“, organisieren, also „die Zunge“, was ziemlich unromantisch für einen ersten Kuss klingt.
Die Darstellerinnen und Darsteller spielen, singen und tanzen auf sehr hohem Niveau – allen voran Eli Golden in der Hauptrolle. Aber das ist alles ZU perfekt. Ich würde mal orakeln, dass eine Theateraufführung des Stücks einen eigenen, vielleicht auch etwas unbeholfenen Charme entwickelt. Das tut die Verfilmung nicht.
Dazu kommt, dass das Buch – sowohl das der Vorlage als auch das der Verfilmung – nicht gerade das Kreativste ist. Den Junge, den es von der Stadt in die tiefste Provinz verschlägt, den coolen Sportstar, die nette Cheerleaderin, die intrigante Cheerleaderin und den ausgestoßenen, aber doch eigentlichen sympathischen Nerd hat man schon oft gesehen. Im Film kommen als zusätzliche Charaktere noch Evans Eltern und die Großmutter dazu. In der Bühnenversion gibt es nur eine erwachsene Figur, die des Rabbis. Aber keine der neuen Figuren kann sich so richtig zu einem runden Charakter entwickeln und so bremsen sie die Geschichte durch zusätzliche Handlungsstränge. Die Großmutter ermuntert die durch die Trennung emotional angeschlagene Mutter, doch wieder mit dem Schreiben anzufangen. Die Nebenhandlung mit dem Vater, der versucht, den Kontakt zu Evan nicht abreißen zu lassen, auch wenn dieser sich dagegen sträubt, gibt es zwar auch in der Bühnenversion, aber er tritt nicht auf und nimmt damit nicht ganz so viel Raum ein.
Wirklich gelungen sind aber die schnellen, knackigen und oft witzigen Dialoge zwischen Evan und seiner Mutter. Leider sehe ich in Debra Messing immer Grace aus ihrer Sitcom „Will & Grace“. Nur ist sie diesmal Grace mit einer unpassenden und schlecht sitzenden Perücke, da darf man ihr noch so anmerken, dass ihre Figur damit ringt, dass ihr Kind nicht mehr lange ihr „Kind“ sein wird.
„13“ wurde von Regisseurin Tamra Davis als flottes, aber keimfreies Coming-of-Age-Musical verfilmt, das ein paar schöne Songs enthält und kurzweilig an einem vorüberzieht ohne wirklich im Gedächtnis zu bleiben. Eine typische Streaming-Dutzendware.
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