Frank Wildhorn eilt der Ruf eines „Vielschreibers“ voraus und tatsächlich kann der US-amerikanische Komponist nicht nur auf Welthits wie „Where Do Broken Hearts Go“, das er für Whitney Houston geschrieben hat, sondern auf eine ganze Reihe erfolgreicher Musicals sowohl hierzulande als auch am Broadway, in Asien und zuletzt auch im Londoner West End zurückblicken. Wir hatten die Gelegenheit mit Wildhorn über die Besonderheiten der europäischen und asiatischen Musicalbühnen sowie seiner Produktionen „Death Note“ und „Your Lie in April“ für das Londoner West End zu sprechen. Nebenbei hat er uns auch noch verraten, wo das Publikum schon bald nicht nur eine deutschsprachige Erstaufführung, sondern die Weltpremiere einer brandneuen Show aus seiner Feder erleben kann.
Im deutschsprachigen Raum sind Deine Musicals kaum mehr von den Spielplänen sowohl kommerzieller Musicalbühnen als auch der Stadttheater wegzudenken. „Jekyll & Hyde“ lief als En-Suite-Produktion sowohl in Deutschland auch als in Wien und gerade wieder in einer erfolgreichen Inszenierung am Theater Darmstadt; Shows wie „Scarlet Pimpernel“, „Dracula“ und auch „Bonnie & Clyde“ gehören seit Jahren zum Repertoire und Du hast sogar Uraufführungen wie „Artus – Excalibur“ und „Der Graf von Monte Christo“ für das Theater St. Gallen in der Schweiz geschrieben. Hast Du einen besonderen Bezug zu den deutschsprachigen Musicalbühnen?
Die lange Geschichte, die ich mit dem deutschsprachigen Publikum habe, geht tatsächlich auf die von Dir erwähnte ursprüngliche deutsche Produktion von „Jekyll & Hyde“ in Bremen zurück. Ich finde, dass die deutschsprachigen Darsteller enorm viel Seele in ihre Interpretationen meiner Songs legen und eine enorme Musikalität aufweisen. Ich habe hier im Laufe der Jahre so viele enge Freunde gefunden und tatsächlich habe ich „Monte Christo“ speziell für Thomas Borchert geschrieben, der meiner Meinung nach ein echter Weltklasse-Interpret ist. Das deutschsprachige Publikum begegnete mir von Anfang an sehr freundlich und unterstützend; so ist es mir immer wieder eine Ehre ihm neue Werke zu präsentieren.
Ich hatte das große Glück, viele großartige Produzenten kennenzulernen – zum Beispiel Kathy Zechner, Rudi Klausnitzer und jetzt Christian Struppeck bei den Vereinigten Bühnen Wien oder beim Theater St. Gallen Werner Signer und meinen lieben Freund Walter Feucht, der auch meine erste Symphonie in Auftrag gegeben hat. Ich genieße auch immer wieder meine langjährige Zusammenarbeit mit Regisseuren wie Andreas Gergen und Gil Mehmert. Und ich habe in St. Gallen mit dem großen Maestro Koen Schoots einen ganz wunderbaren musikalischen Partner. Mit diesen Beziehungen und der Unterstützung, die ich von den Produzenten vor Ort bekomme, ist es immer wieder eine Freude, neue Shows zu kreieren. All dies geschieht natürlich unter der wachsamen, aber vor allem auch liebevollen Aufsicht von Michael Staringer, der sich um meine gesamte Arbeit in diesem Teil der Welt kümmert.
Ein anderer Teil der Welt, in dem Deine Shows enorme Erfolge feiern ist Asien. Gibt es einen Unterschied zwischen der Produktion einer Show in Europa, in Asien oder am Broadway?
Jeder Markt ist wirklich ein komplett eigener Kosmos. Mein Erfahrungen zeigen aber, dass sich der europäische und der asiatische Geschmack sehr ähneln. Das Publikum feiert seine Stars, wenn sie eine „Tour-de-Force-Performance“ sehr melodischer und kommerzieller Partituren liefern.
Du hast gerade ein Weihnachtslied „My Christmas Wish“ mit einigen sehr sehr bekannten K-Pop-Stars – unter anderem Kim Junsu – veröffentlicht. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?
