Zum Heulen schön

TV-Entertainer Ralph Morgenstern über die Proben zu “Hairspray”, seine Traumrolle und Erinnerungen an die Stella-Pleite.

Der TV-Moderator und Schauspieler Ralph Morgenstern (“Kaffeeklatsch”, “Blond am Freitag”) schlüpft ab 15. März in die Rolle der übergewichtigen Hausfrau Edna Turnbald in “Hairspray”.

Herr Morgenstern, wie sind Sie die erste deutschsprachige Edna Turnblad in “Hairspray” geworden?

Ich bekam eine Anfrage der Produktion, was mich allerdings nicht vom Vorsprechen befreit hat. Also bin ich zwischen Tür und Angel zum Recall nach Berlin geflogen. Dort habe ich zusammen mit Ilse La Monaca, die die Tracy spielt, vorgesungen, -getanzt und -gespielt. Das war sehr aufregend, weil es eines der wenigen Vorsprechen in meinem Leben war.

Wieso wollten Sie “Hairspray” machen?

Ich fand immer schon den Original-Film von John Waters toll und war auch ein großer Fan von der Film-Edna Divine als Schauspielerin und damals ja auch Disco-Star. Außerdem habe ich selbst früher in dieser Richtung gearbeitet. Die Projekte mit Walter Bockmayer und der Film “Im Himmel ist die Hölle los” gingen auch in diese Trash-Ecke. Den Film haben wir 1983 gedreht und interessanterweise gibt es darin sehr viele Parallelen zu “Hairspray”, der erst 1988 in die Kinos kam. Besonders interessant für mich ist natürlich auch die Tatsache, dass Matthias Davids das Stück neu inszeniert. Die Bühnenversionen von “Hairspray” in New York und London sind ja so gut wie identisch. Dort hätte ich nicht die Möglichkeit gehabt, meine Rolle ein wenig mitzukreieren.

Wie haben Sie sich nach der Zusage auf Ihre Rolle vorbereitet?

Mein Lebensgefährte und ich sind erstmal nach London geflogen und haben uns Michael Ball als Edna angeschaut. Er macht das richtig zauberhaft! Und überhaupt hat mir alles an der Bühnenversion sehr gut gefallen. Die neue Verfilmung mit John Travolta als Edna habe ich mir allerdings extra nicht angeschaut, weil mir schon kurze Ausschnitte daraus gar nicht gefallen haben. Die Edna wirkt durch die Maske völlig künstlich. In dem Film lebt sie überhaupt nicht, sie bewegt sich nur und ist dick. John Travolta ist eigentlich kein schlechter Schauspieler, aber da findet in seinem Gesicht gar nichts statt.

Wie laufen die Proben bisher?

Sehr gut, aber es ist natürlich Knochenarbeit für mich! Das Problem ist nicht der Fatsuit, durch den ich ja doch ein paar Kilos mehr als sonst mit mir herumtrage. Wenn ich den einmal anhabe, merke ich das nicht mehr. Aber ich habe keine Tanzausbildung, daher bereiten mir die Tanzszenen manchmal arge Kopfschmerzen und ziemlich starken Muskelkater. Die meisten Kollegen sind ausgebildete Tänzer, die können die Schrittfolgen komplett ohne Musik tanzen und es stimmt auf den Takt. Ich muss mir in meinem Kopf immer erst die Töne und den Takt vorstellen und dann gleichzeitig singen. Aber es ist eine wunderbare Arbeit – die Kollegen singen so toll, dass ich alleine schon bei den ersten musikalischen Proben, als wir im Kreis gesessen und die Lieder gesungen haben, heulen musste, weil ich die Lieder so schön finde.

Welche Veränderungen im Vergleich zur Originalproduktion gibt es in St. Gallen?

