Wenn Leute auf der Bühne sterben

Bernd Steixner, musikalischer Leiter diverser Musical-Großproduktionen (u. a. Les Misérables, Elisabeth und Phantom der Oper), über die Musketiere, Martin Guerre und Frankopop.

Bernd Steixner ist zur Zeit mitten im Probenstress für die „3 Musketiere” (Premiere am 6. April im Berliner Theater des Westens). An seinem freien Tag nahm sich der musikalische Leiter etwas Zeit, um über die Vorbereitungen für das neue Musical und seine Vorliebe für dramatische Stoffe zu sprechen.

Nach „Les Misérables”, „Das Phantom der Oper” und „Elisabeth” sind Sie nun musikalischer Leiter bei den „3 Musketieren”. Reizen Sie historische Stoffe?
Bernd Steixner: Es war keine bewusste Auswahl meinerseits. Es hat sich vieles einfach so ergeben, wobei ich trotzdem sagen muss, dass ich historische bzw. dramatische Stoffe schon reizvoller finde.
Also wäre „Mamma Mia!” nicht Ihr Fall?
Ich habe „Mamma Mia!” gesehen und finde, das ist eine tolle Show. Aber da wären eher musikalische Gründe ausschlaggebend, warum es für mich nicht so reizvoll wäre – denn da gibt es in dem Sinne keinen wirklichen Dirigenten.
Wie sieht im Moment ein normaler Probentag von Bernd Steixner aus?
Beginn 9.30 Uhr- Ende 22.00 Uhr! Wir proben zwischen 10 Uhr und 19 Uhr, in der restlichen Zeit sind Besprechungen und Vorbereitungen. Viel wird auch noch im kreativen Bereich gearbeitet, was ich als sehr angenehm empfinde, denn obwohl das Stück in Holland lief, wird es für Deutschland fast vollständig überarbeitet. Man könnte also eigentlich von einer Weltpremiere in Berlin sprechen.
Wie weit sind Sie mit den Proben?
Bisher sind wir sehr froh mit dem Vorangehen der Proben, wir sind im Zeitplan und es beginnt jetzt die letzte Probenwoche auf der Probebühne. Danach geht es auf die Bühne und momentan sieht es so aus, dass alles entsprechend fertig wird, sodass wir eigentlich relativ optimistisch sind.

Was macht „3 Musketiere” besonders?
Die große Besonderheit bei „3 Musketiere” sind die Fähigkeiten, die von den Darstellern abverlangt werden. Diese müssen nicht nur singen, tanzen und schauspielern, sondern zusätzlich auch fechten können. Die armen Leute, die die heftigen Fechtszenen absolvieren müssen – sprich der Großteil der männlichen Cast – haben jeden Tag mehrere Stunden Fechttraining und das ist teilweise wirklich gefährlich. Deshalb war das für mich auch das schwierigste Casting, was ich bisher mitgemacht habe. Wir mussten nämlich Leute finden, die nicht nur in zwei oder drei, sondern in vier Disziplinen hervorragend sind.
Was ist für die deutsche Produktion der „3 Musketiere” verändert worden?
Für mich betrifft die wichtigste Veränderung natürlich die Musik. Es wird eine völlig neue Orchestrierung geben, denn unser Orchester ist im Vergleich zur holländischen Version doppelt so groß. Das eröffnet natürlich wesentlich mehr Möglichkeiten und bringt viel mehr Farbe in die Musik. Aber auch der Ablauf der Musik ist in vielen Dingen verändert worden, um es mehr zu einem wirklichen Musiktheaterstück werden zu lassen. Die Musik in der holländischen Version hatte mehr die Wirkung einzelner eingestreuter Popsongs, die nicht wirklich miteinander verbunden waren. Das versuchen wir jetzt etwas zu ändern. Es bleiben zwar Dialogszenen drin, doch viele sind jetzt mit Underscore versehen, sodass ein Bezug zur Musik da ist. Wir arbeiten mehr mit Leitmotiven und hoffen, durch diese Änderungen einen Bogen zu spannen.
Auch das Bühnenbild wird völlig anders aussehen. Wir haben 26 Szenen und nur in zwei Szenen wurde das holländische Bühnenbild übernommen. Das ist toll, denn die relativ kleine Bühne des Theater des Westens bekommt ein auf die Gegebenheiten angepasstes Bühnenbild und wirkt plötzlich sehr viel größer. Man wird staunen.
Es kursierte lange das Gerücht, Alexander Klaws werde den D’Artagnan spielen. Stand diese Besetzung wirklich zur Debatte?
Nein, das stand nie zur Debatte. Das Gerücht entstand wohl aus der Tatsache, dass Alexander mal bei uns war und auch vorgesungen hat. Er fand die Musik toll und wollte einen Song auf sein Album nehmen. Das fanden wir natürlich sehr positiv und das Duett „Alles” mit Sabrina Weckerlin ist richtig gut geworden. Interessant finde ich auch, dass Alexander sich dafür interessiert, Musicaldarsteller zu werden. Das finde ich natürlich sehr sympathisch und bemerkenswert für jemanden, der schon eine gewisse Karriere hinter sich hat. Und auch wenn gerne mal über die Leute aus den Castingshows gelästert wird: Alexander kann wirklich singen und hat eine Menge Talent.

