Gitte Repin © Vincenzo Laera
Gitte Repin © Vincenzo Laera

Peter Pan (2015 - 2016)
Theater, Trier

Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
 

Regisseur Róbert Alföldi hat die klassische Geschichte gehörig modernisiert und aus Peter Pan einen aufmüpfigen Lederjacken-Teenie mit einer Gang der verlorenen Jungen gemacht. Kapitän Hook ist eine Frau und lebt nicht auf einem Schiff, sondern in einer U-Bahn. Diese Interpretation bereitet Erwachsenen mehr Probleme als Kindern, die ihre Fantasie spielen lassen und trotzdem mitfiebern. Das Stück an sich ist eher ein seltsames Zwitterwesen aus Schauspiel und Musiktheater als ein richtiges Musical. Bernsteins Musikuntermalung ist aber sehr hörenswert.

“Gefällt es euch?” fragt eine Mutter ihre Familie zu Beginn der Pause, und der Unterton lässt keine Zweifel aufkommen, welche Antwort erwartet wird. Um sicher zu gehen, schickt sie ein “Also ich bin enttäuscht!” hinterher. Nach der Pause bleiben diese Plätze leer. Andere Kinder scheinen sich nicht dem Willen ihrer enttäuschten Eltern gebeugt zu haben. Die Erwachsenen werden einen Peter Pan in grünen Strumpfhosen und einen Kapitän Hook auf einem Piratenschiff mit geblähten Segeln erwartet haben – oder wenigstens ein buntes, fantastisches Nimmerland. Die jungen Zuschauer haben weniger Schwierigkeiten damit, in der Graffiti-beschmierten, schmuddeligen U-Bahnstation sowohl das Heim der Familie Darling in London als auch Nimmerland, in dem Peter mit den verlorenen Jungen lebt, zu sehen. Und vielleicht finden sie es einfach sinnig, dass da auch eine U-Bahn hingehört, in der Kapitän Hook mit seinen Seeräubern haust.

Bühnenbildner Tobias Flemming hat eine sehr karge Szenerie auf die Drehbühne gestellt. Sie besteht nur aus einer große Treppe und einem Gerüst, auf dem Tigerlilly und ihre Gang herumtanzen. Mit Licht wird zwar versucht, dem Bühnenbild etwas Leben einzuhauchen, doch es bleibt kahl, dreckig und kalt. Da können auch schöne Ideen wie der erste Auftritt Tinkerbells mit blinkenden Bällen und leuchtendem Kostüm oder die Einfahrt der U-Bahn wenig tun. Eine gute Lösung ist es auch, den Orchestergraben etwas nach oben zu fahren und dort die Szene mit den Nixen und Tigerlillys Rettung vom “Felsen der Verdammten” (in Wirklichkeit das Dirigentenpult) zu spielen. Zu Peters Rettung vor der Flut muss dann auch die erste Zuschauerreihe kräftig mit anpacken und ihn über den Rand aus dem Graben hieven. Das Fliegen wird nur angedeutet, indem Peter Pan und die Darling-Kinder passend zu ihren Kostümen ausgestattete Puppen spielerisch durch die Luft gleiten lassen.

Nicht gelungen sind die unbeholfenen statischen Kampfszenen (Choreographie: Krisztián Gergye) und dass das Krokodil bei seinem ersten Auftritt von drei Schauspielern verkörpert wird, im finalen Auftritt aber nur von einem (weil die anderen beiden Darsteller sich für die nächste Szene umziehen müssen) und deswegen völlig anders aussieht. Die sehr tänzerische Musik wird sträflich ignoriert und bleibt nur Hintergrundmusik – aber immerhin dargeboten von einem gut aufgelegten Live-Orchester.

Regisseur Róbert Alföldi lässt den psychologischen Hintergrund der Geschichte – die Weigerung erwachsen zu werden sowie das gleichzeitige Ablehnen und Sehnen nach elterlicher Fürsorge – erkennbar durchscheinen, stellt ihn aber nicht zu sehr in den Mittelpunkt.

Gerne wird die Figur des Kapitän Hook mit dem Schauspieler des Vaters besetzt, um die Vermischung von Realität und Traumwelt zu zeigen. Alföldi hat die Rolle extra besetzt und aus Hook nicht nachvollziehbarerweise eine Frau gemacht. Barbara Ullmann fehlt das Fiese, das einen Märchen-Bösewicht auszeichnen sollte. Nach der Pause gewinnt sie etwas an Präsenz, auch ihr Lied über die “Blase Ruhm” liegt ihr sehr gut aber ingesamt bleibt sie zu blass.
Völlig ohne Gesang muss Peter Pan auskommen. Claudio Gatzke verkörpert ihn aufmüpfig und rotzig. Seine Stimme knarzt und klingt nach Stimmbruch. Das passt gut zu dem wenig kindlichen Jungen, der nicht erwachsen werden möchte.

