Dracula (Chris Murray) und Mina (Femke Soetanga) © Sabine Haymann
Dracula (Chris Murray) und Mina (Femke Soetanga) © Sabine Haymann

Dracula (Wildhorn) (2012 - 2015)
Theater, Pforzheim

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Das Stadttheater Pforzheim zeigt mit Frank Wildhorns “Dracula” ein Musical, das in Deutschland bisher selten gespielt wurde. Für die Produktion wurden ausgezeichnete Darsteller besetzt, die allerdings gegen eine blutleere Inszenierung ankämpfen und oft verloren dem Treiben auf der Bühne gegenüberstehen.

Wenn Frank Wildhorn auf dem Programm steht, heißt das Schmalz und Herzschmerz vom Feinsten. Seine Musicals sind leicht verdauliche Kost, die aber ein breites Publikum anspricht. Dass man mit so einem Stück auf dem Spielplan wohl nicht viel falsch machen kann, muss man sich auch am Stadttheater Pforzheim gedacht haben und erwarb die Rechte für “Dracula”, Wildhorns Vampirromanze nach Bram Stokers gleichnamigen Schauerroman.

Für die Besetzung hat man sich nicht lumpen lassen: Als Vampirfürst wurde Musicalveteran Chris Murray verpflichtet, der bereits in der deutschsprachigen Erstaufführung des Stückes als Vampirjäger van Helsing zu sehen war. Murray interpretiert die Titelrolle mit großen Gesten und drohender Miene, die ausgezeichnet zum Bild des Untoten passen. Vor allem in den Szenen im transsilvanischen Schloss zeigt er sich mit aristokratisch-gebieterischem Habitus als absolute Glücksbesetzung. Die gesanglichen Anforderungen stemmt Murray ohne Schwächen, sein dunkles Timbre passt hervorragend.

Die anderen Darsteller können stimmlich ebenfalls voll und ganz überzeugen und werden von einem imposanten Orchester unter der Leitung von Tobias Leppert bestens unterstützt. Besonders hervorzuheben ist Yvonne Luithlen, die die Lucy Westenra mit Frische, Elan und glockenklarer Stimme zum Besten gibt. Eine starke zweite Dame neben Femke Soetenga, die als Mina Murray die weibliche Hauptrolle übernimmt. Soetenga läuft gerade im zweiten Akt, wenn ihre Rolle an Fahrt gewinnt, zu Höchstleistungen auf. Mit viel Charme und Esprit liefert sie eine gelungene schauspielerische wie gesangliche Interpretation der zwischen Ehepflicht und wilder Leidenschaft zerrissenen Frau. Dennoch fällt es ihr schwer, die Rolle der Mrs. Danvers abzustreifen, die sie noch kurz zuvor bei “Rebecca” in Stuttgart spielte. Gerade im ersten Akt wirkt Soetenga spröde und altbacken. Mit der jugendlichen Lucy an ihrer Seite erinnert ihre Mina in ihrem weißen Belle-Epoque-Kleidchen an eine Gouvernante wie im Filmklassiker “Zimmer mit Aussicht”.

Licht und Tontechnik des Pforzheimer Theaters stoßen bei “Dracula” an ihre Grenzen. Die schwächelnde Tontechnik schafft es über weite Strecken nicht, Sänger und Orchester so abzumischen, dass der Text verständlich bleibt. Ab und an übersteuern auch die Mikrophone. Das Lichtbild ist oft unglücklich und wenig stimmungsfördernd gewählt, die Hauptakteure verschwinden teils in dunklen Ecken. Schattenspiele, die in Referenz an Murnaus Stummfilm “Nosferatu” versucht werden, verpuffen daher fast unbemerkt.

Die Inszenierung von Wolf Widder orientiert sich in ihren Bildern deutlich an den bekannten Verfilmungen des Dracula-Stoffes, vor allem Francis Ford Coppolas Kinofilm, und bietet nur wenig originelles Potential. Die Bühne bleibt dabei unnötigerweise oft recht nackt und unbelebt – Chor und das Tanzensemble kommen nur in wenigen Szenen vor. Mit der stimmlich einwandfreien Cast weiß Widder nichts anzufangen und lässt die Darsteller schauspielerisch völlig im Regen stehen. Thomas Christ als Jonathan Harker wirkt stellenweise so hölzern wie der Pflock, den er dem Grafen in die Brust rammen will, was zugegebenermaßen auch dem Skript geschuldet ist, und Renfield, der von Benjamin Savoie gespielte diabolische Diener des Grafen, verkommt trotz des stimmungsvoll gesungenen Solos zur Witzfigur. Vor unfreiwilliger Komik strotzen auch die lieblos aneinandergereihten Auf- und Abgänge des Grafen. Mal kraxelt Murray über das (wenig einfallsreiche) Spinnennetzdekor im Vampirschloss, mal kriecht er unter dem Vorhang hervor oder fliegt mit kaum vorhandener Körperspannung am Seil über die Bühne. Die Kampfsequenzen sind derartig lieblos und dilettantisch inszeniert, dass sie an eine mittelmäßige Laiengruppe erinnern. Schade, denn die Szene um “Nosferatu” zeigt, dass es anders geht: Vor dunkler Kulisse winden sich drei Wesen über Kopf in der Luft und unterstützen das van Helsing-Solo bestens.

Schon einmal erfreulich, dass man sich in Pforzheim eines Musical angenommen hat, dass neben den vielen “My Fair Ladies” und “Anatevkas” heraussticht und die deutsche Musicallandschaft belebt. Es bleibt die Hoffnung, dass Pforzheim in Zukunft den Weg zu interessanteren Inszenierungen findet.

Musical von Frank Wildhorn (Musik) sowie Don Black und Christopher Hampton (Buch und Texte)
Deutsche Übersetzung von Roman Hinze

 
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KREATIVTEAM
Musikalische LeitungTobias Leppert
InszenierungWolf Widder
Bühne und KostümePetra Mollérus
ChoreografieJames Sutherland
 
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CAST (AKTUELL)
DraculaChris Murray
Mina MurrayFemke Soetenga
Jonathan HarkerThomas Christ
Prof. Abraham von HelsingJon Geoffrey Goldsworthy
Arthur HolmwoodSteffen Fichtner
Dr. Jack SewardKlaus Geber
Philipp Büttner
Lucy WestenraYvonne Luithlen
Quincey MorrisIngo Wagner
Nico Schweers
RenfieldBenjamin Savoie
VampirinnenChiharu Takahashi
Manuela Wagner
Gitte Pleyer
Franziska Hornyai
Laura Wick
Aline Münz
  
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TERMINE
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TERMINE (HISTORY)
Mo, 31.12.2012 19:00Theater, PforzheimPremiere
Do, 03.01.2013 20:00Theater, Pforzheim
Fr, 11.01.2013 20:00Theater, Pforzheim
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