Wird es eine Castaufnahme geben? Wenn ja, wann können wir damit rechnen?
Es wird auf jeden Fall eine Castaufnahme gemacht, über den genauen Termin wird derzeit noch diskutiert.
Werden wir die neuen Orchestrierungen hören oder werden die holländischen Playbacks übernommen, wie man es bei „Titanic” und „Aida” gemacht hat?
Das wird gar nicht möglich sein, da wir so viele neue Songs haben. Momentan befinden wir uns immer noch in der Work-In-Progress-Phase: Songs können immer noch hinzugefügt, gestrichen oder an eine andere Stelle platziert werden. Das ist alles sehr spannend und das Resultat kennen auch wir erst am Ende.
Berlin gilt allgemein als schwieriges Pflaster für Musicalproduktionen. Wie schätzen Sie die Chancen für die „3 Musketiere” ein?
Also ich bin ein ganz großer „Les Misérables” Fan und das Stück gehört für mich zu den drei besten Stücken überhaupt. Wenn ich das aber rein vom markttechnischen Gesichtspunkt betrachte, dann ist der Stoff in Deutschland einfach nicht sehr bekannt. Das ist schwer an den Mann zu bringen. Die „3 Musketiere” sind wesentlich bekannter in Deutschland und jeder kann sich darunter etwas vorstellen. Ich denke, von daher ist es viel einfacher zu verkaufen. Dazu ist es eine wahnsinnig teure Produktion mit unglaublichen Kostümen, einem super Bühnenbild, einer größeren Cast als bei „Les Misérables” und einem doppelt so großen Orchester wie in Holland. Von daher bin ich ganz zuversichtlich.

Welches sind Ihre anderen beiden Lieblingsstücke?
Also ein anderes von mir erklärtes Lieblingsstück ist „Martin Guerre” und das dritte ist der absolute Klassiker „West Side Story”.
Sie wollten „Martin Guerre” als konzertante Version nach Deutschland bringen – das ist leider gescheitert. Woran hat es gelegen?
Es sollte in einer neuen Version in Spanien rauskommen, leider ist der Produzent Pleite gegangen und man hat dann das Stück nicht zu Ende überarbeitet. Man wollte aber auch nicht, dass wir die alte Version aufführen. Das war sehr schade, denn eigentlich hatte man uns schon zugesagt. Aber ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben.
Wenn Sie die Wahl hätten, welche Stücke würden Sie gerne in Deutschland sehen?
Das habe ich ja schon erwähnt, natürlich an erster Stelle „Martin Guerre”. Generell bin ich eher Anhänger der dramatischen Sachen, die im Moment leider nicht so in Mode sind. Ich mag es, wenn die Leute auf der Bühne sterben, ich mag die großen Emotionen. Ich habe letztens erst festgestellt, dass ich noch kein Musical gemacht habe, wo nicht irgendjemand auf der Bühne gestorben ist.
Gerne würde ich noch öfter „The Beautiful Game” in Deutschland sehen, denn ich finde es gehört zu den besseren neueren Stücken von Webber. Und auch gegen ein Wiedersehen mit „Miss Saigon” hätte ich nichts einzuwenden. Aber das sind schließlich auch Stücke, wo Leute auf der Bühne sterben.
In Wien wagt man sich jetzt als erste deutschsprachige Bühne mit „Romeo & Julia” an eine der neuen Frankopop-Shows. Was halten Sie von den französischen Shows?
Frankopop-Shows sind für mich keine Musicals im eigentlichen Sinn, sondern – wie der Name schon sagt – Popshows. Ich finde sie teilweise sehr gut – „Notre Dame de Paris” hat tolle Songs – aber es hat für mich mehr den Charakter eines Konzertes. Das finde ich nicht schlecht, ist aber für mich eine andere Kategorie.

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