Gitte Reppin überzeugt darstellerisch als Wendy. Sie hat etwas mädchenhaftes, ist aber als Älteste der Geschwister gewohnt, Verantwortung zu übernehmen und ein Auge auf ihre Geschwister zu haben. Im Nimmerland weitet sich das auf die verlorenen Jungen aus, was sie leicht zur Mutterfigur werden lässt. Sie hat auch die meisten Lieder zu singen. Doch das liegt ihr kein bisschen. Sie hat eigentlich eine angenehme, leichte Stimme, aber wirkt dabei, als sei ihr der Gesang peinlich, und erwischt nahezu keinen der vielen hohen Töne.

Ihre “jüngeren” Geschwister John (Julian Michael Boine) und Michael (Juliane Lang), wie Reppin erwachsene Darsteller, wirken beide älter als Wendy. Als John bei der Begrüßung verkündet, er sei 11, gibt es einen Lacher. Stückbedingt bleiben die beiden recht farblos.

Ihr Hunde-Kindermädchen Nana wird mit viel Mimik, Körpersprache und ein paar Sätzen Grönländisch, der Muttersprache des Darstellers, von Miké Thomsen verkörpert, der es schafft, mit seinen wenigen Szenen Eindruck zu machen. Ohne “richtigen” Text muss auch die Fee Tinkerbell auskommen. Ihre Feensprache vermittelt ihre Darstellerin Nadia Migdal dem Zuschauer sehr gekonnt durch Ausdruck, Betonung und Bewegung.

Von der etwas trostlosen Stimmung abgesehen, ist ein weiteres Problem der Aufführung das Stück selbst. Zur Entstehung von Leonard Bernsteins Musik gibt es verschiedene Angaben. Mal heißt es, “Peter Pan” sei als richtiges Musical geplant gewesen, laut anderer Quellen sollte Bernstein nur Musik für das Schauspiel schreiben, steuerte zusätzlich Lieder bei, die aber Mangels gesanglicher Fähigkeiten der Darsteller in der ursprünglichen Fassung fast alle nicht benutzt wurden. Nach seinem Tod rekonstruierte man die Partitur und die gestrichenen Songs, aber es wirkt szenisch umgesetzt unfertig und nicht rund. Einzig die Instrumentalmusik ist wirklich gelungen. Sie hat den typischen, federnden Bernstein-Rhythmus, ist sehr schön orchestriert, wird vom Philharmonischen Orchester Trier (Leitung: Wouter Padberg) gut umgesetzt, und sorgt für akustische Atmosphäre, wenn es schon optisch keine gibt. Auch Bernsteins Songs sind für sich genommen schön. Sie sind aber nicht in die Handlung eingebunden, erscheinen plötzlich wie Kai aus der Kiste, und sind eher ruhig. Dadurch bremsen sie die Geschichte aus. Sehr schade, denn aus dem Material ließe sich etwas machen, wenn es besser integriert wäre.

Dem Theater Trier, das sich seit dem Intendantenwechsel verstärkt dem Musical widmet, ist die Entscheidung, “Peter Pan” in dieser Form auf den Spielplan zu setzen, hoch anzurechnen. Die Umsetzung überzeugt leider nur sehr bedingt.

 
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KREATIVTEAM
InszenierungRobert Alföldi
Musikalische LeitungWouter Padberg
Bühne und KostümeTobias Flemming
ChoreografieKrisztián Gergye
DramaturgieAdrian Jager
 
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CAST (AKTUELL)
Frau DarlingCornelia Hain
Herr DarlingKlaus-Michael Nix
WendyGitte Reppin
JohnJulian Michael Boine
MichaelJuliane Lang
NanaMiké Thomsen
Peter PanClaudio Gatzke
Tinker BellNadia Migdal
BisschenMarvin Becker
Benedikt Steitz
TütchenDaniel Grischov
Elmo van der Poel
SpitzchenMichael Berres
Rouven Thum
LöckchenChristoph Georgi
Marc-Bernhard Gleißner
Zwilling I & IIKilian Haoues
Stephan Vanecek
Kapitän HookBarbara Ullmann
SmyRonja Oppelt
StarkeyKlaus-Michael Nix
OberlichtCornelia Hain
Bill JuxLászló Lukács
TigerlillyGina Haller
Der große lange kleine PantherMiké Thomsen
Indianermädchen und WassernixenNadine Benischek
Antonia Crames
Laura Franzen
Annabelle Haupert
Celine Herrig
Zoe Langner
Janine Meyer
Camille van der Poel
Nina Regenhardt
Paula Regenhardt
Hanna Schilling
Luisa Schmitt
Franziska Schmitz
Veronika Tombers
Helena Vogel
Mara Wladimir
  
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TERMINE
keine aktuellen Termine
 
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TERMINE (HISTORY)
So, 22.11.2015 16:00Theater, TrierPremiere
Mo, 23.11.2015 10:00Theater, Trier
Fr, 27.11.2015 10:00Theater, Trier
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