Die Songs und das Buch sind so gut und wasserdicht, dass sie gar keine gravierenden Veränderungen zulassen. Neben den deutschen Dialogen wurden für uns auch ein paar Lieder ins Deutsche übersetzt. Mein Bühnen-Gatte und ich singen unser Duett “Timeless” zum Beispiel auf Deutsch. Auch “Miss Baltimore Crabs” – übrigens eines meiner Lieblingslieder – wird auf Deutsch gesungen. Die meisten Songs bleiben aber im englischen Original, wobei die Zwischentexte, die auf der Musik liegen, auf Deutsch gesprochen werden. Das Bühnenbild und die Kostüme sind bunt und witzig, aber anders als in der englischsprachigen Inszenierung. Außerdem hat unsere Bühne mehrere Spielebenen, zum Beispiel in der Gefängnisszene. In London und New York tragen die Schauspieler da Gitterstäbe mit sich herum. Bei uns ist das Gefängnis nach oben gebaut. Wir tanzen in einem Gittergerüst übereinander, so ähnlich wie im “Jailhouse Rock”-Video von Elvis Presley.

Haben Sie Lampenfieber, wenn Sie an die Premiere denken?

Jetzt noch nicht. Das kommt erst mit den Durchläufen, wenn ich von der Bühne schaue und weiß, dass da nachher die Menschen sitzen. Ich möchte jetzt noch nicht an die Gefühle denken, die ich am Tag der Premiere haben werde. Das kann man nicht mit Geld bezahlen, was man da durchmacht! Es ist viel schlimmer als bei einer Fernsehaufzeichnung, wo man meistens die Chance hat, einen verpatzten Moment zu wiederholen – auch wenn ich das normalerweise nicht mache, denn einen Fehler zuzugeben macht das Fernsehen ein bisschen sympathischer und menschlicher. Im Theater kann man aber nichts wiederholen. Da muss man dann damit fertig werden. Schön ist aber, dass man mehr mit dem Publikum zusammen arbeiten kann. Das ist eine tolle Chance beim Theater und das wiegt die Aufregung von vorher wieder auf.

Was reizt Sie als bekannter TV-Entertainer daran, Theaterrollen zu übernehmen?

Ich habe immer schon versucht, das zu mischen und meinen Beruf voll auszuschöpfen. Neben Moderationen, Film und Fernsehen habe ich auch etwa alle zwei Jahre eine große Theaterproduktion gemacht. Zurzeit spiele ich noch den Ersten Ganoven in Kiss me, Kate in Leipzig, jetzt noch vier Vorstellungen im Juli. Die Abwechslung macht mir Spaß und man lernt dadurch auch sehr viel. “Hairspray” ist für mich wirklich eine sehr, sehr große Herausforderung, weil ich all die Jahre überhaupt keine Hauptrolle mehr gespielt habe. Ich hatte in den vergangenen zwölf Jahren immer eine wöchentliche Sendung beim Fernsehen. Da konnte ich beim Theater immer nur Nebenrollen spielen, weil die Zeit es nicht anders zuließ.

Ist Musical für Sie Kunst oder Entertainment?

Musical ist auf jeden Fall eine Kunst, weil da einfach viele außergewöhnlich talentierte Menschen zusammenarbeiten, die es durch ihre Talente schaffen, so viele andere Menschen zu begeistern und zu unterhalten. Ein Musicaldarsteller drückt seine Talente in Gesang, Tanz und Schauspiel aus, ebenso wie ein Maler seine Talente in Gemälden ausdrückt und ein klassischer Sänger in Arien. Unterhaltung ist Kunst. Umgekehrt unterhält es mich auch, wenn ich mir ein Bild von Picasso ansehe. Für mich sind die Grenzen da fließend. Generell ist es eine Kunst, etwas aus seinem Talent zu machen, egal ob es in Richtung Klassik oder Entertainment geht. Und es ist auch eine Kunst, das dann über Jahrzehnte durchzuhalten, was lange nicht jeder schafft.

Was halten Sie davon, die Hauptdarsteller für Musicals in TV-Casting-Shows zu besetzen?