Kim Junsu ist in Korea nicht nur im Pop-Bereich sehr erfolgreich, auch im Musical-Theater ist er ein wirklicher Star. Wir sind sehr enge Freunde; er nennt mich seinen „amerikanischen Bruder“. Er ist ein ganz besonderer und ein sehr gefühlvoller Musiker, der in Südkorea auch die Hauptrolle in „Dracula“, „Xcalibur“ und „Death Note“ spielt. Er hatte die Idee, dass ich ein originelles Weihnachtslied für ihn und alle Künstler seiner Agentur Palmtree Island schreiben sollte. Für die Texterinnen Carly Robyn Green, Tracy Miller und mich war dies eine Herzensangelegenheit, und es war großartig zu sehen und zu hören, wie wunderbar es aufgenommen wurde.
Kommen wir zurück nach Europa: Viele Deiner Shows wie „Jekyll & Hyde“, „Scarlet Pimpernel“, „Dracula“, „Artus“ und „Monte Christo“ haben sehr europäische Hintergründe. Haben diese Themen eine besondere Anziehungskraft auf Dich?
Diese Frage wurde mir im Laufe meiner Karriere immer wieder gestellt, vor allem auch im Hinblick auf meine sehr osteuropäische Sensibilität, sowohl in melodischer, als auch in harmonischer Hinsicht. Mein Vater wurde in Rumänien und meine Mutter in Odessa geboren. So liegen mir diese Themen wahrscheinlich einfach im Blut und sind Teil meiner DNA. Viele meiner musikalischen Helden stammen aus osteuropäischen Ländern.
Mit „Bonnie & Clyde“ konntest Du in den letzten Jahren auch DIE europäische Musicalmetropole, nämlich das Londoner West End erobern, mit „Death Note“ hast Du 2023 in London einen fulminanten Hit gelandet und im kommenden Frühjahr wird eine weitere Show von Dir seine West-End-Premiere feiern: „Your Lie in April“. Warum glaubst Du, hat es so lange gedauert, bis Deine Shows auch nach London gekommen sind?
Wie alles im Leben ist es eine Frage des Timings – und in meinem Fall meiner verrückten Hektik, die mich in den vergangenen Jahren in den ganzen Theatern und Aufnahmestudios gehalten hat. Mittlerweile ist London allerdings zu einem wunderbaren Zuhause für meine Arbeit geworden – und ohne zu viel zu verraten – kann ich versprechen, dass in den kommenden Jahren weitere „Wildhorns“ ihre West-End-Premieren feiern werden.
Wie entstand die Idee, gerade „Death Note“ – ein Musical basierend auf einem japanischen Manga – nach London zu bringen?
Das ist eine sehr gute Frage! Die Manga-Welt verfügt über einige der interessantesten und aufregendsten Quellen, aus denen ein Künstler schöpfen kann. Von meiner ersten Begegnung mit „Death Note“ an habe ich mich in die Welt der Mangas verliebt und immer gehofft, dass ich dieses Werk eines Tages in der „westlichen Welt“ präsentieren kann. Wie sich herausstellte, haben Mangas – und insbesondere „Death Note“ eine RIESIGE Fangemeinde auf der ganzen Welt. Die Konzertversion, die wir letztes Jahr gemacht haben, gehörte zu den erfolgreichsten Theaterabenteuern, an denen ich je teilgenommen habe. Wir stehen hier noch ganz am Anfang einer Reise und ich kann allen „Death Note“-Fans versprechen, dass es später in diesem Jahr noch großartige Neuigkeiten geben wird.
Apropos Neuigkeiten zu „Death Note“: Bei einem Musical-Konzert-Format in Duisburg, dem „Mitternachtsball“ hast Du in einer eingespielten Sprach-Botschaft eine mögliche deutschsprachige Premiere von „Death Note“ angeteasert. Kannst Du dazu schon mehr sagen?
Das liegt nicht an mir. Nach allem, was ich aber dazu sehe und höre, bin ich optimistisch, dass „Death Note“ auch bald hierzulande ankommen wird.
Jetzt steht auch erstmal „Your Lie in April“ auf dem Londoner Spielplan. Es wird eine konzertante Inszenierung im Frühjahr geben. Kannst Du uns erzählen, worum es in der Geschichte geht und wie Du auf dieses Material gestoßen bist?
„Your Lie in April“ ist eine wunderbare Coming-of-Age-Geschichte: Es ist eine Liebeserklärung an die Musik und ihre heilende Kraft. Es ist meine erste Partitur, in der ich bekannte klassische Musik mit meinen eigenen Kompositionen verbinde. Ich kann Dir nur eines sagen: Ich habe den Anime gesehen, geweint, mich ans Klavier gesetzt und die gesamte Partitur geschrieben.
