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Kleiner Mann, was nun? (2005)
Engelbrot, Berlin

In den Dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts haben sie einander gefunden: die Arbeitertochter Emma Mörschel und der Angestellte Johannes Pinneberg, sie wollen heiraten und nun soll endlich alles gut werden. Revue von Tankred Dorst und Peter Zadek nach dem gleichnamigen Roman von Hans Fallada und mit der Musik von Erwin Bootz und Peer Raben.

Menschen – Tiere – Sensationen. Jetzt auch im Berliner Hansa Theater?
Das Regisseur-Duo Christian A. Schnell und Jens U. Seffen verlegt „Kleiner Mann, was nun?” in ein von Marion Paul entworfenes Zirkuszelt mit Artisteneingang, Manege und Logenplätzen. Doch statt dressierten Elefanten oder waghalsigen Artisten wird dem verehrten Publikum der soziale Sturzflug des Johannes Pinneberg vorgeführt. Dieser sympathisch und facettenreich von Florian Benstem verkörperte Titelheld des Stücks verliert in dessen Verlauf seinen Job als Bilanzbuchhalter in der Provinz, scheitert später als Verkäufer für Herrenkonfektion im Berliner Kaufhaus „Mandel” und endet schließlich als arbeitsloses Wrack in der Gosse. Nur seine liebevoll „Lämmchen” genannte Ehefrau und Mutter des gemeinsames Kindes steht ihm bis zum bitteren Ende zur Seite. Als mehr recht als schlecht bezahlte Näherin hält sie die kleine Familie über Wasser und widersteht der Versuchung, für ein mickriges Taschengeld ihren Körper zu verkaufen. Melanie Haffke gestaltet die Figur der Emma Mörschel mit viel Herz und überzeugt auch gesanglich.

Begafft wird die Szenerie von einem skuril überzeichneten, in Flitterflatter-Zirkuskostümen oder im Stil der dreißiger Jahre gekleidetes Panaoptikum an skurilen Typen. Tina-Nicole Kaiser, Iris Werlin, Jens U. Seffen, Nicolai Tegeler und Thomas Grandoch springen immer wieder in die Manege, um dort aktiv als skrupellose Chefs, lüsternde Damen oder schleimige Saubermänner in das Geschehen einzugreifen. Zur Charakterisierung der einzelnen Schauplätze bringen sie allerlei zirkustypische Requisiten mit. So wird aus zwei Tierpodesten schnell ein Tisch und ein schräg gestelltes Brett kann als Bett genutzt werden. Auch wenn die Zirkus-Idee gut gemeint ist – sie greift leider nicht immer. Die von der Zirkuskuppel einschwebende Kleiderstange mit Herrensakkos bleibt in der Manege ein Fremdkörper. Ein sonst von einem Zauberer zum Zersägen der berühmten Jungfrau genutzter Kasten hat wenig Ähnlichkeit mit einer Frisierkommode. Und wenn zum Ende der immer langweiliger werdenden Inszenierung die tragische Szenerie auch weiterhin von lustig-bunten Lichterketten erleuchtet wird, fragt man sich, ob nicht ein dritter Regisseur diesen Abend hätte retten können.

Und die musikalische Seite? In der Maske des Weißclowns nimmt Joachim Mayer-Ullmann als musikalischer Leiter oberhalb des Artisteneingangs zwar den angestammten Platz des Zirkusorchesters ein, doch muss er auf einem häufig etwas dünn klingenden Klavier Gassenhauer wie Paul Linckes unverwüstliche „Berliner Luft” oder Marlenes „Ich weiß, es wird einmal ein Wunder gescheh’n” ganz alleine klimpern. Gesanglich aufhorchen lässt neben der bereits erwähnten Melanie Haffke insbesondere Iris Werlin. In ihrer Rolle als abgetakelte Mutter Pinneberg setzt sie mit dem verrucht vorgetragenen „Warum darf eine Frau kein Verhältnis hab’n?” das musikalische Glanzlicht des Abends.

Auch wenn im Zirkus oft ohne Netz und doppelten Boden gearbeitet wird, „Kleiner Mann, was nun?” kommt im Hansa Theater als Mogelpackung daher. Der vielleicht zur Ankurbelung des Kartenverkaufs gewählte Untertitel „Die Berlin Revue” weckt auf jeden Fall falsche Erwartungen. Zwar dürfen Julia Hellmers und Rita Krone als Revue-Girls (ja, es sind immerhin zwei!) einmal kurz ihre Steppschuhe ausprobieren, doch hat diese Aufführung mit einer Revue genauso viel zu tun wie Berlin mit dem Eiffelturm. Schon deshalb werden sich viele Besucher beim Verlassen des Theaters gefragt haben: „Was sollte dieser Zirkus?”.

 
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TERMINE (HISTORY)
Fr, 18.03.2005 20:00Engelbrot, BerlinPremiere
Sa, 19.03.2005 16:00Engelbrot, Berlin
Sa, 19.03.2005 20:00Engelbrot, Berlin
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