In der deutschen Musicalszene gibt es so viele tolle Talente, dass ich es erstmal richtig finde, dass sie irgendwo die Gelegenheit bekommen, in der Öffentlichkeit zu singen. Ich habe die Musical-Casting-Shows noch nicht gesehen, daher kann ich jetzt nur von Formaten wie “Deutschland sucht den Superstar” ausgehen. Solche Sendungen zeigen, dass es ein sehr großes stimmliches Potenzial gibt. Wie das in den Sendungen aufbereitet wird und wer da in der Jury sitzt, sei jetzt mal dahingestellt. Aber als öffentliches Forum für junge Leute mit wirklich dollen Stimmen finde ich es von der Idee her gut. Ich hoffe nur, dass den jungen Leuten inzwischen klar ist, dass sie durch die Teilnahme daran nicht automatisch zum Star werden. So etwas dauert normalerweise Jahre. Man muss über einen langen Zeitraum beweisen, was man kann, und das ist auch richtig so.

2002 haben Sie für einige Vorstellungen zusammen mit Dirk Bach und Gayle Tufts die Wasserspeier in Disneys “Der Glöckner von Notre Dame” gespielt. Wie war das für Sie?

Das war eine sehr schöne, interessante Erfahrung. Ich fand es toll, dass es eine europäische Produktion war. Ansonsten wäre sie mit Sicherheit nicht so düster ausgefallen. Das Bühnenbild war spektakulär mit den vielen Projektionen und diesen Bühnenteilen, die rauf und runter fuhren. Du musstest zum richtigen Wort an der vorgesehenen Stelle sein, sonst fuhr dieses Ding plötzlich in den Keller oder schoss unter die Decke und du warst tot. Die Dinger wackelten auch noch beim Tanzen und man konnte durch die Gitterplattform bis nach unten auf den beleuchteten Boden gucken. Aber da ich keine Höhenangst habe, bin ich damit ganz gut klar gekommen.

Konnten Sie dort auch Ihre Persönlichkeit in die Rolle einbringen?

Wir sind da in die laufende Produktion hinein engagiert worden und bei internationalen Großproduktionen bleibt ohnehin wenig Spielraum für eigene Ideen. Als hinzu engagierte Gäste hatten wir etwas mehr Freiraum als die Kollegen aus dem Ensemble, aber den mussten wir uns erkämpfen. Gayle Tufts sollte zum Beispiel Phonetik-Unterricht nehmen, um sich ihr bekanntes “Denglisch” abzutrainieren. Aber dann hätte es genausogut weiterhin die Kollegin aus dem Ensemble spielen können. Aber wenn du solche Rollen übernimmst, ist das Korsett schon ziemlich eng.

Haben Sie damals etwas von der Stella-Pleite mitbekommen?

Ja, ich habe einen Teil der Gage noch nicht bekommen. Ich glaube, die meisten Kollegen haben zum Glück ihr Geld, aber bei uns Gästen fehlte dann doch am Ende ziemlich viel. Dass die Firma pleite ist, wurde relativ lange geheim gehalten. Es brodelte hinter der Bühne, auf der Bühne hat man nichts davon gemerkt. Man kann es ja nicht am Zuschauer auslassen und eine schlechte Vorstellung abliefern.

Welche anderen Musicalrollen würden Sie gerne einmal spielen?

Da gibt es einige, zum Beispiel Roger DeBris in “The Producers” wäre eine interessante Rolle für mich. Warten wir mal die Premiere der deutschsprachigen Version in Wien ab. Aber mit “Hairspray” bin ich erstmal vollauf beschäftigt und schaue nicht nach Rollen nebenbei. Ich würde auch gerne im Sommer 2009 die geplante Deutschland-Tournee mit “Hairspray” machen. Das hängt jetzt natürlich alles von der Premiere in St. Gallen ab. Insofern lastet schon ein Druck auf mir und meinen Kollegen, die sich alle darum gerissen haben, “Hairspray” zu machen und teilweise mit ihren anderen Engagements arge Doppelbelastungen auf sich nehmen.

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