Vor zwei Jahren wurde Dein erstes Orchesterwerk, die „Donau Symphonie“ in Wien uraufgeführt. In diesem Sommer wird diese Symphonie auch in Deutschland in einem Open-Air-Konzert in Ulm – durch das die Donau fließt – live von den Wiener Symphonikern aufgeführt. Ein Fluss, der quer durch Europa fließt, ist sicherlich nicht die offensichtlichste Themenwahl für einen amerikanischen Komponisten. Wie bist Du grundsätzlich auf die Idee gekommen, ein Orchesterstück zu schreiben und wie darauf, die Donau als Motiv zu wählen?
Alle Ehre für die Idee, eine Symphonie über die Donau zu schreiben, gebührt dem großen Impresario Walter Feucht. Vor ein paar Jahren besuchte ich ihn in Ulm und wir machten einen Spaziergang entlang der Donau, wo er mir vorschlug, einen symphonischen Liebesbrief an die Donau zu schreiben. Ich sagte: „Walter, ich schreibe Theater-, Pop- und Jazzmusik. Du bist verrückt!“ Er meinte aber, dass er meinen Sinn für Melodien liebe und überzeugt davon sei, dass ich es schaffen kann, wenn ich mich dieser Aufgabe widme. Er war also sowohl Anstoß als auch Inspiration!
Ich schloss mich für etwa sechs Monate ein, legte alle meine anderen Projekte beiseite und sprang in die Fluten von Rachmaninow, Tschaikowsky, Brahms, Strauss, Strawinsky, Debussy und gab mein Bestes. Was seitdem passiert ist, hat mein Leben absolut verändert. Ich glaube, dass wir dank der Wiener Symphoniker einige großartige Auftritte in den Mekkas der klassischen Musik auf der ganzen Welt erleben werden.
In kreativer Hinsicht war es für mich eine Wiedergeburt, denn das Schreiben der Symphonie ließ meine Hände auf dem Klavier an Orte gelangen, an denen sie noch nie gewesen waren. Alle meine heutigen Schriften, egal in welchem Genre, sind absolut von der Arbeit beeinflusst, die wir an der „Donau Symphonie“ gemacht haben.
Bei der Uraufführung der „Donau Symphonie“ im Wiener Musikverein hatten auch die Orchestersuiten zu „Jekyll & Hyde“ und „Dracula“ ihre Premiere. Werden diese auch in Ulm wieder zu hören sein?
Ja, beide Suiten, an denen wir auch nochmal etwas Feinschliff vorgenommen haben haben, werden bei dem Konzert ebenfalls zu hören sein und es wird auf jeden Fall auch bald weitere symphonische Suiten mit Auszügen aus meinen Shows geben.
Folgt man Dir bei Social-Media kann man sehr gut nachvollziehen, dass Du quasi permanent neue Projekte in der Pipeline hast.
Ich liebe die direkte Verbindung über Social Media und die Möglichkeit, in Echtzeit mit Fans und Freunden auf der ganzen Welt zu kommunizieren und ich kann alle Leser nur einladen, mir auf meinen Social-Media-Kanälen bei Instagram und X (vormals Twitter) zu folgen und mir auch zu schreiben. Auch meine neue Webseite ergänzen wir laufend mit Neuigkeiten und entwickeln wir ständig weiter. Wir hören auf Eure Vorschläge und können daran weiter wachsen und unser Angebot auch mit neuen Technologien weiterentwickeln.
Wir folgen den Seiten selbstverständlich und haben auch schon jede Menge interessante Neuigkeiten in letzter Zeit darauf entdeckt. Eine allerletzte Frage noch: Kannst Du uns Neuigkeiten zu zukünftigen Premieren geben auf die sich das Publikum – vielleicht auch speziell im deutschsprachigen Raum – freuen kann?
Ja ja ja! Ich darf hier eine Uraufführung für das Theater St. Gallen ankündigen: „Einstein“. Gil Mehmert wird das Buch schreiben und Regie führen, Frank Ramond wird für die Texte verantwortlich sein. Weitere Informationen dazu wird es bereits sehr bald geben. Es gibt noch ein paar mehr Titel, aber ich glaube, darüber darf ich gerade noch nicht sprechen, bevor die Theater und Produzenten die Möglichkeit hatten, die Shows selbst bekannt zu geben. Eure Leser gehören aber in der Regel zu den Ersten, die davon erfahren!
Lieber Frank Wildhorn, das war ein sehr sehr spannendes Gespräch. Vielen Dank, dass Du Dir soviel Zeit für uns genommen hast. Wir freuen uns schon sehr auf „Your Lie in April“ in London, die „Donau-Symphonie“ in Ulm und natürlich auch „Einstein“ in St. Gallen!
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